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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

<strong>des</strong> Ins-Bett-Gehens. Images sind gespeicherte Erfahrungen. Als solche sensibilisieren sie das Kind auf spezifische<br />

Art und Weise, auf bestimmte Gesten/Stimuli zu reagieren. Sie dienen damit der Habit-Bildung (Gewohnheiten-Bildung)<br />

im Sinne der Habitualisierung <strong>des</strong> Sehens, Empfindens, Sprechens, Handelns, Denkens usw. bis<br />

hin zu gesellschaftlichen Konventionen und Regeln. Bezogen auf die Pflege bedeutet dieses, dass das Kind über<br />

das Pflegehandeln seiner Eltern/Bezugspersonen nicht nur eine Bandbreite von ‚gefühlten‘ Erfahrungen in den<br />

einzelnen AL macht, es lernt auch nach und nach, über das In-Beziehung-Setzen von Erfahrungen Verbindungen<br />

zwischen diesen herzustellen, zwischen ihnen zu differenzieren und sie aufgrund von Ähnlichkeiten und Unterschieden<br />

zuzuordnen. Dieser Prozess wird durch die sich entwickelnde Sprache unterstützt. Umgekehrt lernen<br />

die Pflegepersonen, die ‚emotionalen‘ Ausdrucksweisen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu deuten, diese den verschiedenen AL zuzuordnen<br />

und bei deren Äußerung entsprechend zu handeln. Beide Parteien bilden auf diese Weise Gewohnheiten<br />

aus, die diese Prozesse <strong>des</strong> Erkennens, In-Beziehung-Setzens etc. verbessern und beide sicherer werden lässt.<br />

Roper et al. greifen das Thema Gewohnheiten im Zusammenhang mit den Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens auf, ohne aber<br />

die Bedeutung derselben herauszuarbeiten. Gewohnheiten werden von ihnen im Kontext der Lebensgestaltung<br />

<strong>des</strong> einzelnen Menschen gesehen. Wie es <strong>zur</strong> Herausbildung von Gewohnheiten kommt, welche Funktion ihnen<br />

für das pflegerische Handeln zukommt, bleibt aber im Dunkeln. Weder wird von ihnen die oben angedeutete<br />

sensibilisierende Funktion erwähnt, noch die von Mead betonte lebenswichtige Funktion der Handlungsökonomie.<br />

In den Gewohnheiten lagern sich die Erfahrungen ab, die ein Mensch in Bezug auf Stimuli, auf Objekte und<br />

Menschen in den unterschiedlichen Zusammenhängen gemacht hat. Es greift zu kurz, Gewohnheiten als bloße<br />

Wiederholung bestimmter Handlungen aufzufassen, weil dabei ihr adaptiver Charakter übersehen wird. Dieser<br />

zeigt sich im unmittelbaren Handeln, d.h. in der scheinbaren Leichtigkeit und Flüssigkeit <strong>des</strong> Handelns. Er gelangt<br />

ins Bewusstsein, wenn der Handlungsfluss unterbrochen ist. An dieser Stelle können Roys Überlegungen<br />

<strong>zur</strong> Adaptation erneut auf die Vorstellungen der Pragmatisten bezogen werden. Peplau spricht mit Blick auf die<br />

Funktionsweise <strong>des</strong> Selbstsystems als eines Dynamismus der Verhaltenstransformation von Verhaltensmustern,<br />

Musterintegration und Lebensmustern statt von Gewohnheiten-Bildung. Hierbei hebt sie zum einen die drei<br />

Dimensionen <strong>des</strong> Selbstsystems hervor (ich bin ein Mensch, der …, ich bin vielleicht …, ich bin nicht …). Zum<br />

anderen lenkt sie den Blick bezüglich der Funktionsweise <strong>des</strong> Selbstsystems als Anti-Angstsystem auf die Integration<br />

und Desintegration von Erfahrungen. Diese Lebensmuster habe ich in Kap. 5 (Pkt. 5.5) als Gewohnheiten<br />

charakterisiert, die sich in den einzelnen AL widerspiegeln. Auch King spricht von Handlungsmustern. Die<br />

allgemeine Bedeutung dieser Handlungsmuster im Sinne der Gewohnheiten-Bildung bleibt bei allen dreien eher<br />

vage95 . Sie ist für die Funktionsweise <strong>des</strong> Selbstsystems wie <strong>des</strong> Selbst wichtig. So können <strong>des</strong>integrierte, abgewehrte<br />

bzw. aufgelöste Reaktionen nicht nur zu einer eingeschränkten Gewohnheiten-Bildung führen, sondern<br />

als deren Konsequenz auch zu einer begrenzten Handlungsbereitschaft im Sinne einer fehlenden Sensibilisierung<br />

für bestimmte Handlungsimpulse.<br />

Was die Bildung von Images betrifft, denen als Handlungsimpulse beim Handeln eine wichtige Funktion zukommt,<br />

unterscheidet Mead zwischen Sinnesbildern und sensomotorischen Bildern. Während erstere die Auswahl<br />

von Stimuli kontrollieren, ist die zweite Art von Images handlungsbezogen im Sinne einer Hin- oder Wegbewegung.<br />

Grundsätzlich besteht die Funktion von Images in der Selektion und in der Bildung von Objekten,<br />

auf die sich unser Handeln richtet (Mead zitiert in Chappell/Orbach 1986: 80). Images geben dem, was in der<br />

menschlichen Vorstellung liegt, die Richtung der Schritte vor, mittels derer sie sich einem Objekt96 in einer Si-<br />

ist die Voraussetzung für die Entwicklung der Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollen- bzw. Perspektivenübernahme und für das intelligente<br />

Mitfühlen.<br />

95 Peplau zielt mit ihrem Fokus auf Verhaltens- und Lebensmuster auf das Ergebnis der Gewohnheiten-Bildung. Als ‚Prozesstheoretikerin‘<br />

interessierte sie sich auch für deren Entstehung, wie das Beispiel <strong>des</strong> Selbstsystems oder die erklärende<br />

Theorie der fokalen Aufmerksam zeigen (s. Peplau 1983 in O’Toole/Welt1989). Sie untersuchte bestimmte Phänomene, weniger<br />

Gewohnheiten als solche.<br />

96 Um sich an etwas anpassen zu können, ist Denken (Schlussfolgern) im Sinne von In-Beziehung-Setzen wichtig (s. Kap. 3:<br />

33ff), ein ebenfalls von Peplau betonter Aspekt. Anders als Mead richtet sie ihr Augenmerk aber auf die Verarbeitung von<br />

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