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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

eines Objektes wie <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen voraus. Im Gegensatz dazu bringen Emotionen, die einen Verlust<br />

begleiten, keine solche Realität mit sich. Grundsätzlich verkörpern Emotionen als Bestandteile der Handlung<br />

frühe Stadien in der Entstehung der Handlung – Stadien, die, wenn sie vollständig ausgeführt sind, ein<br />

Wirklichkeitsgefühl widerspiegeln. Hierbei wird die Emotion nicht einfach der jeweiligen Handlung übergestülpt,<br />

sondern sie ist untrennbar mit ihr verbunden (PE: 63).<br />

Bevor dieser Aspekt vertieft wird, soll auf das Bindeglied zwischen emotionalen Erfahrungen, Werten und der<br />

Phase <strong>des</strong> Vollzugs eingegangen werden. Dieses Bindeglied ist die Aufmerksamkeit, genauer die selektive Aufmerksamkeit<br />

(s. Kap. 3.3.2). Sie leitet <strong>zur</strong> zweiten Phase <strong>des</strong> Meadschen Handlungsmodells über, der Wahrnehmung,<br />

und zeichnet diese aus (s. Ward/Throop 1989: 472). Sowohl Roy als auch King räumen dem Konzept der<br />

Wahrnehmung eine prominente Stellung ein (s. Kap. 6 und 7). Adaptives Handeln beginnt für Roy mit der<br />

Wahrnehmung von Stimuli. Die von ihr unterschiedenen drei Stimuli, die fokalen, kontextualen und residualen<br />

Stimuli bilden zusammen die Umwelt, die alle Bedingungen, Umstände und Einflüsse beinhaltet, die den Menschen<br />

als adaptives System umgeben und die auf seine Entwicklung und auf sein Handeln einwirken (s. Kap. 6).<br />

Der fokale Stimulus kann nach dem pragmatisch-interaktionistischen Handlungsverständnis sowohl als Handlungsimpuls<br />

im Sinne einer verkürzten Handlung als auch als Objekt gedeutet werden, auf welches das Pflegehandeln<br />

gerichtet ist. Roy ordnet die auf das Selbstkonzept einwirkenden Inputs aus der äußeren und der internen<br />

Umwelt zwei Kategorien zu. In die erste Kategorie fallen Sensationen und Kognitionen, die mittels <strong>des</strong> Regulators<br />

und Cognators verarbeitet werden. Sie sind Inputs für das Selbstkonzept als System. Bei der zweiten Kategorie<br />

von Inputs handelt es sich um soziale Erfahrungen, die vor allem die äußere Umwelt <strong>des</strong> Menschen betreffen<br />

und auf die Adaptationsmodi der Rollenfunktion und der Interdependenz verweisen. Sie fließen über die<br />

Prozesse der Wahrnehmung und <strong>des</strong> sozialen Lernens in das Selbstkonzept ein. Hierbei kommt den Bezugspersonen<br />

der zu pflegenden Person im Rahmen der Sozialisation und während <strong>des</strong> gesamten Lebens eine zentrale<br />

Rolle zu, da ihr Verhalten und Handeln die Erfahrungen und die Wahrnehmung <strong>des</strong> Menschen von sich selbst<br />

formen. In diesem Kontext wird der Prozess der Rollenübernahme als eine spezifisch menschliche Fähigkeit bedeutsam<br />

(s. Kap. 6.2.2). Wie der Mensch zu dieser Fähigkeit kommt, bleibt allerdings offen. Laut Roy (2009:<br />

33) wirkt sich das Adaptationsniveau eines Menschen auf <strong>des</strong>sen Fähigkeit aus, mit einer Situation positiv umzugehen.<br />

Es bildet insofern die Fähigkeit <strong>des</strong> Menschen ab, sich in einer sich ändernden Umwelt zu behaupten<br />

und in der Lage zu sein, die gegebenen internen und äußeren Anforderungen zu bewältigen. Hierbei stellen die<br />

drei Adaptationsniveaus102 nach Roy unterschiedliche Bedingungen von Lebensprozessen dar, d.h. Bedingungen<br />

integrierender, kompensierender und gefährdender Lebensprozesse. Alle Adaptationsniveaus beinhalten Situationen,<br />

in denen es nach dem pragmatistisch-interaktionistischen Handlungsverständnis prinzipiell zu einem Zusammenbruch<br />

<strong>des</strong> Handelns kommen kann. Der erwähnten Gewohnheiten-Bildung kommt dabei eine Filterfunktion<br />

zu. Diese stellt eine Gegenkraft dar, die neue Qualitäten hinzufügt und das, was aufgenommen wird, neu arrangiert.<br />

So gesehen sind Gewohnheiten erworbene Dispositionen, in bestimmten Situationen in bestimmten<br />

Formen zu reagieren bzw. sich zu verhalten (s. auch Kap. 3.4.3). In diesen Situationen werden von Regulator<br />

und Cognator Copingprozesse in Gang gesetzt, um adaptive Reaktionen oder adaptives Handeln hervorzubringen.<br />

Im Mittelpunkt stehen vor allem die kognitiv-emotionale Verarbeitung und Prozessierung von<br />

• Wahrnehmungen und Informationen, die für den Prozess der selektiven Wahrnehmung, Kodierung und<br />

Speicherung, also für Gedächtnisleistungen (Memory) stehen<br />

• Lernprozessen wie Imitation, Verstärkung und Einsicht<br />

• Formen der Urteilsbildung, also von Prozessen der Problemlösung und Entscheidungsfindung<br />

• Gefühlen wie z.B. Abwehr, Zuneigung, Bindung (s. Kap. 6.1: 248).<br />

102 Beim integrierten Niveau entsprechen die Strukturen und Funktionsweisen der verschiedenen Lebensprozesse als Ganzes<br />

den menschlichen Erfordernissen. Beim kompensierenden Niveau werden Bewältigungsmechanismen ausgelöst, weil die<br />

bisher ‚integrierten Lebensprozesse’ mit einer Änderung konfrontiert sind. Das dritte Niveau tritt ein, wenn die zuvor<br />

genannten integrativen und kompensatorischen Prozesse nicht mehr ausreichen (s. Kap. 6.1: 245f)<br />

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