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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

8.1 SELBST UND PFLEGE: SICH ENTWICKELNDE PROZESSUALE STRUKTUREN, BEZIEHUNGEN<br />

UND HANDLUNGSKOMPETENZEN IN FORTWÄHRENDER BEWEGUNG<br />

Ein wichtiges Ergebnis aus Kapitel 3 besteht darin, dass es sich bei dem Begriff ‚Pflege’ um einen relationalen<br />

Begriff handelt. Pflegehandeln ist ein in mehrere Richtungen weisen<strong>des</strong> relationales Handeln. Die mit dem Begriff<br />

‚Pflege’ assoziierten Handlungsweisen betreffen Beziehungen, die zwischen einem oder mehreren handelnden<br />

Menschen und Gegenständen wie Natur, Tieren oder physischen Dingen wie technischen Hilfsmitteln, Hörgerät,<br />

PC, Auto, Haus etc. bestehen können. Diese Handlungsweisen können sowohl mit beruflicher Arbeit, einem<br />

Hobby oder mit Arbeit im Rahmen von Freundschaftsbeziehungen in Verbindung gebracht werden. Pflege<br />

erfolgt immer in Beziehung auf etwas (z.B. in Beziehung auf den eigenen Körper, das eigene Selbst, einen Gegenstand,<br />

in Beziehung auf Zustände unterschiedlichster Art oder unterschiedliche Gefühle) und/oder in Beziehung<br />

zu jemandem, d.h. einer anderen Person, einem Lebewesen oder zu sich selbst. Pflege ist sowohl ein relationales<br />

wie ein auf Objekte bezogenes gegenständliches Handeln, wobei die Objekte/Gegenstände <strong>des</strong> pflegerischen<br />

Handelns konkrete und handhabbare Formen annehmen können wie bei der Pflege <strong>des</strong> Körpers oder<br />

beim Erwerb von Fähigkeiten/Kompetenzen. Das pflegerische Handeln bezieht sich auf beobachtbare Objekte<br />

ebenso wie auf abstrakte und symbolische Objekte wie z.B. Gesundheit und auf schwer zugängliche Objekte wie<br />

Gefühlszustände oder Wissen und Ideen. Ein wichtiges Merkmal <strong>des</strong> pflegerischen Handelns besteht darin, dass<br />

es sich um verkörpertes Wissen/Kompetenzen handelt. Im Laufe seiner Sozialisation werden dem Menschen sein<br />

pflegerisches Wissen und die entsprechenden Kompetenzen sozusagen <strong>zur</strong> ‚zweiten Natur‘. Aus diesem Grund<br />

ist bei<strong>des</strong> größtenteils implizit oder stillschweigend vorhanden und kontextgebunden. Das auf sich selbst bezogene,<br />

in Routinen/Gewohnheiten verkörperte pflegerische Handeln läuft nach dem pragmatistischen Handlungsverständnis<br />

größtenteils unbewusst ab. Solange es funktioniert, muss es nicht artikuliert werden. Und genau dieser<br />

Umstand kann in problematischen Situationen dazu führen, dass uns die Artikulation <strong>des</strong> vertrauten und persönlichen<br />

Wissens und der entsprechenden Kompetenzen nicht möglich ist oder schwer fällt.<br />

Was die professionelle Pflege betrifft, ist diese nach Peplau im Wesentlichen ein Handeln in Beziehungen. Zur<br />

Erfassung <strong>des</strong> Gegenstands <strong>des</strong> pflegerischen Handelns bei ausgebildeten Pflegekräften spricht Peplau von einer<br />

Transformation von Energien, die bei der Äußerung menschlicher Bedürfnisse3 bzw. Erfordernisse in zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen freigesetzt werden, und davon, wie diese Energien durch die Art, wie ein anderer<br />

Mensch auf das jeweilige Erfordernis eingeht, umgewandelt werden. Sie stellt fest, dass die von einem Menschen<br />

gewählte Antwort auf das geäußerte Erfordernis diesem Erfordernis genügen oder nicht genügen kann.<br />

Zwischen diesen Polen liegen vielfältige Antwortmöglichkeiten, durch die in zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

ein Wechsel von einem Zustand in einen anderen erzeugt werden kann. Das erzielte Ergebnis wird als Erfahrung<br />

gespeichert. Die bei diesem Prozess gemachten Erfahrungen bezeichnet Peplau als Erfahrungsbildung.<br />

Die dabei möglichen und gemachten Lernprozesse halten wichtige Erfahrungen für die Entwicklung der Selbstsysteme<br />

sowohl <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen wie der pflegenden Person bereit. Peplau fokussiert ihre Arbeit auf<br />

dieses Geschehen in interpersonalen Beziehungen. In ihnen eignet sich der Mensch im Laufe seiner Sozialisation<br />

die für sein Überleben wichtigen ‚Lebenstechniken’ an. Greifbar werden die gemachten Erfahrungen durch die<br />

Spuren, die sie in den angeeigneten ‚Lebenstechniken’ eines Menschen hinterlassen und damit in den Mustern<br />

seiner Fähigkeit, Beziehungen mit anderen Menschen einzugehen und sich darin einzubringen. Es geht um die<br />

Fähigkeit <strong>des</strong> betreffenden Menschen, eine Beziehung zwischen dem, was in einer spezifischen Situation geschieht,<br />

und seinen Reaktionen, also seinen Verhaltensweisen herzustellen. Alle substantiellen Erfahrungen, die<br />

3 Wie in Kap. 5 erwähnt, hielt Peplau den Begriff ‚needs‘, der verschiedene Bedeutungen wie etwa Anforderungen, Bedarf,<br />

Belange, Erfordernis hat, noch nicht für den geeigneten. Sie löste dieses Problem jedoch nicht. Aus handlungstheoretischer<br />

Sicht ist m.E. zu entscheiden, an welcher Stelle im Handlungsprozess welcher Begriff angemessen ist. Im Meadschen Modell<br />

müsste der Begriff Erfordernis für die Phase <strong>des</strong> Impulses gewählt werden, wohingegen die Unterbrechung der Handlung je<br />

nach Anpassungsfähigkeit – unbewusst bis bewusst – eine Handlungstendenz im Sinne eines Bedürfnisses oder Wunsches<br />

nach etwas, eines Interesses an etwas etc. auslösen kann.<br />

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