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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

8. EINE PRAGMATISTISCHE THEORIE DES PFLEGEHANDELNS AUF DER BASIS DES RLT-<br />

MODELLS UNTER EINBEZIEHUNG DER PFLEGETHEORETISCHEN ANSÄTZE VON PE-<br />

PLAU, ROY UND KING<br />

„Niemand entdeckt eine neue Welt, ohne eine alte aufzugeben […]“.<br />

John Dewey ( 1995: 238)<br />

‚Study the Unstudied‘ (Strauss, zitiert nach Star 1997: 3.2)<br />

Ausgangspunkt der in diesem Kapitel angestrebten Formulierung einer pragmatistisch-interaktionistischen Theorie<br />

<strong>des</strong> Pflegehandelns sind die in Kapitel 2 beschriebenen fünf Konzepte <strong>des</strong> aus einem Lebens- und einem<br />

Pflegemodell bestehenden RLT-Modells: das Konzept der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens (AL), das Konzept der Lebensspanne,<br />

das <strong>des</strong> Abhängigkeits- und Unabhängigkeitskontinuums, das der beeinflussenden Faktoren und<br />

das Konzept der Einzigartigkeit/Individualität <strong>des</strong> Lebens, das im Pflegemodell durch das Konzept der individualisierten<br />

Pflege ersetzt wird. Um die professionelle Pflege als etwas von der Medizin unabhängiges Eigenes<br />

fassen zu können, wurde in Kapitel vier der Begriff <strong>des</strong> pflegerischen Funktionskreises 1 als heuristische Kategorie<br />

eingeführt. Die pflegetheoretischen Ansätze wurden dann daraufhin befragt, welchen Beitrag sie <strong>zur</strong> inhaltlichen<br />

Beschreibung <strong>des</strong> pflegerischen Funktionskreises leisten. Die Konzepte <strong>des</strong> RLT-Modells ebenso wie die in<br />

den Arbeiten von Hildegard Peplau (Kap. 5), Callista Roy (Kap. 6) und Imogene King2 (Kap. 7) entwickelten<br />

Konzepte tragen sämtlich zu einem erweiterten Verständnis <strong>des</strong> pflegerischen Funktionskreises bei. Wie die<br />

Konzepte <strong>des</strong> RLT-Modells stellen sie Mittel <strong>zur</strong> begrifflichen Erfassung und Analyse <strong>des</strong> pflegerischen Handelns<br />

<strong>zur</strong> Verfügung. Im Mittelpunkt der verschiedenen Arbeiten stehen jeweils unterschiedliche Aspekte<br />

menschlichen und pflegerischen Handelns. In Anlehnung an Strauss (1997/1974) können die jeweiligen Konzepte<br />

als symbolischer Bezugs- bzw. Referenzrahmen gesehen werden, auf den bei der weitergehenden Bestimmung<br />

<strong>des</strong> pflegerischen Handelns Bezug genommen wird. Nach einer wichtigen Einsicht von Strauss ist das<br />

Sichtbare mit dem Unsichtbaren auf dialektische Weise untrennbar verbunden. Das Bindeglied zwischen beiden<br />

ist die menschliche Arbeit bzw. das menschliche Handeln (s. Star 1991: 265). Die genannten pflegetheoretischen<br />

Ansätze sollen in diesem Kapitel aus der Perspektive <strong>des</strong> pragmatistischen Handlungsverständnisses vor allem<br />

von Mead und <strong>des</strong>sen Weiterentwicklung durch Strauss & MitarbeiterInnen neu interpretiert werden. In Tabelle<br />

8.1 werden die verschiedenen Konzepte der untersuchten pflegetheoretischen Ansätze zusammengefasst. Die<br />

Bedeutung der Sprache für das menschliche Handeln besteht u.a. darin, pflegerisches Handeln von anderem<br />

Handeln abgrenzen zu können, etwa die Laienpflege von der professionellen Pflege, sowie den Kontext pflegerischen<br />

Handelns bestimmen zu können. Der Sinn <strong>des</strong> Benennens von etwas, sei es eines Objekts, einer Person,<br />

eines Zusammenhangs für das Handeln besteht nach Strauss (1974: 23ff) darin, dass es dem Handelnden eine<br />

Orientierung gibt und in Bezug auf das Benannte Erwartungen auslöst, die wiederum auf die Beziehungen zu<br />

uns und dem Benannten verweisen. Die Erwartungen verweisen jedoch nicht nur auf unsere in der Vergangenheit<br />

liegenden Erfahrungen mit dem Benannten, sondern reichen auch in die Zukunft. Ein anderer Aspekt ist,<br />

dass dem Benannten ‚Werte’ zugeordnet werden, wobei dieser Begriff auf die Beziehung zwischen dem Benannten<br />

und der Person, die damit Erfahrungen macht, verweist. In diesem Sinne begreife ich die hier unternommene<br />

Arbeit als einen ersten Schritt, der die vorgegebenen Pfade der von mir untersuchten Pflegetheoretikerinnen zum<br />

Teil weitergeht, zum Teil aber auch verlässt, um neue Verknüpfungen und Beziehungen herzustellen und andere<br />

1 Der Funktionskreis verweist auf den Autoritäts-und Zuständigkeitsbereich der Pflege.<br />

2 In den vorherigen drei Kapiteln wurde die Bedeutung, die diesen drei Konzepten in den genannten pflegetheoretischen Ansätzen<br />

zukommt, entlang verschiedener Fragen rekonstruiert (s. Kap 4.7). Weiter wurden erste Anknüpfungspunkte zwischen<br />

den einzelnen pflegetheoretischen Ansätzen und den Konzepten <strong>des</strong> RLT-Modells sowie zu den in Kap. 3 gewonnenen Erkenntnissen<br />

herausgearbeitet. Schließlich erfolgte eine zusammenfassende Bewertung der pflegetheoretischen Ansätze vor<br />

dem Hintergrund der Vorstellungen zu Professionen und personenbezogenen Dienstleistungen. Das Augenmerk wurde hierbei<br />

auf den Beitrag der pflegetheoretischen Ansätze zum pflegerischen Wissenssystem gelegt und darauf, welche theoretische<br />

Begründung die einzelnen Ansätze für den Autoritäts-und Zuständigkeitsbereich der Pflege anbieten, welche Methodologien<br />

und Handlungsstrategien hieraus für die Gestaltung der pflegerischen Dienstleistungssituation abgeleitet werden können und<br />

welche Hinweise sich aus einem inhaltlich veränderten pflegerischen Funktionskreis für die Neuausrichtung der zwischen<br />

pflegerischem und medizinischem Funktionskreis bestehenden Beziehung ergeben. Schließlich wurden die gewonnenen Erkenntnisse<br />

auf die vier Phasen <strong>des</strong> Caring-Prozesses bezogen.<br />

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