09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 7<br />

Was den inhaltlichen Beitrag zum pflegerischen Wissenssystem angeht, hat King die Bedeutung, die den einzelnen<br />

Konzepten zukommt, mehr skizziert als ausführlich begründet34 . Auch wenn King das Konzept <strong>des</strong> Selbst<br />

und <strong>des</strong> Körperbilds in ihrem konzeptuellen System und in ihrer Theorie der Zielerreichung primär aus der Perspektive<br />

der Allgemeinen System<strong>theorie</strong>35 deutet, war dieser Aspekt für die hier vorliegende Rekonstruktion<br />

dieser Konzepte zweitrangig. Statt<strong>des</strong>sen habe ich ein anderes, bei King immer wieder auftauchen<strong>des</strong> Thema<br />

aufgegriffen, das <strong>des</strong> menschlichen Handelns. Hierbei hat sich gezeigt, wie facettenreich Kings Ideen sind und<br />

dass die Theorie der Zielerreichung auch als eine Theorie <strong>des</strong> kooperativen Handelns interpretiert werden kann.<br />

In eine ähnliche Richtung weisen die philosophisch orientierten Arbeiten von Beverly Whelton36 (1999, 2007).<br />

Kings Überlegungen kreisen immer wieder um die Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens. Ihr zufolge besteht eine Anforderung,<br />

die der Mensch in seinem Leben zu meistern hat, in der Aufrechterhaltung eines gewissen Niveaus von Gesundheit,<br />

das ihm die Durchführung der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens und das Wahrnehmen sozialer Rollen ermöglicht<br />

(King 1990: 125). Auch wenn King das pflegerische Handeln nicht in ein auf sich selbst und in ein auf andere<br />

Menschen bezogenes Handeln ausdifferenziert, lässt sie keinen Zweifel daran, dass die Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens<br />

ein Schlüssel für die Entdeckung <strong>des</strong> personenbezogenen pflegerischen Handelns sind. Wie an anderer Stelle erwähnt,<br />

gibt sie selbst nur vereinzelt konkrete Hinweise auf das, was sie mit dem Begriff der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens<br />

fasst. Ihre stichwortartigen Ausführungen hierzu (im Zusammenhang mit der Anwendung der Theorie der<br />

Zielerreichung, s. King 1981: 165ff) zeigen, dass sich die Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens in unterschiedlichen Gewohnheiten<br />

niederschlagen. Dies ist nicht nur ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die in Kap, 3.4.3 angesprochenen<br />

Handlungsroutinen, sondern auch für das Konzept <strong>des</strong> Selbst. Auch wenn dieses Konzept von King nicht explizit<br />

ausgearbeitet worden ist, thematisiert sie es in ihren verschiedenen Veröffentlichungen immer wieder im Zusammenhang<br />

mit anderen Konzepten. So erläutert sie am Beispiel von Patienten mit der Diagnose End Stage<br />

Renal Disease (ESRD), dass die Pflegekräfte das Selbstbild <strong>des</strong> Patienten gesprächsweise über die Art und Weise,<br />

wie die Patienten sich selber wertschätzen, einschätzen können. Weiter sollten Pflegekräfte wachsam sein für<br />

Störungen <strong>des</strong> Körperbil<strong>des</strong>, wie sie seitens <strong>des</strong> Patienten wahrgenommen und erlebt werden. Die Wahrnehmungen<br />

<strong>des</strong> Patienten, wie er/sie sich selbst, seinen/ihren Körper (Körperbild), die Zeit, das Gesundheitssystem, die<br />

Gesundheitsprofessionen sowie deren Rollen und seine/ihre Therapie wahrnimmt, bilden wichtige Informationen,<br />

um einen Zugang zum Patienten zu erhalten. In diesem Zusammenhang differenziert King mit Blick auf die<br />

Pflegeanamnese unterschiedliche Arten von Informationen. Sie gliedert diese in vier Kategorien. In die erste Kategorie<br />

fällt die ‚Pflegegeschichte und Gesundheitseinschätzung’. Hierbei geht es um die Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens,<br />

um wahrzunehmende Rollen, Stressoren in der äußeren Umwelt <strong>des</strong> Patienten, sei es im Erwerbsbereich oder<br />

Zuhause. Diese Informationen werden zum Alter <strong>des</strong> Patienten in Beziehung gesetzt, zu seinem Entwicklungsstand,<br />

seinen Lernerfordernissen, der Ernährung und den Eßgewohnheiten etc. Die zweite Kategorie sind personenbezogene<br />

Informationen, in der die Selbstwahrnehmung <strong>des</strong> Patienten im Mittelpunkt steht. Die dritte Kate-<br />

34 Dies kann unter theoretischen Gesichtspunkten als Manko gesehen werden. Es kann aber auch die Neugier einzelner Pflegekräfte/Pflegewissenschaftlerinnen<br />

anregen, sich intensiver mit den Konzepten zu befassen. Hierzu ist es m.E. aber erforderlich,<br />

den Begriff <strong>des</strong> Systems als Metapher (s. Fuchs, zitiert in Kleve 2006: 117) oder sensibilisieren<strong>des</strong> Konzept (s. Corbin/Strauss<br />

1996, 2008) zu begreifen und sich nicht von vornherein in eine eng geführte Theoriedebatte zu begeben.<br />

35 Aus systemtheoretischer Sicht wäre zu prüfen, inwieweit ihr Ansatz die Potentiale der Allgemeinen System<strong>theorie</strong> ausschöpft.<br />

Hier sind gewisse Zweifel angebracht (s. auch Winker 1995). So wird auf zentrale Eigenschaften von Systemen wie<br />

Differenzierung oder symbolische Aktivität nur indirekt hingewiesen. King muss aber zugestanden werden, dass sie mit ihrem<br />

Ansatz, pflegerische Phänomene systemtheoretisch zu interpretieren und zu ordnen, der Pflege ein weites Feld eröffnet<br />

hat. Sie hat diese Gedanken zu einer Zeit aufgegriffen, in welcher eine solche Herangehensweise selbst in anderen Disziplinen<br />

das Betreten von Neuland bedeutete. Inzwischen haben sich in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen diverse systemtheoretische<br />

Ansätze herausgebildet. King greift diese Entwicklungen jedoch nicht auf.<br />

36 Beverly Whelton (2007: 16ff) verbindet Kings Ideen mit der Idee von der menschlichen Natur und vom menschlichen<br />

Handeln, indem sie diese vor dem Hintergrund der Philosophie von Aristoleles interpretiert. Sie konzentriert sich insbesondere<br />

auf die menschliche Fähigkeit <strong>des</strong> konzeptuellen Denkens und auf die, eine Wahl treffen zu können (s. auch Whelton<br />

1999). Auch sie betont die Wichtigkeit <strong>des</strong> gegenseitigen Austauschs von Wissen und von einer geteilten Vision, damit therapeutische<br />

Transaktionen stattfinden können. Darüber hinaus unterscheidet sie zwischen verschiedenen Handlungsformen:<br />

dem pflegerischen Handeln, dem heilenden Handeln und dem moralischen Handeln. Diese Handlungsformen sind eingebettet<br />

ins menschlichen Handeln und in menschliche Verhaltensweisen (s. Whelton 2007).<br />

297

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!