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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

Wie in Kap. 6 gezeigt, verknüpft Roy ähnlich wie die Pragmatisten das physiologische, affektive und körperbezogene<br />

Verhalten <strong>des</strong> Menschen mit <strong>des</strong>sen sozialem Handeln. Dabei widmet sie der Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme,<br />

die für die vorgenannten Punkte essentiell ist, wenig Aufmerksamkeit. In ihrer Argumentation<br />

konzentriert sie sich, bezogen auf das Meadsche Handlungsmodell, primär auf die Phase der Wahrnehmung und<br />

der Manipulation. In eine ähnliche Richtung argumentiert King. Auch sie lenkt die Aufmerksamkeit auf Prozesse<br />

der Informationsaufnahme und der aktiven Verarbeitung103 durch den Menschen. Die Ergebnisse gehören dann<br />

als Erfahrungen <strong>zur</strong> persönlichen Welt <strong>des</strong> Menschen. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Konzepte<br />

wie das Selbst, das Körperbild, Zeit und Raum wichtig. King begreift Menschen als zeitgebundene Wesen, insofern<br />

diese von früheren Erfahrungen geprägt sind. Diese Erfahrungen wirken sich aufgrund der Erinnerungsfähigkeit<br />

<strong>des</strong> Menschen beim Handeln aus, wenn die <strong>zur</strong>ückliegenden erinnerten Erfahrungen in die gegenwärtigen<br />

Entscheidungen einbezogen werden. Die Verknüpfung vergangener mit gegenwärtigen Erfahrungen ermöglicht,<br />

das Erreichen zukünftiger Ziele zu planen. Mit Blick auf die Pflege lenkt King die Aufmerksamkeit auf die<br />

Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens und die damit verbundenen pflegerischen Handlungsweisen. Letztere verweisen auf die<br />

Sicht <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen von sich selbst, auf seinen Körper, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie<br />

auf seine verschiedenen sozialen Rollen (s. Kap. 7).<br />

Im Meadschen Handlungsmodell (MSS: 25; GIG: 63f) ermöglicht die selektive Aufmerksamkeit dem Menschen,<br />

seinen Handlungsbereich zu organisieren und dabei auszuwählen, auf was bzw. gegenüber wem er handlungsbereit<br />

ist. Im Unterschied zu Roy und King deutet Mead Wahrnehmung als Handeln und als Bestandteil <strong>des</strong><br />

Handlungsprozesses, indem er alle Handlungsformen berücksichtigt, von den unmittelbaren bis zum reflexiven<br />

Handeln. Die Handlungsunterbrechung bedingt eine Neuanpassung oder in den Worten Roys eine Adaptation. In<br />

diesem Zusammenhang interessiert Mead (PE: 101), wie sich der neu einzuschlagende Handlungsverlauf entfaltet.<br />

Von Interesse sind hier die drei, von ihm in der Philosophie der Erziehung ausgearbeiteten entwicklungsgeschichtlich<br />

aufeinander folgenden Stadien, das emotionale, das ästhetische und das intellektuelle Stadium. Beim<br />

erwachsenen Menschen, werden diese drei Stadien in einer problematischen Situation in chronologischer Reihenfolge<br />

durchlaufen. Sie korrespondieren mit entsprechenden Erfahrungs- und Bewusstseinsformen. Ihnen<br />

kommt in der Phase der Wahrnehmung und Manipulation eine unterschiedliche Funktion zu. Diese beiden<br />

Handlungsphasen sind für Mead von herausragender Bedeutung für die Objektbildung, für die Handhabung und<br />

Rekonstruktion von Objekten und somit für die bewusste Gestaltung einer Handlung. Die bewusste Gestaltung<br />

von Handlungssituationen ist an die Entwicklung der Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme gebunden. Diese Fähigkeit<br />

entwickelt sich schrittweise innerhalb dieser beiden Handlungsphasen, wie auch die hier interessierende<br />

Fähigkeit <strong>des</strong> Mitfühlens in Richtung eines intelligenten Mitfühlens durch diese Phasen geformt wird. Die Spannung,<br />

die durch die Unterbrechung oder Störung <strong>des</strong> Handlungsflusses erzeugt wird und die in den kindlichen<br />

Äußerungen ihren emotionalen Ausdruck erfährt, schafft vermittels der selektiven Aufmerksamkeit den erforderlichen<br />

Raum, um das Objekt <strong>des</strong> Handelns (wie z.B. Unwohlsein) zu bilden bzw. zu konstruieren, auf das der<br />

Andere sein Handeln ausrichtet. Darüber hinaus lenkt dieses Objekt die Aufmerksamkeit der beteiligten Personen<br />

in die Bereitschaft um, auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu handeln. Die ‚gefühlte‘ Handlungsunterbrechung104<br />

kann in Interesse oder in Emotion transformiert werden. Diese können wiederum Abwehr- oder<br />

Sicherheitsmechanismen aktivieren, oder das Handeln kann in Desinteresse umschlagen. Hierauf machen Peplau<br />

wie Roy aufmerksam. Aus der Perspektive der pflegenden Person befindet sich ihr Handeln infolge der Handlungsunterbrechung<br />

noch in der Schwebe. Dies ermöglicht ihr, mittels ihrer selektiven Aufmerksamkeit die vermittels<br />

<strong>des</strong> kindlichen Schreis ausgesendeten Informationen zu interpretieren, etwa festzustellen, ob der Schrei<br />

103 Hierbei kommt den menschlichen Sinnesorganen eine wichtige Funktion zu, da menschliche Erfahrungen mittels der<br />

Sinnesorgane aufgenommen und durch eine selektive Verarbeitung von Informationen geordnet und klassifiziert werden.<br />

104 Engdahls (2005: 125) Interpretation der ‚gefühlten Handlungsunterbrechung‘ ist an dieser Stelle inspirierend. Sie<br />

schreibt, dass „emotionale Erfahrungen Selbstgefühle im spezifischen Sinn einer körperlichen Evaluation unserer eigenen<br />

Existenz innerhalb der Handlung [sind]. Dieses Selbstgefühl kann weder als biologisch oder reflexiv Gegebenes vorausgesetzt<br />

werden, sondern ist etwas, was unsere Körper auf der Basis unsere funktionalen Identifikation mit Anderen werden.<br />

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