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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

In dieser Aussage bilden sich einige der zuvor genannten Aspekte <strong>des</strong> Meadschen Handlungsmodells ab. Ein<br />

zentraler Gedanke von Mead besagt, dass die menschliche Handlungsfähigkeit und damit auch die Fähigkeit <strong>zur</strong><br />

Pflege aus der sozialen Formung der Impulse erwachsen, die der menschlichen Gattung eigen sind. In Kapitel 3<br />

habe ich im Meadschen Werk Hinweise auf pflegerisches Handeln aufgespürt und diese vor allem im elterlichen<br />

Impuls gesehen und in einer in der Biologie <strong>des</strong> menschlichen Körpers angelegten Haltung, die Mead beim erwachsenen<br />

Menschen als ‚sympathy‘ bzw. ‚Mitfühlen‘ 11 bezeichnet. Über die von Mead erwähnten Impulse,<br />

etwa den Impuls <strong>zur</strong> Organisation von Reaktionen auf entfernte Objekte, <strong>zur</strong> Flucht vor gefährlichen Objekten,<br />

<strong>zur</strong> Ernährung und Sorge für den Nachwuchs, zum Säugen und <strong>zur</strong> Anpassung <strong>des</strong> kindlichen Körpers an die elterliche<br />

Vorsorge (s. Kap. 3.2.1, Tab. 3.1) kann eine erste Beziehung zum RLT-Modell, zu Peplaus und zu Roys<br />

Überlegungen hergestellt werden. Ein Teil der im RTL-Modell genannten AL lässt sich den in Kap. 3 genannten<br />

zehn Gruppen von Impulsen unmittelbar zuordnen, ein anderer Teil nicht. Auch alle im physiologischen Modus<br />

im Royschen Modell genannten, für die physiologische Integrität essentiellen Aspekte können hierzu in Beziehung<br />

gesetzt werden ebenso wie die von Peplau erwähnten biologischen Erfordernisse. Der elterliche Impuls und<br />

die damit assoziierte Haltung der ‚sympathy‘ werden in sozialen Beziehungen entwickelt und geformt, d.h. in der<br />

Beziehung zwischen Kind und Eltern. Die hier gemachten Erfahrungen kommen in dem Moment ins Spiel, wo<br />

der gegebene Handlungsfluss unterbrochen wird und eine Anpassung an veränderte Erfordernisse benötigt wird.<br />

Pflegerisches Handeln vollzieht sich in verschiedenen Beziehungsstrukturen und zeichnet sich durch unterschiedliche<br />

Formen aus. Im Zentrum stehen immer das auf sich selbst und das auf einen Anderen bezogene pflegerische<br />

Handeln.<br />

Mit dieser Differenzierung zwischen dem auf sich selbst und dem auf einen Anderen bezogenen Pflegehandeln<br />

wird eine wichtige Unterscheidung vorgenommen. Im ersten Fall geht es um ein Handeln in einer Selbstbeziehung,<br />

während es im zweiten Fall um ein Handeln in einer zwischenmenschlichen Beziehung geht. In der Reihenfolge<br />

der Entstehung geht das Pflegehandeln in der zwischenmenschlichen Beziehungsform dem auf sich<br />

selbst bezogenen Handeln voraus. Beide sind jedoch strukturell aufeinander bezogen und bedingen sich gegenseitig.<br />

So wie die von Peplau erwähnten Lebenstechniken, werden dem Kind die Kompetenzen, die für beide Pflegeformen<br />

erforderlich sind, in den eingegangenen zwischenmenschlichen Beziehungen im Rahmen der Sozialisation<br />

von den Eltern und weiteren Bezugspersonen vermittelt und von ihm aktiv angeeignet. Fundamental für die<br />

Entwicklung dieser beiden grundlegenden pflegerischen Handlungskompetenzen sind die Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenbzw.<br />

Perspektivenübernahme und die Herausbildung von unterschiedlichen Objekten in Zusammenhang mit<br />

dem pflegerischen Handeln. Auf diesen Aspekt hat vor allem Peplau Bezug genommen, indem sie immer wieder<br />

auf die Bedeutung der Sprache für das pflegerische Handeln hingewiesen hat. Ihr ging es hierbei insbesondere<br />

um die Benennung von Phänomenen oder anders ausgedrückt von Objekten, mit denen eine Pflegekraft bei der<br />

Pflege eines Menschen zu tun hat. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, wird im Weiteren anstelle <strong>des</strong><br />

Begriffs ‚Phänomen‘ vom ‚Objekt‘ bzw. den Objekten <strong>des</strong> pflegerischen Handelns gesprochen. Das pflegerische<br />

Handeln gestaltet sich um diese Objekte, deren wichtige Funktion in ihrer Handlungsorientierung besteht. Um<br />

diese Funktion wahrzunehmen, müssen die Objekte in einer problematisch gewordenen, spezifischen Pflegesituation<br />

von den darin involvierten Personen aktiv hergestellt (konstruiert) werden. Hierbei ermöglicht die Sprache,<br />

pflegerische Objekte zu bezeichnen und eine Beziehung zwischen dem benannten Phänomen/Objekt und dem<br />

darauf bezogenen Handeln herzustellen. Dies erfordert neben der Interpretation (Ermitteln der Bedeutung) <strong>des</strong><br />

Objekts, auch die Definition <strong>des</strong> Objekts bzw. die Vermittlung <strong>des</strong>sen, worauf es hinweist. Herausragende Ob-<br />

11 In der Pflegewissenschaft besteht eine Tendenz, den Impuls <strong>zur</strong> Pflege anderer Menschen im religiös geformten Motiv der<br />

‚Caritas‘ zu suchen (s. die Arbeit von Käppeli 2004). Dies kann in der Tat ein starkes Motiv sein. Dies sollte aber nicht<br />

darüber hinwegtäuschen, dass die Notwendigkeit sich zu pflegen bzw. andere Menschen zu pflegen grundsätzlich aus dem<br />

Impuls, als Einzelner oder als Gruppe zu überleben, erwächst und nicht an Mitleid gebunden ist. Der caritative Gedanke<br />

deckt hier die anthropologische Notwendigkeit eher zu.<br />

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