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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

Mensch lernt, diese immer wieder an den sich ändernden Umständen neu aus<strong>zur</strong>ichten. An dieser Stelle soll ein<br />

weiteres Konzept <strong>des</strong> Verlaufskurvenbezugsrahmens eingeführt werden, das der Verlaufskurvenphasen. Mit der<br />

Initiierung der Pflegeverlaufskurven setzt die schrittweise erfolgende Herausbildung von zwei grundlegenden<br />

Fähigkeiten ein, der Fähigkeit <strong>zur</strong> ‚Perspektivenübernahme‘ und der zum ‚Mitfühlen‘. Der Erwerb der Kompetenz<br />

<strong>zur</strong> eigenen Pflege und <strong>zur</strong> Pflege Anderer ist an beide Fähigkeiten gebunden. Die Entwicklung sowohl der<br />

Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme wie zum intelligenten Mitfühlen setzt auf der vorbewussten Ebene ein<br />

und wird im Rahmen von Interaktionsformen wie dem Spiel, dem organisierten Spiel und über die Teilnahme an<br />

Gruppen oder sozialen Welten/Arenen vermittels der Übernahme der Perspektive <strong>des</strong> generalisierten Anderen<br />

(Kap. 3) weiter ausgebildet. Dieser an die Gehirnentwicklung, den Spracherwerb und an das soziale Umfeld gekoppelte<br />

Differenzierungsprozess79 erlaubt dem Menschen, sich von den Anderen abzugrenzen und sein Handeln<br />

aus einer zunehmenden Anzahl von Perspektiven zu betrachten, diese in sein Handeln zu integrieren und zu<br />

internalisieren. Die in Tabelle 8.3 aufgeführten Phasen dienen als heuristische Orientierungspunkte. Sie verweisen<br />

auf von jedem Menschen zu durchlaufende Entwicklungsprozesse, die weniger an Lebensjahre gebunden<br />

sind und mehr von den sozialen Welten beeinflusst werden, an denen ein Kind bzw. ein Mensch partizipiert. Auf<br />

die vorbereitende Phase wurde in Kap. 3 u.a. im Zusammenhang mit der Herausbildung <strong>des</strong> emotionalen und<br />

körperbezogenen Bewusstseins eingegangen. In Tab. 8.3 sind darüber hinaus die in Kap. 3 genannten signifikanten<br />

Anderen aufgeführt, mit denen das Kind, der Jugendliche oder junge Erwachsene bei der Herausbildung von<br />

Kompetenzen in den beiden Pflegeformen in Kontakt kommen kann, oder, in Anlehnung an Gildemeister/Robert<br />

(2008), mögliche Institutionen und damit Erfahrungsräume.<br />

Tab. 8.3: Phasen, soziale Welten/Arenen und Institutionen/Erfahrungsräume<br />

Phasen nach Lin<strong>des</strong>mith<br />

Soziale Welten/Arenen Institutionen/ Erfah-<br />

et al. (1999)<br />

rungsräume80 Vorbereitende Phase<br />

Interaktionale Phase/ Phase <strong>des</strong><br />

Spiels (Charon 2001)<br />

Phase <strong>des</strong> Wettkampfs (Game)<br />

Partizipatorische Phase/ Phase<br />

der Referenzgruppe (Charon<br />

2001)<br />

1. Soziolegale wie Eltern, Verwandte<br />

2. Sozio-Andere, dies sind Menschen aus dem familiären Freun<strong>des</strong>kreis<br />

und aus dem sozialen Netzwerk der Familie<br />

3. Co-equal or compeer, d.h. Kinder, Spielgefährten, Kinder aus<br />

Nachbarschaft und Schule<br />

4. Experten der Kinderversorgung/-betreuung<br />

5. Mediale Andere wie z.B. Harry Potter<br />

6. Andere öffentlicher Plätze, das sind solche Personen, auf die<br />

das Kind und seine Betreuungspersonen im öffentlichen Raum<br />

stoßen wie Feuerwehrmänner, Verkäuferinnen, Fremde auf den<br />

Straßen, in Geschäften etc.<br />

336<br />

1. Familie<br />

2. Soziales Netz der Familie<br />

3. Kindergarten<br />

4. Schule<br />

5. Berufsfindungsprozesse<br />

und Partnersuche<br />

6. Paarbeziehung und Familiengründung<br />

Die signifikanten Anderen repräsentieren für das Kind unterschiedliche soziale Welten, auf die es in den verschiedenen<br />

Institutionen und Arenen trifft. Letztere bilden wichtige Erfahrungsräume für die Darstellung <strong>des</strong><br />

Selbst und die erworbenen Kompetenzen in den beiden Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns. Wie erwähnt, kann bei der<br />

Arbeit an den Pflegeverlaufskurven und am Selbst kein gradliniger Verlauf unterstellt werden, es ist statt<strong>des</strong>sen<br />

von Wendepunkten (‚turning points‘) auszugehen. Für das Verständnis der zu leistenden Arbeit an den Pflegeverlaufskurven<br />

und am Selbst müssen alle Institutionen berücksichtigt werden, in denen Pflege erfolgt. Als Erfahrungsräume<br />

bestimmen sie den Kontext für den Erwerb von Kompetenzen in den beiden Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns.<br />

Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 8.4 aufgezeigt.<br />

79 David D. Franks (2010) hat die neuesten Erkenntnisse der Neuroscience mit den Einsichten <strong>des</strong> Pragmatismus,<br />

insbesondere von Mead, konfrontiert und dabei wichtige Erkenntnisse Meads anhand empirischer Befunde bestätigt und<br />

aufgezeigt, wo diese einer Weiterentwicklung bedürfen.<br />

80 Regine Gildemeister und Günther Robert (2008) nennen noch mehr Erfahrungsräume wie Studium, Beruf und Familie<br />

sowie Alter und Altern.

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