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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

‚handmaiden’ für den Arzt war. Diese Entwicklung fiel mit einer anderen zusammen, wonach sich die Pflegebildung<br />

auf die Erfordernisse der StudentInnen konzentrierte. Letztere führten zu einem Wandel der Studierenden;<br />

wohingegen die Bedürfnisse der Patienten zum Verantwortungsbereich <strong>des</strong> Pflegedienstes erklärt wurden. Weiter<br />

gelang es der Pflege, immer mehr StudentInnen aus der Mittelschicht zu gewinnen. All diese Entwicklungen<br />

wirkten sich auf die Pflegekraft-Arzt-Beziehung aus. Die akademisch qualifizierten Pflegekräfte hinterfragten<br />

die untergeordnete Rolle. Sie wollten von den Ärzten als gleichrangige und kompetente unabhängige Professionelle<br />

wahrgenommen werden. Letzteres geht am besten in einer interdisziplinären Zusammenarbeit, etwas, was<br />

sich leider nicht in den gegebenen Beziehungen widerspiegelte. (Peplau 1999/66: 35). In diesem Zusammenhang<br />

haben Führungskräfte, d.h. die PflegedienstdirektorInnen nicht immer im Sinne der hochqualifizierten Pflegekräfte<br />

gehandelt, sondern den Ärzten nachgegeben. Das eingespielte Beziehungsmuster Pflege-Medizin wurde<br />

dann in den 60er Jahren <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts in Frage gestellt. Es wurde viel über die Identität der Pflege gesprochen,<br />

dass die Pflege einzigartig und etwas von der Medizin Verschiedenes sei. Erst wenn Medizin und<br />

Pflege, d.h., wenn beide Professionen sich voll entwickelt haben, würden sie sich komplementär zu einander<br />

verhalten. Diese Auffassung wurde auch von Peplau lange vertreten. Hiernach sind Pflege und Medizin zwei unterschiedliche,<br />

gleichwohl teilweise und zeitweise aufeinander bezogene Professionen68 . Auch wenn sie den<br />

arztabhängigen Bereich, in dem die Pflegekraft die Verordnungen <strong>des</strong> Arztes ausführt und für diesen eine assistierende<br />

Funktion wahrnimmt, anerkannte, sah sie die Notwendigkeit, dass die Pflegekraft den Verhaltensweisen<br />

<strong>des</strong> Patienten in Bezug auf seine Krankheit größere Aufmerksamkeit schenken sollte. Sie lehnte die Vorstellung<br />

von der Pflegekraft als ‚Dienstmädchen <strong>des</strong> Arztes’ ab. Die Verantwortung der Pflegekraft bezieht sich in erster<br />

Linie auf den Patienten. (s. Gastman 1998: 1314). Peplaus Sicht auf diese Dinge hat sich im Laufe der Zeit verändert.<br />

In dem erwähnten Interview mit Spray erklärt sie, dass es für sie inzwischen wichtig sei, die zwischen<br />

Medizin und Pflege bestehenden Beziehungen (linkages) auf der Basis von Wissen zu klären. Bisher unterliegt<br />

diese Beziehung eher den Wechselfällen <strong>des</strong> Lebens (Forschungsergebnissen, Modetrends, Macht, Interessen<br />

etc.). An diese Einsicht Peplaus muss heute angeknüpft werden, um das traditionelle, ideologisch begründete<br />

Beziehungsmuster zwischen Medizin und Pflege in beiderseitigem Interesse aufzubrechen und die Zusammenarbeit<br />

aufgrund eines Verständnisses <strong>des</strong> Zusammenhangs zwischen medizinischem und pflegerischem Wissen neu<br />

zu ordnen. Hier ist, wie Untersuchungen zu dieser Thematik in Deutschland (Loos 2006; Sander 2009) und in<br />

anderen Ländern (Schmalenberg/ Kramer/ 2009, Vieider 2008) zeigen, noch sehr viel Arbeit zu leisten.<br />

Werden die in dieser Arbeit zusammengetragenen Erkenntnisse Peplaus abschließend aus der Perspektive der<br />

vier Phasen <strong>des</strong> Caringprozesses (Kapitel 4) betrachtet, dann muss der enge Zusammenhang zwischen dem<br />

Wissen und den Kompetenzen einer Pflegekraft und den strukturellen Rahmenbedingungen, in die die Pflegekraft-Patient-Beziehung<br />

eingebettet ist, hervorgehoben werden. Worauf sich die Aufmerksamkeit in der Pflege<br />

richtet, hängt zum einen davon ab, wie der Prozess der Pflege arbeitsorganisatorisch gestaltet wird, zum anderen<br />

davon, was in der Pflegekraft-Patient-Beziehung <strong>zur</strong> Sprache kommt. Zu den organisatorischen Konsequenzen<br />

ihrer theoretischen Überlegungen hat sich Peplau nur vereinzelt geäußert. Aber auch sie hat erkannt, dass die<br />

Pflegekraft-Patient-Beziehung durch eine entsprechende Organisationsform abgestützt werden muss. An dieser<br />

Stelle sind die Erkenntnisse von Forchuk und MitarbeiterInnen hinsichtlich der Auswirkungen eines Personalwechsels<br />

auf den Verlauf der Pflegekraft-Patient-Beziehung erhellend. Diese weisen auf die Notwendigkeit hin,<br />

die üblichen Strategien <strong>des</strong> Personaleinsatzes 69 zu überdenken. Die Arbeiten von Moyle (2003), Schafer/Middleton<br />

(2001) hingegen legen nahe, die Organisation der Pflegearbeit daraufhin zu untersuchen, welche<br />

68 Im Interview mit Spray macht Peplau darauf aufmerksam, dass sie von den Ärzten, mit denen sie während ihres Militäreinsatzes<br />

in England zusammenkam, viel über das Konzept von Profession gelernt hat, ebenso wie später am Teachers College<br />

in der Summer School über Everett Hughes. Sie hat sich intensiv mit den damaligen Vorstellungen über Profession und<br />

Professionalisierung befasst und hatte sich hiervon in den 50er Jahren eine Vorstellung erarbeitet, die in der Pflege dieser<br />

Zeit nicht weit verbreitet war. Sie setzte sich dafür ein, dass die Pflegekräfte sich mit diesem Konzept auseinandersetzten.<br />

69 Bspw. ein Wunschdienstplan, der sich einseitig an den Bedürfnissen <strong>des</strong> Personals orientiert.<br />

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