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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 1<br />

rufliche Pflege hat das Krankenhaus höchste Bedeutung. Aufgrund der Ansiedlung der Krankenpflegeschulen an<br />

Krankenhäusern erfolgt die berufliche Sozialisation von Gesundheits- und KrankenpflegerInnen in Deutschland<br />

primär hier statt wie in anderen Ländern in Hochschule und Krankenhaus. In allen Ländern ist das Krankenhaus<br />

nach wie vor der zentrale Ort, wo wichtige Weichen für die Wahrnehmung <strong>des</strong> erwählten Berufs, aber auch für<br />

den beruflichen Werdegang gestellt werden. Es ist der Ort, wo sich die Vorstellungen und Ideen zum Pflegeberuf,<br />

<strong>zur</strong> Pflege als Profession und Wissenschaft sowie zum Gegenstand der Pflege bewähren müssen. Es ist zugleich<br />

auch der Ort, wo ich die in dieser Arbeit diskutierten theoretischen Erkenntnisse anwenden, überprüfen<br />

und weiterentwickeln konnte und reichliche Erfahrungen mit der Reorganisation der Pflegearbeit gesammelt habe.<br />

Hierbei habe ich mich u.a. mit der Frage befasst, wie die Organisation der pflegerischen Arbeit beschaffen<br />

sein muss, damit eine <strong>theorie</strong>geleitete wissensbasierte personenbezogene Pflege möglich ist. Meine Erfahrungen<br />

mit der Umsetzung der Primären Pflege zeigen, dass diese Organisationsform entsprechende Möglichkeiten bietet.<br />

Die von mir bei der Umsetzung <strong>des</strong> Pflegeprozesses auf der Basis <strong>des</strong> RLT-Modells beobachteten Transferprobleme50<br />

und die dabei entstehenden Konflikte im Team und mit anderen Berufsgruppen verweisen auf die<br />

inzwischen gut belegten strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der beruflichen Pflege und auf<br />

die ihr innewohnenden Handlungs- und Organisationslogiken (s. hierzu für die Pflege: Taubert 1992, Weidner<br />

1995, Schnieders 1994, Borsi/Schröck 1995, von Engelhardt/Herrmann 1999, Käppeli 2005). So behauptet Käppeli<br />

(2005: 5), dass der Theorie-Praxis-Gap dadurch erzeugt wird, dass Lehre und Forschung auf einem Wissenschaftsparadigma<br />

basieren, wohingegen für die Pflegepraxis ein Dienstleistungsparadigma handlungsleitend sei.<br />

Sie hebt hervor, dass ein Aspekt <strong>des</strong> Wissenstransfers darin besteht, dass er die Identität der Pflege verändert 51 .<br />

Wie weiter oben angedeutet, geht dies einher mit dem Loslassen vertrauter Verhaltensweisen und dem Erlernen<br />

neuer Verhaltensweisen sowie dem eigenständigen Handeln im originär pflegerischen Bereich, einer entsprechenden<br />

Verantwortungsübernahme und Verpflichtung (commitment) gegenüber dem eigenen Beruf.<br />

Führte die berufliche Pflege bis Anfang der 1990er Jahre eher ein Schattendasein in der Forschungsliteratur, hat<br />

sich diese Situation, auch durch den Aufbau von Pflegestudiengängen seit den 1990er Jahren grundlegend geändert.<br />

Inzwischen wurden mehr als 50 Studiengänge, schwerpunktmäßig an Fachhochschulen, weniger an <strong>Universität</strong>en,<br />

eingerichtet (s. Robert-Bosch-Stiftung 2000, Görres et al. 2005). Diese Entwicklung birgt hinsichtlich<br />

der Profilierung <strong>des</strong> Gegenstandsbereichs der Pflegewissenschaft wie hinsichtlich einer nachhaltigen Veränderung<br />

der diversen Praxisfelder in der Pflege erhebliche Probleme (s. Schaeffer et al. 1997: 7ff, Weidner 1999, di<br />

Luzio 2008, 2009), nicht zuletzt <strong>des</strong>halb, weil die Verlagerung der Erstausbildung in den Hochschulbereich nach<br />

wie vor aussteht (s. SVR 2007/Drs. 16/6339, Raven 2009a, b). Die in Deutschland anzutreffende Anbindung der<br />

Ausbildung ans Krankenhaus stellt heute im europäischen wie im internationalen Vergleich eine Ausnahme52 50 Dass der Transfer von Wissen einer anderen Handlungslogik unterliegt als die bloße Vermittlung <strong>des</strong>selben, erlebte ich<br />

später erneut in meiner Funktion als Pflegedienstdirektorin in Hamburg, wo die Umsetzung <strong>des</strong> Pflegeprozesses auf der Basis<br />

<strong>des</strong> o.g. modifizierten Pflegemodells eines von vielen Veränderungsthemen war (s. Mischo-Kelling/Schütz-Pazzini 2007),<br />

und in meiner Funktion als Pflegedirektorin in Bozen (später umbenannt in Koordinatorin der Pflegedienstleiterinnen), wo<br />

ich nicht nur für die Pflege, sondern für mehrere nichtärztliche Berufsgruppen zuständig war und wo es darum ging, die<br />

organisatorische Voraussetzung für professionelles, d.h. fall- und patientenbezogenes Arbeiten zu schaffen. Die<br />

Auseinandersetzung mit diesen Problemen ist angesichts <strong>des</strong> kontinuierlichen Wandels der Rahmenbedingungen beruflicher<br />

Arbeit unabdingbar. Bei der Entdeckung <strong>des</strong> Practice Development Ansatzes bin ich auf eine vielversprechende Sicht zum<br />

Verständnis <strong>des</strong> Theory-Practice-Gap gestoßen, der von den VertreterInnen der Praxisentwicklung vertreten wird. Sie<br />

beschreiben den o.g. Gap als eine Kluft zwischen zwei verschiedenen Praxiskulturen und weniger als eine Kluft, die<br />

zwischen einer idealisierten und der realen Praxis besteht. An beiden Praxisorten teilen sich<br />

HochschullehrerInnen/WissenschaftlerInnen auf der einen Seite und die Angehörigen der verschiedenen<br />

Gesundheitsprofessionen auf der anderen Seite eine vergleichbare Spannbreite von praktischem Wissen. Hierbei handelt es<br />

sich in erster Linie um ein persönliches, stillschweigen<strong>des</strong> und facettenreiches Wissen statt um ein ausschließlich<br />

wissenschaftliches Wissen (s. Eraut 2001: vii).<br />

51 Als wesentliche Aspekte der beruflichen Identität nennt Käppeli (2005) den Gegenstand der Pflege, den Auftrag der<br />

Pflegewissenschaft, wissenschaftliche Paradigmen und methodisch-methodologische Ansätze, die Ethik der Pflege und als<br />

zusätzliche Konstanten der Identität etwa das Vorhandensein einer transzendenten Dimension.<br />

52 Im internationalen, vor allem aber im europäischen Kontext und im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess wäre es<br />

sinnvoll gewesen, die Erstausbildung im Hochschulbereich anzusiedeln und sie so an europäische Standards im Rahmen der<br />

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