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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

auf Krankheit bezogen zu denken, sondern vor allem in Bezug auf die Erhaltung von Kompetenzen in den beiden<br />

Pflegeformen. Die ermunternden, tröstenden und zum Wohlbefinden beitragenden Aktivitäten der pflegenden<br />

Person können die aufeinander bezogene Arbeit an den auf sich selbst wie auf Andere bezogenen Pflegeverlaufskurven<br />

und an der Verlaufskurve <strong>des</strong> Selbst fördern, indem sie die Voraussetzungen hierfür im Sinne eines<br />

‚geschützten Raumes‘ der Zuversicht und <strong>des</strong> Vertrauens schaffen. Die drei Handlungsformen werden an dieser<br />

Stelle aus pragmatistischer Sicht weitergedacht, indem die beiden erstgenannten mit Meads Vorstellungen <strong>des</strong><br />

reflexiven Handelns in Beziehung gesetzt werden und die letztgenannte mit der Vorstellung <strong>des</strong> ‚intelligenten<br />

Mitfühlens‘.<br />

Tab. 8.2: Mit den AL zusammenhängende Handlungskomplexe<br />

AL<br />

Präventive Aktivitäten<br />

Der Begriff Aktivitäten verweist Erkundende, suchende oder erforschende<br />

Tragen zu relativer Unab-<br />

auf Fähigkeiten, Fertigkeiten, Aktivitäten<br />

hängigkeit und zu relativ ge-<br />

Kenntnisse, Einstellungen, Hal- Ermunternde, tröstende und zum Wohlberinger<br />

Abhängigkeit bei<br />

tungen etc.<br />

finden beitragende Aktivitäten<br />

Wie oben dargestellt, ermöglicht das Konzept der Pflegeverlaufskurven, das Konzept der Lebensspanne und das<br />

Konzept <strong>des</strong> Abhängigkeits-/Unabhängigkeitskontinuums <strong>des</strong> RLT-Modells auf dynamische Weise miteinander<br />

zu verbinden und aufeinander zu beziehen. Da Pflege immer in Beziehung auf jemanden und/oder mit Bezug auf<br />

etwas erfolgt, soll das Konzept der Pflegeverlaufskurven mit den von Peplau beschriebenen Beziehungsmustern<br />

und der Musterintegration von Handlungsweisen in Beziehung gesetzt werden. Diese haben im Sinne von Bedingungen67<br />

Auswirkung auf die vom zu Pflegenden wie von der Pflegeperson zu leistende Arbeit an den Pflegeverlaufskurven.<br />

Mit dem ersten Aspekt verweist Peplau auf die Art der Inanspruchnahme von Hilfe. Sie zielt<br />

damit auf die funktionalen und situativen Rollen, die die zu pflegende Person und die Pflegeperson im Verlauf<br />

der Pflegebeziehung wechselseitig einnehmen und sich zuweisen. Beim zweiten Aspekt geht es um Verhaltensweisen,<br />

die <strong>zur</strong> Stärkung der jeweiligen Sicht auf das eigene ‚Selbst‘ dienen. Peplau lenkt die Aufmerksamkeit<br />

auf die ‚Sicherheits- oder auch Abwehrstrategien‘, die die an einer Pflegesituation beteiligten Personen bei der<br />

Beziehungsgestaltung unbewusst und bewusst <strong>zur</strong> Verteidigung ihrer Selbstsicht einsetzen. Beide Aspekte hinterlassen<br />

Spuren und beeinflussen insofern die weitere Arbeit an den Pflegeverlaufskurven. Aus Peplaus Vorstellungen<br />

kann abgeleitet werden, dass die beiden strukturell aufeinander bezogenen Pflegeverlaufskurven, d.h. die<br />

auf sich selbst und die auf Andere bezogene Pflegeverlaufskurve sich beim Pflegehandeln mit der Verlaufskurve<br />

<strong>des</strong> jeweiligen Selbst verschränken. Die darin steckende Arbeit lässt sich aufgrund ihrer Zukunftsoffenheit und<br />

der damit verbundenen Kontingenzen allerdings nur im Nachhinein rekonstruieren, d.h. der antizipierte und der<br />

wahrgenommene Verlauf sind nicht deckungsgleich mit dem tatsächlichen realisierten Verlauf. Genau in dieser<br />

Kluft liegt die Chance für Neues und für Entwicklungen. Und aus diesem Grund ist die Arbeit an allen drei Verlaufskurven<br />

immer Arbeit ins Ungewisse. Ihr offener Charakter erfordert notgedrungen den Umgang mit Ambiguität68<br />

. Sie beinhaltet Trennung, Angst, Unsicherheit, Stolz und Glück, und gewisse Formen der Selbststeuerung<br />

und der Selbstkontrolle.<br />

Die Familie69 ist die Institution, in der die Menschen (normalerweise) Kompetenzen in den beiden Formen <strong>des</strong><br />

Pflegehandelns erwerben, das heißt pflegerisches Wissen in Bezug auf sich selbst und auf andere Menschen<br />

vermittelt bekommen. Die Familie stellt eine wichtige Ressource dar, was die Pflege von Kindern und pflegebe-<br />

67 Bedingungen/Umstände sind ein wichtiges Konzept <strong>des</strong> Verlaufskurvenbezugsrahmens. Bemerkenswert ist, dass das<br />

Thema Gestaltung von Beziehungen und der damit zusammenhängenden Verhaltensmuster von Strauss/Corbin nicht aufgenommen<br />

wird. Es ist implizit in bestimmten Arbeitsformen wie Gefühlsarbeit enthalten.<br />

68 Es hätte auch anders sein können.<br />

69 Der Familienbegriff (s. Familienreport 2009 <strong>des</strong> BMFSFJ: 29) muss aufgrund der heute anzutreffenden vielfältigen<br />

Formen von Familie weiter gefasst werden. Für Schnepp (2006: 62), als Inhaber <strong>des</strong> Lehrstuhls für familienorientierte und<br />

gemeindenahe Pflege an der <strong>Universität</strong> Witten-Herdecke „ist Familie das, was die Betroffenen darunter verstehen. Dies<br />

schließt alle denkbaren Lebensformen ein, wenn sie für die Mitglieder die Familie darstellen“ (Leahey/Weight 2002, zitiert in<br />

Schnepp 2006: 62).<br />

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