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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

mehr auf Hunger, auf Unwohlsein oder auf ein Erschrecken hinweist. Von den möglichen mit dem Schrei vermittelten<br />

Informationen und den darin enthaltenen Handlungsmöglichkeiten muss sie dann eine auswählen und<br />

in entsprechen<strong>des</strong> Handeln umsetzen. Sie bestimmt die Situation und das Handlungsproblem. Das erlaubt ihr,<br />

eine Handlungslinie auszuwählen. Diese Handlungslinie enthält zugleich das Handlungsziel (s. Ward/Throop<br />

1989: 472f; MSS: 25, GIG: 63f). Wie erwähnt, ist das vom Kind verfolgte Handlungsziel aufs engste mit einem<br />

Wert bzw. einem wertgeschätzten Objekt verbunden. Dieser ist beim Neugeborenen/Kleinkind zunächst an emotionale<br />

Zustände geknüpft. Mead weist wiederholt auf die Funktion der selektiven Aufmerksamkeit bei der<br />

Strukturierung <strong>des</strong> menschlichen Handelns und in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der sozialen Organisation<br />

<strong>des</strong> Handelns hin. Welche emotionalen Erfahrungen bzw. welche Erfahrungen überhaupt gemacht werden,<br />

in welcher Bandbreite und in welchem Umfang, hängt von sozialen Faktoren ab, die die Handlungen beeinflussen<br />

(Ward/Throop 1989: 473ff) Der sozialen Organisation <strong>des</strong> Pflegehandelns kommt nicht nur eine wichtige<br />

Rolle für die mögliche Vielfalt der dabei zu machenden Erfahrungen zu, sondern auch für die Herausbildung<br />

von Objekten und <strong>des</strong> dafür erforderlichen Vokabulars, mit denen und mit dem die Objekte und Erfahrungen <strong>des</strong><br />

pflegerischen Handelns bezeichnet werden können und das problematisch gewordene, auf sich selbst und/oder<br />

auf Andere bezogene Pflegehandeln an die veränderte Situation angepasst und neu strukturiert werden kann. Es<br />

liegt auf der Hand, dass die Beschränkung der Pflegebeziehung bei der Initiierung der Pflegeverlaufskurven auf<br />

nur eine Pflegeperson, also primär auf die zwischen Mutter und Kind dazu führen kann, dass das Kind nicht nur<br />

eine beschränkte Anzahl von Erfahrungen macht, sondern auch zu einer begrenzten Bandbreite der mit diesen<br />

Erfahrungen verbundenen gefühlsmäßigen Eigenschaften gelangt. Findet hingegen die Pflege eines Kin<strong>des</strong> nicht<br />

nur in einer, sondern in mehreren interpersonalen Beziehungen (z.B. Kind-Mutter, Kind-Vater, Kind-<br />

Großmutter, Kind-Freundin der Mutter etc.) statt, hat es die Möglichkeit, die gleiche Erfahrung (die Beseitigung<br />

von Unwohlsein) in unterschiedlichen Qualitäten zu erleben - von Unwohlsein bis Wohlbefinden, von Erleichterung<br />

bis Angst -, und dabei eine Bandbreite von Reaktionsmöglichkeiten auszubilden. Im Folgenden geht es um<br />

die Bildung von Objekten und die Entwicklung der Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme einschließlich <strong>des</strong> intelligenten<br />

Mitfühlens, was die Voraussetzung für die Herausbildung von Kompetenzen in beiden Pflegeformen<br />

ist.<br />

8.3.2.4 OBJEKTE BILDEN UND DIE FÄHIGKEIT ZUR PERSPEKTIVENÜBERNAHME UND ZUM INTELLIGENTEN<br />

MITFÜHLEN AUSBILDEN: DIE PHASE DER WAHRNEHMUNG UND MANIPULATION<br />

Es ist mehrfach erwähnt worden, dass das Kind im Zuge seiner Sozialisation an eine Vielzahl unterschiedlichster<br />

pflegerischer Situationen herangeführt wird. Dabei setzt sich das Kind über seinen Körper in Beziehung zu seiner<br />

Umwelt und zu anderen Menschen (s. Kap. 3.2.1.2) und entwickelt durch seine Erfahrungen und sein Sichin-Beziehung-Setzen<br />

mit den Dingen und Menschen allmählich ein Gefühl für den eigenen Körper. In der Beziehung<br />

Kind-pflegende Person und Kind-umgebende Umwelt kommt es im Zusammenhang mit der Pflege seines<br />

Körpers, dem Eingehen auf seine physiologischen/psychischen Erfordernisse wie Hunger, Schutz vor Kälte,<br />

Gefühl nach Sicherheit/Geborgenheit und dem Erlernen sozialer Handlungsrollen <strong>zur</strong> Herausbildung unterschiedlichster<br />

Objekte. Hierbei entsteht für das Kind über die anpassende Reaktion der Eltern/Pflegeperson auf<br />

seine Äußerungen ein Bewusstsein von Sinn bzw. von Bedeutungen105 , die ihrerseits eine Interpretation seiner<br />

Äußerungen sind (s. GIG: 118f; MSS: 78). In diesem Sozialisations- und Entwicklungsprozess kommt den<br />

Handlungsphasen Wahrnehmung und Manipulation für die Herausbildung eines Selbst, eines Körperbil<strong>des</strong> etc.<br />

und für die Entwicklung der hier interessierenden Fähigkeiten <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme sowie zum intelligenten<br />

Mitfühlen entscheidende Bedeutung zu. Bezugspunkt für die Herausbildung dieser wichtigen Objekte sind<br />

der menschliche Körper und die Anderen. Bei der Identifikation mit diesen Objekten spielen körperliche Merk-<br />

105 Sinn entsteht wie folgt: „Die Geste eines Organismus, die Resultante der gesellschaftlichen Handlung, in der die Geste<br />

eine frühe Phase darstellt, und die Reaktion eines anderen Organismus auf sie, das sind die relevanten Faktoren in einer dreifachen<br />

oder dreiseitigen Beziehung zwischen Geste und erstem Organismus, Geste und zweiten Organismus sowie Geste und<br />

anschließenden Phasen der jeweiligen gesellschaftlichen Handlung; diese dreiseitige Beziehung ist die Grundsubstanz von<br />

Sinn oder zumin<strong>des</strong>t die Substanz aus der sich Sinn entwickelt.“(GIG: 115f).<br />

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