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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

„Objekte, die sowohl in verschiedenen ‚Handlungsgemeinschaften’ zu Hause sind als auch deren Informationserfordernisse<br />

befriedigen. Sie sind hinreichend formbar (plastisch), um sich an die lokalen Erfordernisse<br />

und an die Bedingungen der verschiedenen sie nutzenden Parteien anzupassen, wie auch robust genug, um<br />

eine gemeinsame Identität über die einzelnen Bereiche hinweg aufrechtzuerhalten. Es sind schwach strukturierte<br />

Objekte bei der gemeinsamen Benutzung, und sie werden zu stark strukturierten bei der individuellen<br />

lokalen Nutzung. Sie können abstrakte oder ganz konkrete Objekte sein. Sie haben eine unterschiedliche<br />

Bedeutung in den verschiedenen sozialen Welten, aber ihre Struktur ist allgemein genug, um sie in mehr als<br />

in einer sozialen Welt erkennbar und zu einem Übersetzungsmittel zu machen. Das Schaffen und das Management<br />

von Grenzobjekten ist ein Schlüsselprozess beim Entwickeln und Aufrechterhalten <strong>des</strong> Zusammenhalts<br />

(der Kohärenz) sich kreuzender sozialer Welten“<br />

Grenzobjekte können von unterschiedlicher Art31 sein und unterschiedliche Funktionen innehaben. In ihrer Studie<br />

über das zoologische Museum in Berkeley (Kalifornien) haben Star/Griesemer (1989) vier Typen von Grenzobjekten<br />

beschrieben, die von den Angehörigen der verschiedenen Gruppen, die im und für das Museum arbeiteten,<br />

aktiv hergestellt worden sind32 . Diese Grenzobjekte erlaubten ihnen, ihre Arbeit aufeinander abzustimmen<br />

und miteinander zu kooperieren, ohne dass hierzu ein besonderer Konsens erforderlich war. Strübing (2005: 258)<br />

beschreibt (technische) Gegenstände, Pläne, Ideen und Konzepte als Grenzobjekte. Er hebt hervor, dass diese<br />

Grenzobjekte<br />

„innerhalb einer Arena für die Vertreter der verschiedenen sozialen Welten von zentraler Bedeutung, d.h.<br />

handlungsrelevant sind. Sie dienen als Übersetzungsmedium, „an das die wechselseitigen Bedürfnisse, Erwartungen<br />

und Anforderungen der verschiedenen in den Prozess“ [der Krankenversorgung, der Versorgung<br />

von zu Pflegenden, Hinzufügung MMK] „involvierten sozialen Welten adressiert werden“ (Clarke 1991:<br />

134, zitiert in Strübing 2005: 258).<br />

Ulrike Höhmann (2007: 137f) begreift das im Folgenden zu beschreibende Verlaufskurvenkonzept, von ihr<br />

Trajektmodell genannt, in Anlehnung an Star/Griesemer (1989) als ein ‚Grenzobjekt <strong>des</strong> Verstehens‘ 33 . Es erlaubt<br />

das In-Beziehung-Setzen unterschiedlicher Perspektiven, der akutmedizinischen (cure) und der lebensweltorientierten<br />

(care) Perspektive, und ermöglicht auf dieser Basis die Auswahl angemessener, auf die Situation <strong>des</strong><br />

zu pflegenden und zu behandelnden Menschen bezogener Interventionen.<br />

Das Konzept der Verlaufskurve, verstanden als ‚Grenzobjekt‘, kann nicht nur als Bezugspunkt der beiden Formen<br />

pflegerischen Handelns (selbstbezogenes/auf andere Menschen bezogenes) dienen, es erlaubt auch, die verschiedenen<br />

pflegetheoretischen Ansätze und die Konzepte <strong>des</strong> RLT-Modells aufeinander zu beziehen, zu integrieren<br />

und die verschiedenen Perspektiven und sozialen Welten der in die Pflegeverlaufskurvenarbeit involvierten<br />

Personen beim Aufeinandertreffen in den unterschiedlichen Arenen miteinander zu verbinden. In diese Arenen<br />

treffen die sozialen Welten <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen einschließlich der Mitglieder seiner Bezugssysteme,<br />

die Perspektiven und sozialen Welten der beruflich/ professionellen Pflegekräfte, die anderer Berufsgruppen/Professionen<br />

sowie die Perspektiven der Gesellschaft in Bezug auf Phänomene wie Pflege, Gesundheit und<br />

Krankheit aufeinander. Das Konzept der Verlaufskurve bietet hierbei die Chance, die zwischen Pflegeverlaufskurven<br />

und Krankheitsverlaufskurven bestehenden Beziehungen herauszuarbeiten und so zu einem erweiterten<br />

Verständnis der Zusammenhänge zu gelangen. Das zweite genannte Konzept, das der ‚Grenzarbeit‘, geht<br />

auf Thomas F. Gieryn (1983) <strong>zur</strong>ück, der es eingeführt hat,<br />

31 Das Konzept <strong>des</strong> ‚boundary object‘ ist inzwischen von Forschern aus verschiedenen Disziplinen aufgegriffen worden (s.<br />

Phelps/Reddy 2009, Clarke 2010: 587ff, Fox 2011: 70ff).<br />

32 Hierzu gehörten Magazine (repositories), Idealtypen oder platonische Objekte (ideal types), Gebiete mit<br />

übereinstimmenden Grenzen (coincident boundaries) und Formulare und Etiketten (standardized forms) (s. Star 2004: 72;<br />

Star/Griesemer 1989: 410)<br />

33 In einer früheren Arbeit hat Höhmann (2002: 60) das Trajektmodell aufgegriffen, um es als gemeinsamen Orientierungsrahmen<br />

für einrichtungs- und berufsgruppenübergreifende Qualitätsentwicklungsprozesse von Versorgungsketten zu erörtern.<br />

Hierbei orientierte sie sich an dem Phasenmodell von Riemann/Schütze (1991), das im Kontext der Biographieforschung<br />

entwickelt wurde.<br />

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