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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

hat. Sie verweist nicht nur darauf, dass der Mensch sich seines Selbst bewusst werden kann, sondern auch darauf,<br />

dass er bestimmte und abstrakte oder allgemeine Ideen entwickeln kann, was ihm die Kommunikation mit<br />

anderen ermöglicht. Darüber hinaus ermöglicht die Entwicklung dieser Fähigkeit dem Kind sich in ein Selbst zu<br />

transformieren. Die Entwicklung der Fähigkeit zum Mitfühlen wiederum erlaubt nach Engdahl (2005) die Entwicklung<br />

von Selbstgefühlen. Mit Blick auf pflegerische Zusammenhänge können Engdahls99 Ideen <strong>zur</strong> Entwicklung<br />

<strong>des</strong> emotionalen Selbst analog <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme auf das eigene Selbst, auf Andere und gegenüber<br />

Dingen erweitert werden. Sie sind nicht auf die Entwicklung von Selbstgefühlen beschränkt, sondern<br />

beziehen sich auch auf das Gefühl gegenüber einem oder mehreren Anderen und gegenüber Dingen. Bei seinen<br />

Hinweisen <strong>zur</strong> Entwicklung der Haltung <strong>des</strong> Mitgefühls hat Mead nicht nur die Anderen, d.h. die Eltern und das<br />

soziale Umfeld <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> im Blick100 , sondern auch den Menschen selbst oder das Wesen der Dinge, wenn er<br />

zum Beispiel von ästhetischen Erfahrungen spricht.<br />

Die schrittweise Entwicklung beider Fähigkeiten setzt in dem Moment ein, wo es zu einer Handlungsverzögerung<br />

kommt und das Kind sich gezwungen sieht, sein Handeln anzuhalten. Bei diesem Prozess, der für das sich<br />

entwickelnde Kind von außerordentlicher Bedeutung ist, internalisiert das Kind u.a. die Beziehungen zwischen<br />

sich und den jeweiligen Pflegepersonen, so dass diese Beziehungen auch bei einer Abwesenheit der Pflegepersonen<br />

im Kind existieren (s. Wiley 2008: 12). Bezüglich der Arbeit an den eigenen Pflegeverlaufskurven kann bei<br />

der pflegenden Person bzw. den Pflegepersonen ein ähnlicher, jedoch auf einer anderen Ebene liegender Entwicklungsprozess<br />

unterstellt werden. Dieser besteht darin, dass die jeweilige Pflegeperson in Bezug auf ihre<br />

Kompetenz <strong>zur</strong> Pflege anderer Menschen lernen muss, zwischen den eigenen Erfordernissen und denen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />

zu unterscheiden und sie voneinander zu trennen. Bei diesem Lernprozess kann sie ihre Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme<br />

wie zum intelligenten Mitfühlen weiterentwickeln. Es darf vermutet werden, dass das Gelingen/Misslingen<br />

dieses Prozesses Folgen für die Beziehungsgestaltung wie für die weitere Arbeit an den Pflegeverlaufskurven<br />

einschließlich <strong>des</strong> Selbst der jeweils involvierten Menschen hat. In einem nächsten Schritt soll<br />

die Bedeutung von Emotion und Interesse für das Pflegehandeln skizziert werden.<br />

8.3.2.3 EMOTION UND INTERESSE: HANDLUNGSVOLLZUG, WERTE UND WAHRNEHMUNG<br />

Aus dem Umgang mit den es pflegenden Personen weiß das Kind deren Gesten zu deuten. In Bezug auf das von<br />

ihm angestrebte Ziel der Handlung (z.B. Abschaffen <strong>des</strong> Unwohlseins) sind zwei Begriffe von Bedeutung, zum<br />

einen der Begriff <strong>des</strong> ‚Handlungsvollzugs‘, der auf die vierte Phase <strong>des</strong> Handlungsmodells und auf den Zeitpunkt<br />

verweist, wo das Ziel eingetreten bzw. realisiert ist, Und zum anderen der Begriff der ‚Werte‘, der auf das<br />

noch nicht erreichte Ziel hinweist. Um das angestrebte Ziel zu erreichen, setzt sich das Kind intentional mit den<br />

ihm <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Mitteln der Gestenkommunikation, später mit dem Mittel der Sprache mit den es<br />

pflegenden Personen auseinander, ein Prozess, der nach Ward/Throop (1989: 472) auch als eine Aushandlung<br />

von Werten zwischen den beteiligten Personen verstanden werden kann. An dieser Stelle kann eine Beziehung<br />

zu Kings Theorie der Zielerreichung hergestellt werden, wonach das pflegerische Ziel kommunikativ zwischen<br />

Kind und Pflegeperson ausgehandelt wird101 . Dieses geschieht anfangs auf der Ebene der Gestenkommunikation<br />

und später auf der Ebene signifikanter Symbole, d.h. auf der Ebene der Sprache. Mit Blick auf den intendierten<br />

99 Bei ihrer Rekonstruktion der Entwicklung von Selbstgefühlen bezieht sich Engdahl auf das Meadsche Handlungsmodell<br />

und die auf verschiedenen Entwicklungsphasen Spiel, organisiertes Spiel, Generalisierter Andere. Ihre soziale Theorie <strong>des</strong><br />

emotionalen Selbst entspricht Meads Theorie <strong>des</strong> sozialen Selbst (Engdahl 205: 113). Hierbei nimmt sie Modifikationen vor.<br />

100 Immer wieder finden sich Hinweise, dass Mead das Thema Emotionen vernachlässigt habe. In einem Vergleich Cooley-<br />

Mead behauptet Wiley (2011: 177f), dass Mead zu wenig die emotionale Seite <strong>des</strong> Selbst berücksichtigt hat und sich zu<br />

wenig mit der Entwicklung <strong>des</strong> Selbst beim Kind beschäftigt. Dieser Eindruck erweist sich spätestens nach der Lektüre der<br />

Vorlesungsreihe ‚Philosophie der Erziehung‘ (PE) als falsch. Wiley versucht in diesem Aufsatz, an Mead anknüpfend, diese<br />

scheinbare Lücke zu füllen, wobei er sich auf die Entwicklung von Selbstgefühl konzentriert.<br />

101 Kings Vorstellungen in diesem Zusammenhang sind sehr allgemein, wohingegen die von Mead entwickelten Gedanken<br />

konkrete Ansatzpunkte zu diesem Aushandlungsprozess geben. Für die Pflege ist interessant, wie die Zielerreichung<br />

(erfolgreich, nicht erfolgreich) sich auf die Entwicklung von Kompetenzen in den beiden Pflegeformen und auf das Selbst<br />

von zu pflegendem Kind und Pflegepersonen auswirkt.<br />

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