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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

seiner eigenen Leistungsfähigkeit und Kraft ebenso kennen wie die Grenzen der Wirkungsweise und Kraft der es<br />

umgebenden Gegenstände108 . Über seine Leistungsfähigkeit begreift das Kind, was es mit diesen Dingen tun<br />

und wie es sie handhaben kann, während deren Wirkungsweise ihm deutlich macht, was sie ihm antun können<br />

(bspw. wenn Seife ins Auge kommt). Wenn wir uns der Existenz eines Objektes bewusst sind, hat <strong>des</strong>sen Wirklichkeit<br />

nach Mead (PA: 108f) einen doppelten Referenzrahmen. Das Objekt verweist zum einen auf die Vollendung<br />

einer Handlung, die von der Wahrnehmung eingeleitet wird und die somit vor der zu machenden Erfahrung<br />

liegt. Weiter beinhaltet es ein Element, das von der trügerischen Gegenwart ausgeht und aufgrund seiner<br />

Trennung noch nicht zu dieser gehört, und das in der Antwort auf den vom Objekt erzeugten Druck bzw. Widerstand<br />

besteht, wenn es in den Bereich der Manipulation kommt. Zum anderen wird die Realität <strong>des</strong> Objekts über<br />

den vom Objekt ausgehenden Druck, den Widerstand, konstituiert, der die Kontaktreaktion und Kontakterfahrung<br />

einleitet. Nach Mead geht der Druck <strong>des</strong> Distanzobjekts aufgrund <strong>des</strong> kooperativen Charakters unserer<br />

physischen Aktivitäten in unsere Erfahrung ein, sowohl was die Erhaltung unserer physischen Position in der<br />

Bewegung wie im Ruhezustand und bei der Manipulation der Objekte betrifft, mit denen wir umgehen. Für die<br />

Erfahrung und Erfassung physischer Objekte ist deren Verhalten in Bezug auf den menschlichen Körper wichtig.<br />

Die Internalisierung der Wirkungsweise dieser Gegenstände mittels der Perspektivenübernahme gegenüber diesen<br />

Gegenständen ermöglicht dem Kind in einer problematischen Situation, diese verschiedenen Perspektiven<br />

bei der Auswahl angemessener Handlungsweisen zu berücksichtigen. Es kann sich auf diese Weise auf den Umgang<br />

mit ihnen vorbereiten. Die Leistungsfähigkeit bzw. Wirkungsweise von Objekten liegt in der Zukunft, die<br />

in der trügerischen Gegenwart durch ihre antizipatorische gedankliche Hereinnahme schon vorhanden ist. Die<br />

hypothetische soziale Einstellung gegenüber einem Objekt in Form einer Vorahnung oder Vorstellung <strong>des</strong>sen,<br />

was passieren wird, ist psychisch, bis sie funktioniert. Erweist sie sich als funktionsfähig, dann gehört sie <strong>zur</strong><br />

Perspektive <strong>des</strong> Einzelnen und zu den Perspektiven der sozialen Welten/Arenen (PA: 110), an denen es partizipiert.<br />

Ist dies nicht der Fall und bedarf es <strong>zur</strong> Überwindung <strong>des</strong> unterbrochenen Handlungsflusses einer größeren<br />

Anstrengung, dann markiert diese Situation den Punkt, an dem das Selbstbewusstsein über die Entwicklung der<br />

Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme entsteht und wo sich intelligentes Mitfühlen entwickeln kann. Zur Beschreibung<br />

<strong>des</strong> gleichzeitigen Zusammenspiels von körperlichen und mentalen Prozessen differenziert Engdahl<br />

(2005: 66f) zwischen antizipatorischer und konkreter Perspektivenübernahme. Hiernach ermöglicht die antizipatorische<br />

Perspektivenübernahme dem Menschen im Sinne einer gedanklichen Vorwegnahme der Handlung einschließlich<br />

ihrer Vollendung, sich an Dinge und Andere anzupassen, bevor es zu einer aktuellen Kontakterfahrung<br />

kommt. Der parallel ablaufende Prozess der konkreten Perspektivenübernahme besteht primär in der Entdeckung<br />

<strong>des</strong> Innenlebens oder <strong>des</strong> Handlungszentrums, während der primäre Prozess der abstrakten Perspektivenübernahme<br />

in der Sinnstiftung besteht. In diesem Zusammenhang wird die Funktion, die dem emotionalen, ästhetischen<br />

und intellektuellen Stadium109 für die Objektbildung und für ein Bewusstsein von Bedeutungen zukommt,<br />

relevant. So erfassen wir in der antizipatorischen Perspektivenübernahme den Sinn einer Handlung oder<br />

wir berücksichtigen signifikante Symbole, die uns unsere bevorstehenden Handlungen zu betrachten bzw. zu untersuchen<br />

und in der Folge zu planen erlauben. Roy hebt hervor, dass der Erwerb dieser Fähigkeit den Menschen<br />

in die Lage versetzt, sich aus der Perspektive anderer bzw. in größeren Zusammenhängen wahrzunehmen, z.B. in<br />

sozialen Gruppen. Erfahrungen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, einer Rasse,<br />

Ethnie oder sozialen Schicht stellen für sie wichtige Inputs für die Bildung und Aufrechterhaltung <strong>des</strong> Selbstkonzepts110<br />

dar. Damit sich diese von unseren emotionalen Erfahrungen mit den Dingen und mit den Beziehun-<br />

108 Mead (PA: 109) beschreibt am Beispiel <strong>des</strong> Kleinkin<strong>des</strong>, wenn es sich in Raum und Zeit zu bewegen lernt oder wenn es<br />

nach Dingen greift, die Abhängigkeit <strong>des</strong> Menschen von der kooperativen Antwort auf Gewicht und Masse und Elastizität.<br />

109 Diese Wahrnehmungsphasen entsprechen der vorbereitenden Phase, dem Spiel, dem organisierten Spiel und der partizipatorischen<br />

Phase in diversen sozialen Welten/Arenen. Engdahl (2005: 68) interpretiert die von Mead beschriebenen Phasen<br />

Spiel und organisiertes Spiel auch als eine Passage, bei der die Selbstgefühle eines Kin<strong>des</strong> nach und nach die Form der Selbstreflexion<br />

annehmen, was in Bezug auf die Fähigkeit zum intelligenten Mitfühlen ein wichtiger Lernprozess und Voraussetzung<br />

für die Realisierung der eigenen Potenziale (Selbstrealisation) ist.<br />

110 Für das Ergebnis oder den Output <strong>des</strong> Systems gibt das Streben nach Angemessenheit als treibende Kraft <strong>des</strong> Selbstkonzept-Modus<br />

dem Verhalten und Handeln <strong>des</strong> Menschen eine Richtung, den Antrieb und die entsprechende Organisation. So<br />

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