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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 1<br />

zeigte mehr in Richtung Handlungswissenschaft (s. Bottorff 1991, Johnson 199437 ). Zeitgleich kam es zu einer<br />

Wiederentdeckung und intensiven Auseinandersetzung mit frühen pflegetheoretischen Ansätzen.<br />

Die Positionsbestimmung der Pflegewissenschaft in den 1990er Jahren war geprägt durch eine kritische Auseinandersetzung<br />

mit der Rezeption von Wissenschaftstraditionen, mit der ‚philosophy of science’ (Wissenschafts<strong>theorie</strong>),<br />

den damit einhergehenden Annahmen zum Gegenstandsbereich, den damit assoziierten Methoden, mit<br />

den Grenzen und Möglichkeiten einer Wissenschaftsdisziplin. Silva/Sorrell/Sorrell (1995: 11f) plädierten für eine<br />

kritische Untersuchung und Weiterentwicklung der von Carper (1978) identifizierten Wissensformen. Auch<br />

dies ist ein Hinweis auf den in der Pflegewissenschaft stattfindenden Perspektivenwechsel. Pflegewissenschaftlerinnen<br />

öffneten sich laut Reed (1995: 73f) den von Charles Pierce beschriebenen Formen der Argumentation<br />

(<strong>des</strong> logischen Denkens), der Abduktion, Deduktion und Induktion, ohne dabei den Prozess zu fragmentieren, da<br />

alle Formen eine wichtige Rolle bei der Wissensgenerierung spielen. Neben der Pflegewissenschaft kristallisiert<br />

sich in den 1990er Jahren zunehmend eine Philosophie der Pflege heraus. Ende der 1990er Jahre und am Anfang<br />

<strong>des</strong> 21. Jahrhunderts befinden sich die Pflege und die Pflegewissenschaft in einem fundamentalen Wandel, <strong>des</strong>sen<br />

Ausgang offen ist. Die Pflegewissenschaft hat sich bezüglich ihres Wissenschaftsverständnisses und der<br />

Möglichkeiten der Wissensgenerierung von einengenden Vorstellungen gelöst. Gegenwärtig kreist die Theoriediskussion<br />

in den USA und in anderen Ländern erneut um das Verhältnis von Theorie und Praxis38 , Theorie,<br />

Forschung und Praxis sowie um Wissensproduktion und um Wissensformen39 . In diesem Zusammenhang entdecken<br />

einige Pflegewissenschaftlerinnen das Potenzial <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus (s. Reed40 1996, 2006,<br />

2008; Reed/Lawrence 2008, Sullivan-Marx 2006).<br />

Ein anderes in der pflegewissenschaftlichen und -theoretischen Diskussion virulentes Thema betrifft die Nutzung<br />

pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse und von Pflege<strong>theorie</strong>n, sei es im Studium oder in der Praxis. Dieses<br />

Thema wird u.a. als ein Vermittlungs-, Transfer- und Relevanzproblem gedeutet. Bemerkenswert ist, dass bisher<br />

nicht nur wenige Kenntnisse zum Einfluss von Pflege<strong>theorie</strong>n auf die konkrete Pflegepraxis41 vorliegen, sondern<br />

auch wenige Vorstellungen dazu, wie die Pflegepraxis auf der Basis von pflegetheoretischen Ansätzen entwickelt<br />

werden kann. Algase et al. (2001) kommen aufgrund einer informellen Befragung in Bezug auf die Vermittlung<br />

von Pflege<strong>theorie</strong>n in Studiengängen von Midwestern Nursing Schools in den USA zu dem Ergebnis,<br />

dass auf der Bachelorebene Pflege<strong>theorie</strong>n nur von 1/3 der befragten Schulen im Lehrprogramm angeboten und<br />

37 Joy J. Johnson (1994) diskutiert mit Blick auf ihr Verständnis der Pflege als einer ‚practical discipline’ die in der Pflege<br />

vorhandenen und artikulierten Vorstellungen von Pflege als Kunst. Sie unterscheidet insgesamt fünf Bedeutungen der Pflege<br />

als Kunst im Sinne der Fähigkeit einer Pflegekraft, (1) den Sinn in den Begegnungen (encounter) mit Patienten zu verstehen,<br />

(2) eine sinnvolle Beziehung mit Patienten aufzubauen, (3) pflegerisches Handeln fachgerecht auszuführen, (4) den Verlauf<br />

<strong>des</strong> Pflegehandelns rational zu bestimmen und (5) in der Fähigkeit einer Pflegekraft zu einer moralisch geleiteten<br />

Pflegepraxis. Hier scheinen wieder die o.g. Wissensformen von Carper durch.<br />

38 Diese Diskussion setzt in den 1980er Jahren ebenfalls in anderen Ländern ein, wie erste Veröffentlichungen hierzu zeigen.<br />

Für das UK sind beispielhaft die Arbeiten von Miller (1985), Rolfe (1997) zu nennen oder für Kanada<br />

Kristjanson/Tamblyn/Kuypers (1987). Sie hat in den letzten Jahren im Zuge der Diskussion einer evidenzbasierten Pflege<br />

bzw. Praxis erneut einen Aufschwung genommen (s. u.a. die Artikel im Sammelband von Cody (2006).<br />

39 Weitere Arbeiten, die sich neben den schon erwähnten Büchern mit dem Thema Pflege<strong>theorie</strong>n und dem Verhältnis von<br />

Pflege<strong>theorie</strong> und Pflegepraxis befassen sind u.a. der Sammelband von Sally E. Thorne & Virgina E. Hayes (1997), die<br />

Themenhefte der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Advances in Nursing Science (ANS) Theory and Practice (2005) und<br />

Theory, Evidence, and Practice (2008)<br />

40 Sie greift bei ihrem Verständnis von Theorie und Praxis auf pragmatistische Ideen <strong>zur</strong>ück, z.B. Peirce (Abduktion) und<br />

Dewey (Nature and Knowledge).<br />

41 Die Einschätzung dieser Situation ist in der Literatur widersprüchlich. Es gibt sowohl Hinweise auf die Nutzung<br />

pflegetheoretischer Ansätze als auch auf deren Nichtnutzung. So beschreibt Wendy Woodward (2003), wie ein<br />

pflegetheoretisches Modell <strong>zur</strong> Strukturierung <strong>des</strong> Curriculums an der Humboldt State University, Arcata, California, und<br />

während <strong>des</strong> dreijährigen Studiums vermittelt wird und während der klinischen Einsätze <strong>zur</strong> Anwendung gelangt. Sie<br />

problematisiert, dass pflegetheoretische Ansätze eher als abstrakter Bildungsinhalt vermittelt werden, als dass die<br />

Anwendung einer solchen Perspektive auf pflegerische Phänomene untersucht würde mit der Folge, dass die Anwendbarkeit<br />

nicht vermittelt wird. Dorothee Buckley-Viertel (2001) hingegen kommt bei ihrem Vergleich der Situation USA/Deutschland<br />

zu einer positiven Einschätzung.<br />

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