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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

dürftigen Menschen aller Altersgruppen, sei es aufgrund von körperlichen oder psychischen Einschränkungen,<br />

Behinderungen, Krankheit und Alter, betrifft. Der Erwerb pflegerischer Kompetenzen in den einzelnen AL kann<br />

entsprechend der Qualität der interpersonalen Beziehung zwischen pflegender und zu pflegender Person und entsprechend<br />

dem Umfeld, in dem die Pflege erfolgt, sehr unterschiedlich verlaufen. Kenntnisse darüber, wie in<br />

Familien gepflegt wird, sind nach Zeman70 (2005: 248) noch relativ jungen Datums. Ihmzufolge wurde die Familie<br />

erst im Rahmen einer repräsentativen Studie von Brög et al. (1980, zitiert in Zeman ebenda) als wichtige<br />

Pflegeinstitution entdeckt. Werden die zuvor formulierten Gedanken auf die Funktion der Familie als Institution<br />

<strong>zur</strong> Vermittlung von Kompetenzen in beiden Pflegeformen übertragen, kann geschlossen werden, dass diese<br />

Vermittlung je nach der Geschlechtszugehörigkeit in unterschiedlicher Weise und Intensität erfolgt und dass diese<br />

Kompetenzen in beiden Pflegeformen je nach Geschlechtszugehörigkeit in unterschiedlicher Weise von der<br />

Gesellschaft abgefordert und honoriert werden. Aufgrund der bestehenden geschlechterdifferenzierenden Arbeitsteilung<br />

in der Familie werden die von Frauen wie Männern zu erwerbenden Kompetenzen jedoch in der Regel<br />

nur einseitig mit Frauen in Verbindung gebracht. Das legt die Annahme nahe, dass diese Kompetenzen im<br />

gesellschaftlichen Bewusstsein nicht als allgemein menschliche wahrgenommen und verstanden werden. Weiter<br />

kann vermutet werden, dass der Erwerb, die Vertiefung und Aufrechterhaltung von Kompetenzen in den beiden<br />

Pflegeformen bei Männern und Frauen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgt und dass die Erhaltung<br />

und gesellschaftliche Nutzung dieser allgemeinen menschlichen Kompetenzen je nach Geschlecht einen unterschiedlichen<br />

Verlauf nimmt. Die ‚Familie‘ ist der Ort und die Institution, wo und in der sich der Mensch im Laufe<br />

seines Lebens immer wieder mit seinem Selbst, Selbstkonzept und Körperbild sowie mit seiner Pflegehandlungskompetenz<br />

konfrontiert sieht. Aus diesem Grund setzt auch die Ausarbeitung der angestrebten pragmatistisch-interaktionistischen<br />

Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns an diesem Ort an. Grundsätzlich kann die vom Einzelnen<br />

zu leistende Arbeit an den hier interessierenden drei Verlaufskurven sowohl aus einer institutionenbezogenen als<br />

auch aus einer lebenslaufbezogenen Perspektive betrachtet werden. In allen analysierten pflegetheoretischen Ansätzen<br />

wird die letztgenannte Perspektive eingenommen. Zum Verständnis pflegerischer Phänomene sind jedoch<br />

beide Perspektiven wichtig. Im nächsten Schritt geht es zunächst um die Initiierung der Pflegeverlaufskurven.<br />

8.3.1 INITIIERUNG VON PFLEGEVERLAUFSKURVEN UND WEITERE KONZEPTE DES VERLAUFS-<br />

KURVENBEZUGSRAHMENS<br />

Die Initiierung der Pflegeverlaufskurven beim neugeborenen Kind findet i.d.R. in der Eltern-Kind-Beziehung,<br />

d.h. in der familiären Beziehung statt71 . Bei der Initiierung der Pflegeverlaufskurven <strong>des</strong> neugeborenen Kin<strong>des</strong><br />

durch seine Eltern kann die im 19. Jahrhundert ausgebildete geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung zum<br />

Tragen kommen. Hiernach wurde und wird den Frauen72 die Hauptlast bei den reproduktiven Tätigkeiten wie<br />

Kindererziehung, der Pflege von kranken oder alten Familienmitgliedern und der täglichen Hausarbeit zugewiesen73<br />

. Mit Blick auf die Initiierung der Pflegeverlaufskurven und der weiteren Arbeit daran muss in Rechnung<br />

gestellt werden, dass die Institution Familie nicht einfach da ist, sondern sie ist selbst eine ‚Herstellungsleistung’<br />

der Familienmitglieder. Auch diese Institution hat einen Lebenslauf (Verlaufskurve) und unterliegt Wandlungs-<br />

70 Er bezieht sich auf Deutschland und konstatiert mit Blick auf die Altenpflege, dass die Pflegeleistungen der Familie die<br />

Institutionen der öffentlichen Altenpflege in den Schatten stellen.<br />

71 In den ersten Lebensjahren und bis zum Auszug <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>/der Kinder kommt den Eltern eine Schlüsselfunktion zu.<br />

72 In der feministischen Diskussion wird die in den Haushalten und in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen<br />

geleistete Arbeit als Care-Arbeit (Sorgearbeit) bezeichnet. Sie umfasst Hausarbeit, bezahlte Betreuungs-, Pflege- und<br />

Erziehungsarbeit, aber auch den gesamten Komplex typisch weiblich konnotierter Tätigkeiten im sozialen Ehrenamt, wo<br />

Fürsorge und Pflege erbracht werden (Stiegler 2007: 3). Unterstellt wird hierbei das traditionelle Familienmodell mit dem<br />

Mann als Ernährer. Dieses Modell ist aber spätestens seit den 1970er Jahren unter Druck geraten und kann nicht mehr als<br />

typische Familienkonstellation vorausgesetzt werden.<br />

73 S. Ward 1990, Fisher /Tronto 1990, Deegan 1995, 2008, Zeman 2005, Klement 2006, Schneekloth 2006, Heinemann-<br />

Knoch et al 2006, Heusinger 2006, 7. Familienbericht BMFSJF 2006, Rumpf 2007, Backes et al. 2008, Stiegler 2007,<br />

Senghaas-Knobloch 2008, Familienreport 2009 <strong>des</strong> BMFSJF.<br />

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