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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 6<br />

ven oder ineffektiven Reaktions- und Handlungsweisen in Bezug auf die Situation. Positive Lebenserfahrungen<br />

können dazu führen, dass ein Mensch über eine große Bandbreite von Fähigkeiten verfügt, mit Änderungen oder<br />

Anforderungen im Leben fertig zu werden. In anderen Situationen kann das Handlungsspektrum wiederum begrenzt<br />

sein (s. Roy/Andrews 1991: 11).<br />

Für das Verständnis <strong>des</strong> Adaptationsprozesses sind die unterschiedlichen Stimuli wichtig, die jeweils aus der externen<br />

oder internen Umwelt auf den Menschen einwirken und sein Handeln bestimmen. Der fokale Reiz, auch<br />

Ankerreiz genannt, ist der interne oder äußere Reiz, mit dem sich ein Mensch unmittelbar konfrontiert sieht, quasi<br />

der Gegenstand oder das Ereignis, das seine Aufmerksamkeit erregt. Der Mensch konzentriert sich hierauf und<br />

ist gezwungen, Energien im Umgang hiermit aufzuwenden. Die sich so ergebende unmittelbare Anforderung an<br />

den Menschen kann als Stressor verstanden werden, der innerhalb eines Kontinuums von schwach bis stark wirken<br />

und sowohl physischen, physiologischen oder psychosozialen Ursprungs oder eine Kombination aus mehreren<br />

Quellen sein kann (s. Roy/McLeod 1981: 55, Roy/Andrews 1999: 38). Der Adaptationsprozess wird über<br />

den Stressor, den fokalen Reiz ausgelöst. Die damit einhergehende Änderung erzeugt eine adaptive Reaktion<br />

bzw. adaptives Handeln. Die Kontextreize sind in einer Situation, in der der fokale Reiz wirkt, ebenfalls gegenwärtig.<br />

Hierunter können Umweltfaktoren verstanden werden, mit denen der Mensch sich in der gegebenen Situation<br />

auseinandersetzen muss. Sie müssen aber nicht im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stehen. So kann ein<br />

Mensch etwa stärker unter Schmerzen leiden, wenn er deren Ursache nicht kennt. Schmerz wird oft besser toleriert,<br />

wenn der Betroffene weiß, worauf der Schmerz <strong>zur</strong>ückzuführen ist und dass Schmerz ein temporärer Zustand<br />

ist. Bei den residualen Reizen handelt es sich um innere und äußere Umweltfaktoren <strong>des</strong> Menschen (z.B.<br />

Erfahrungen, Einstellungen, Charakterzüge, klimatische Bedingungen, verschmutztes Wasser etc.), deren Wirkungen<br />

dem Betroffenen in einer gegebenen Situation nicht bewusst sein müssen und die für einen Außenstehenden<br />

schwer einzuschätzen und zu validieren sind (s. Roy/McLeod 1981: 55; Roy/Andrews 1991: 9,<br />

Roy/Andrews 1999: 39, Roy 2009: 36). Nach Helson sind Kontext- und Residualreize vermittelnde (mediating)<br />

Faktoren, die Einfluss darauf haben, wie der fokale Reiz auf den Menschen einwirkt, indem sie diesen verstärken.<br />

Die genannten Stimuli und das Adaptationsniveau bilden den Input <strong>des</strong> menschlichen Adaptationssystems. Sie<br />

werden in irgendeiner Form verarbeitet und führen zu einer Antwort oder Reaktion <strong>des</strong> Menschen. Diese kann<br />

ganz allgemein als Bewältigungs- bzw. Copingfähigkeit eines Menschen bzw. einer Gruppe beschrieben werden,<br />

die ihrerseits wiederum ein wichtiger Stimulus für Adaptationsprozesse ist 10 . Im RAM werden die verschiedenen<br />

Reaktions- und Verhaltensmöglichkeiten <strong>des</strong> Menschen im weitesten Sinn als Verhalten/Handeln definiert.<br />

Hierunter werden alle innere Handlungen und Reaktionen gefasst sowie die sichtbaren Handlungen und Reaktionen<br />

in einer spezifischen Situation, wie bspw. die Reaktion auf den Schmerz, wenn man nach einer OP aus der<br />

Narkose erwacht. All diese Verhaltens- und Handlungsweisen können von einer Pflegekraft beobachtet, gemessen<br />

und mitgeteilt werden. Im Mittelpunkt der Pflege stehen adaptive Handlungsweisen, die die Integrität <strong>des</strong><br />

Menschen fördern.<br />

Zur Veranschaulichung <strong>des</strong> zwischen den Stimuli und dem Adaptationsprozess bestehenden Zusammenhangs<br />

wird ein weiteres Konzept eingeführt, das der Copingmechanismen. Die Begriffe Coping und Adaptation werden<br />

in der Literatur häufig synonym verwendet. Hier wird Coping in einem sehr allgemeinen Sinn verstanden als<br />

„routine, accustomed patterns of behavior to deal with daily situations as well as to the production of new<br />

ways of behaving when drastic changes defy the familiar responses“ (Roy/McLeod 1981: 56)<br />

10<br />

Laut Roy (2009: 36) wird an der Entwicklung einer Theorie mittlerer Reichweite über Coping und Adaptationsprozesse<br />

gearbeitet. Es geht darum, das Konzept einer ‚fähigkeitsfokussierten Entwicklung’ weiter zu untersuchen. Statt sich auf Bedürfnisse/Erfordernisse,<br />

Probleme oder Defizite zu konzentrieren, könnte die Copingfähigkeit als positiver Stimulus genutzt<br />

werden und zu einer Verbesserung der Adaptation gelangen.<br />

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