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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

schneiden. Eine vierte Strategie liegt vor, wenn sich das Ausmaß48 einer Verlaufskurve ändert. Als fünfte Möglichkeit<br />

der Bildung einer Verlaufskurve nennt er den Fall, wo eine neue Verlaufskurve sich eine bestehende zu<br />

eigen macht, d.h. diese sich unterordnet, ein Phänomen, das in Medizin und Wissenschaft üblich zu sein scheint.<br />

Eine andere Möglichkeit, den Beginn einer Verlaufskurve in den Blick zu bekommen, besteht darin, die Arbeit<br />

zu analysieren, die benötigt wird, um sie sichtbar zu machen49 . Auch das Ende einer Verlaufskurve kann sich<br />

höchst unterschiedlich darstellen. In Bezug auf die Pflegeverlaufskurve liegt auf der Hand, dass das Ende erst<br />

mit dem Tod eintritt. Im Verlauf <strong>des</strong> Lebens muss die auf andere Menschen bezogene Pflege aber nicht kontinuierlich<br />

aktiv sein, sie kann sich auch im ‚Ruhezustand’ befinden. Wie die Aktivierung der auf andere Menschen<br />

bezogenen Pflegeverlaufskurve geschieht, kann aus Studien <strong>zur</strong> Pflege Angehöriger herausgelesen werden (s.<br />

bspw. Hellige 2002). Timmermans (1998: 431f) beschreibt drei Möglichkeiten der Beendigung einer Verlaufskurve:<br />

1.) der biologische Tod, 2.) das Zusammengehen mehrerer Verlaufskurven, um eine neue zu bilden, 3.)<br />

die Absorption einer Verlaufskurve in andere. Mit Blick auf die beiden pflegerischen Handlungsformen wird der<br />

Beginn der mit ihnen verbundenen Pflegeverlaufskurven mit der Geburt, bzw. laut RLT-Modell mit der Konzeption<br />

<strong>des</strong> neuen Lebens eingeleitet. Beide Pflegeverlaufskurven sind aufeinander bezogen, ihr Verlauf und ihre<br />

Bedeutung für das Leben eines Menschen können aber sehr unterschiedlich sein und sich mit vielfältigen anderen<br />

Verlaufskurven kreuzen. Mit Blick auf das Phänomen Krankheit und auf die Bedeutung, die in diesem Zusammenhang<br />

der Medizin beigemessen wird, kann das pflegerische Handeln derart mit dem medizinischen Handeln<br />

verschmelzen bzw. von diesem absorbiert werden, dass die Pflege als eigenständiges Phänomen in den Hintergrund<br />

gedrängt wird. Die mit dem auf sich selbst bezogenen Pflegehandeln verbundene Pflegeverlaufskurve<br />

kann im Verlauf <strong>des</strong> Lebens durch das temporäre oder dauerhafte Angewiesensein auf die Pflege durch andere<br />

Menschen höchst unterschiedliche Formen annehmen, während die sich auf die Pflege Anderer beziehende Pflegeverlaufskurve<br />

auch als Folge der geschlechterdifferenzierenden Arbeitsteilung nicht von allen Menschen im<br />

Laufe <strong>des</strong> Lebens gleichermaßen aktiviert wird.<br />

Bei dem unter 8.1 vorgenommenen Perspektivenwechsel, die Konzepte <strong>des</strong> RLT-Modells nunmehr in Beziehungen<br />

und sozialen Welten/Arenen zu denken, wurde die Betonung vor allem auf Handlungsräume gelegt. Dabei<br />

wurde eine Beziehung zu den Kingschen Konzepten ‚Raum‘ und ‚Zeit‘ hergestellt. Diese können in Anlehnung<br />

an Strauss<br />

„ … als Ausdrucks- und Anschauungsformen der Bewegung (verstanden werden). Einfach […] ausgedrückt:<br />

Raum ist das zu Verändernde. An ihm vollzieht sich die Veränderung. Zeit ist das [sich] Verändernde.<br />

Sie ist repräsentiert in den drei Aktionsmodi Erfahrung (gegenwärtige Vergangenheit), Erleben und<br />

der Wahrnehmung (Vergewisserung der Gegenwart) und Planung bzw. Erwartung (gegenwärtige Zukunft).<br />

Alle drei Aktionsmodi sind im Handeln, d.h. in der jeweiligen sich in ihm aktualisierenden Gegenwart<br />

repräsentiert und auf sie gerichtet“ (Soeffner 1991b: 5).<br />

Mit der in diesem Schritt vorgenommen Übertragung <strong>des</strong> Konzepts der Verlaufskurve auf die beiden Grundformen<br />

<strong>des</strong> pflegerischen Handelns, wird neben den Handlungsräumen nun auch der prozessuale oder zeitliche Aspekt<br />

<strong>des</strong> pflegerischen Handelns betont (s. Soeffner 1991b: 10ff). Dieser Aspekt spielt in allen pflegetheoretischen<br />

Ansätzen trotz unterschiedlicher Akzentuierung eine wichtige Rolle50 . Er wird in diesen aber auf die Pflegekraft-Patient-Beziehung<br />

beschränkt. In der Verknüpfung mit dem Verlaufskurvenkonzept erfahren nicht nur<br />

die Konzepte ‚Raum‘ und ‚Zeit‘ eine weitere Dynamik, sondern speziell auch die Kingsche Theorie der Zielerreichung,<br />

die hier als eine Theorie <strong>des</strong> kooperativen Handelns gelesen wird. Das Verfolgen und Aushandeln von<br />

Zielen ist für die Handhabung oder das Management von Verlaufskurven essentiell. Ein Großteil der Ver-<br />

48 Wenn etwa eine bestimmte Verlaufskurve zu einer nationalen Richtlinie wird.<br />

49 Er bezeichnet den Zeitpunkt, wo bspw. das implizite Wissen (oder die Information) zu explizitem Wissen wird, als<br />

Kristallisationspunkt.<br />

50 Er bleibt aber eher auf die engere Beziehung zwischen professioneller Pflegekraft und Patient beschränkt, was im<br />

professionellen Kontext dazu führen kann, dass den Konzepten Lebensspanne und Lebensprozesse zu wenig Aufmerksamkeit<br />

geschenkt wird.<br />

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