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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

Da dieser Prozess für die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven, für deren Gestaltung und die <strong>des</strong> Selbst relevant<br />

ist, sollen im nächsten Schritt frühe pflegerische Erfahrungen betrachtet werden.<br />

8.3.2.2: ERFAHRUNGEN MACHEN ALS FORM DER ‚HABIT-BILDUNG‘<br />

In der so genannten vorbereitenden Phase werden wichtige Weichen für die Herausbildung pflegerischer Kompetenzen<br />

gestellt, die die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven beeinflussen. Hier werden über die Beziehungen<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu den Eltern/Bezugspersonen mittels Kommunikation die Voraussetzungen für die Entwicklung der<br />

Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme und zum ‚intelligenten Mitfühlen‘ geschaffen, sei es in Bezug auf Dinge<br />

wie den eigenen Körper oder in Bezug auf Andere oder auf das eigene Selbst. Die Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme<br />

führt <strong>zur</strong> schrittweisen Entwicklung eines Körperbil<strong>des</strong>, das ein wichtiger Referenzpunkt für beide<br />

Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns ist (s. Kap. 3). Um den Körper und seine Funktionen und um das sich entwickelnde<br />

Selbst reihen sich viele pflegerische Erfahrungen. Die wichtigsten Aufgaben der Eltern/Pflegepersonen bestehen<br />

darin,<br />

• das Kind bei der Nutzung seiner Sinnesorgane Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten zu unterstützen,<br />

so dass es diese ausbilden kann<br />

• ihm wichtige Fähigkeiten wie den Gebrauch der Hände und den aufrechten Gang zu vermitteln sowie<br />

• mit ihm die Sprache einzuüben und ihm die Bedeutung sprachlicher Symbole zu vermitteln90 .<br />

Das neugeborene Kind/der Säugling setzt sich über seinen Körper unmittelbar und noch nicht reflexiv in Beziehung<br />

zu seiner Umwelt, also mit seinen Eltern/Bezugspersonen und den es umgebenden Dingen auseinander. Es<br />

lebt anfänglich in einem generellen symbiotischen Hier-und-Jetzt. Hierbei entwickelt das Kind allmählich ein<br />

Gefühl für seinen eigenen Körper und im weiteren Verlauf von sich selbst. Bei seinen frühen Handlungsweisen<br />

kommen vor allem die Phase <strong>des</strong> Handlungsimpulses und die <strong>des</strong> Handlungsvollzugs zum Tragen, während<br />

sich die in den Phasen Wahrnehmung und Manipulation wirkenden neuro-physiologischen und sozialen Prozesse<br />

erst noch ausbilden müssen91 . Diese Prozesse setzen mit der ‚mitfühlenden Reproduktion‘ der vom Kind<br />

bei Anderen gesehenen Gesten und deren Veränderungen ein. Anfangs denkt das Kind nur gestisch. Diese<br />

Kommunikation führt später <strong>zur</strong> artikulierten Sprache (s. PE: 44). In diesem Zusammenhang sind die von Mead<br />

getroffenen Unterscheidungen zwischen einer Geste, einem Ausdruck (expression) oder dem Symbol einer Emotion<br />

und der Erfahrung einer Emotion wichtig (s. Engdahl 2005: 63). Unter Erfahrung einer Emotion versteht<br />

Mead die ‚gefühlte‘ Unterbrechung <strong>des</strong> Handelns. Da soziales Handeln wie die Pflege kontinuierlich zwischen<br />

Empfänger (Kind) und pflegender Person angepasst und neuangepasst werden muss, kommt es immer dann zu<br />

Spannungen in Form von Emotionen, wenn die Äußerungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> nicht zum Vollzug seines Handelns führen<br />

und letzteres in sich zusammenbricht bzw. wenn die Handlungsweisen der pflegenden Person nicht zu dem<br />

vom Kind intendierten Ergebnis führen92 . Emotionale Ausdrucksweisen (Gesten) als frühe Form der Sprache<br />

sind nach Mead eine wichtige Form sozialen Handelns. Als sichtbarer Ausdruck der emotionalen Handlungsweisen<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> kommt ihnen aufgrund ihres Zeichencharakters ein funktionaler Wert zu. Ihr Zweck besteht darin,<br />

dass<br />

90 In Kap. 3.2.1.1 habe ich auf die Bedeutung hingewiesen, die der Entwicklung der Distanzsinne zukommt. Wenn die<br />

Distanzsinne <strong>des</strong> heranwachsenden Kin<strong>des</strong> leistungsfähiger werden und sich verfeinern, können die Kontakterfahrungen, auf<br />

die es reagiert, verzögert werden, wodurch sich die Möglichkeiten <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>zur</strong> Anpassung und <strong>zur</strong> Auswahl<br />

entsprechender Verhaltensweisen erhöhen. Mit der Ausbildung der Distanzsinne und –erfahrungen gehen auch Erfahrungen<br />

von Trennung einher, im Sinne einer Trennung zwischen dem Inhalt der Distanzerfahrung und der entsprechenden Reaktion.<br />

91 In ihrem Buch ‚Entwicklungspsychologie der Kindheit‘ haben Jutta Kienbaum und Bettina Schuhrke (2010) wichtige<br />

neuere Erkenntnisse zu diesem Thema aufbereitet. Informativ für die Pflege ist u.a. das Kapitel zu den<br />

neurowissenschaftlichen Grundlagen der Entwicklung, in der die Funktionsweise <strong>des</strong> Gehirns und der entsprechenden<br />

Entwicklungsprozesse abgehandelt werden.<br />

92 Eine solche Situation kann – solange die Äußerungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> noch nicht richtig gelesen, interpretiert und zugeordnet<br />

werden können – die Eltern / Bezugspersonen <strong>zur</strong> Verzweiflung bringen.<br />

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