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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 1<br />

schaftliche Fundierung und theoretische Durchdringung der Disziplin entsprechend später begann. Die seit den<br />

1950er Jahren entstandenen pflegetheoretischen Ansätze knüpfen implizit und explizit an die von der ersten Generation<br />

der an den Hochschulen Lehrenden entwickelten Ideen an (s. auch Hamilton 1994).<br />

Mit der nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt einsetzenden Verlagerung der Pflegeausbildung in das Hochschulsystem21<br />

wurde die empirische und theoretische Begründung der Pflege unerlässlich. Die dem Konzept der<br />

professionellen Pflege anhängenden Pflegekräfte sahen sich mit der Aufgabe konfrontiert, ein theoretisches Begriffssystem<br />

der Pflege im weitesten Sinn zu entwickeln, zu artikulieren und wissenschaftlich zu überprüfen.<br />

Weiter galt es, die Wissensbasis der Pflege von der Medizin und von anderen Disziplinen (Erziehungswissenschaften<br />

etc.) zu lösen und die Eigenständigkeit der Pflege auch in theoretischer Hinsicht unter Beweis zu stellen.<br />

Dies war nicht nur notwendig, um einem der wichtigsten Merkmale einer Profession gerecht zu werden,<br />

nämlich dem der Entwicklung eines auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Wissensstocks (body of<br />

knowledge), sondern auch um den von ihnen behaupteten Zuständigkeitsbereich der Pflege erfolgreich durchsetzen<br />

zu können. Daher kann es nicht verwundern, dass die ersten theoretischen Entwürfe in der Pflege seit den<br />

1950er Jahren in engem Zusammenhang mit dem Aufbau und der Weiterentwicklung von Pflegestudiengängen<br />

stehen22 . Diese Studiengänge bilden den Entstehungszusammenhang und den primären Verwendungszusammenhang<br />

der Pflege<strong>theorie</strong>n (s. Habermas 1972), vornehmlich den der Lehre. Bei ihren Bemühungen, die Pflege<br />

theoretisch zu begründen, griffen diese Frauen23 wie ihre Vorgängerinnen auch, auf das vorhandene Wissen verschiedener<br />

Disziplinen <strong>zur</strong>ück, in deren Mittelpunkt der Mensch steht. Dabei sahen sie sich vor die Frage gestellt,<br />

welcher Wissenschaftsdisziplin oder welchem wissenschaftlichen Paradigma bzw. Wissenschaftsverständnis<br />

die Pflege zuzuordnen sei. Dies setzte eine Debatte in Gang, die bis heute andauert und überall dort, wo die<br />

Pflege als wissenschaftliche Disziplin etabliert werden soll, neu aufflammt24 (s. Mischo-Kelling 1995a, Schaeffer<br />

et al. 1997, Görres/Friesacher 2005).<br />

21 Sie setzt in den USA in den 1950er Jahren ein und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Dies führt zu unterschiedlichen<br />

akademischen Abschlüssen, die alle nach erfolgter Prüfung und Registrierung als RN <strong>zur</strong> Berufsbefähigung/-erlaubnis<br />

führen. Fitzpatrick (1977: 284f) stellt rückblickend fest, dass nach dem Zweiten Weltkrieg weder die organisierten, noch die<br />

praktizierenden Pflegekräfte oder die Ärzte für eine grundlegende Ausbildungsreform bereit waren. In der Folge<br />

kristallisierten sich zwei Arten von Pflegekräften heraus: zweijährig technisch am Junior College ausgebildete Pflegekräfte<br />

und professionell ausgebildete Pflegekräfte an Senior Colleges. Dies führte zu sehr viel Verwirrung und zu ‚feindlichen<br />

Beziehungen’ zwischen Pflegekräften mit und ohne akademischem Abschluss. Grundsätzlich unterscheidet sich die<br />

akademische Ausbildung in der Pflege in den USA auf der Undergraduate-Ebene von der europäischen Ausbildung durch das<br />

Angebot von zwei grundverschiedenen akademischen Bildungsgängen. Hierbei handelt sich um die zweijährigen Associate<br />

Degree-Programme (ADN), die an Community Colleges angeboten werden, und um die vierjährigen Bachelorstudiengänge<br />

(BNS) an Colleges oder <strong>Universität</strong>en. Daneben existiert nach wie vor die dreijährige nicht-akademische Ausbildung (mit<br />

Diplom) an Krankenhäusern.<br />

22 Hierbei handelt es sich sowohl um Studiengänge, die mit dem ersten akademischen Grad abschließen, als auch um Master-<br />

und Promotionsstudiengänge.<br />

23 Anders als in anderen, in der Regel von Männern dominierten Wissenschaftsdisziplinen ist die Theorie- und<br />

Wissenschaftsentwicklung in der Pflege von Frauen vorangetrieben worden. Der Wunsch nach Anerkennung in einem<br />

männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb könnte auch eine Erklärung für den in der Pflegewissenschaft lange<br />

vorherrschenden Hang sein, sich an einen am Mainstream orientierten Wissenschaftsverständnis, den <strong>des</strong> logischen<br />

Positivismus, anzulehnen. Dieses entspricht in gewisser Hinsicht der Fortsetzung <strong>des</strong> in der Pflegepraxis eingeübten<br />

subordinate-superdominate Verhaltensmusters auf einer anderen Ebene bzw. in einem anderen Handlungszusammenhang,<br />

dem der Wissenschaft, innerhalb derer den Wissensprodukten von Frauen laut Cash (1997) nicht die gleiche Bedeutung<br />

beigemessen wird.<br />

24 Bei dieser Auseinandersetzung geht es um den Streit, ob die Pflege mehr den Naturwissenschaften oder mehr den Sozial-,<br />

Human- und Geisteswissenschaften zuzuordnen ist. Für das Verständnis der Entwicklung der Pflegewissenschaft ist ferner<br />

von Bedeutung, dass die Entwicklung der Wissenschaften in den USA nach anderen Mustern als in Europa und hier insbesondere<br />

in Deutschland verlaufen ist. Sie war anderen gesellschaftlichen, politischen und institutionellen Bedingungen ausgesetzt,<br />

wie sich am Beispiel der Medizin (s. Shyrock 1940, Ackerknecht 1989), der Soziologie (s. Jonas 1981) und der Psychologie<br />

(s. Lück 1991) aufzeigen lässt. Meleis (1997a/1997b) beschreibt die Entwicklung der Herausbildung eines Wissensstocks<br />

in der Pflege als eine Abfolge von Phasen, die sie als Praxis-, Ausbildungs-, Forschungs- und Theoriephase bezeichnet.<br />

In der 4. Auflage ihres Buches von 2007 differenziert sie folgende Phasen: Praxis, Ausbildung und Leitung/Führung,<br />

Forschung, Theorie, Philosophie, Integration und die Phase der Interdisziplinarität (s. Meleis 2007: 78ff).<br />

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