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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

wichtiger Erkenntnisse von Bezugswissenschaften (Sozial- wie Naturwissenschaften). Die von ihr entwickelten<br />

interpersonalen Konzepte bieten einen Bezugsrahmen zum Verständnis der Dilemmata, die Patienten erfahren,<br />

erleben und durchmachen. Diese liegen innerhalb <strong>des</strong> Bereichs der professionellen Pflegepraxis und fallen somit<br />

in den Zuständigkeits- und Autoritätsbereich der Pflegekraft. Dieser Bezugsrahmen unterstützt die Pflegekräfte<br />

dabei, den Patienten dabei zu helfen, ihren Reaktionen und Erfahrungen in Bezug auf Gesundheit, Krankheit und<br />

Pflege einen Sinn abzugewinnen und sie zu verstehen (Peplau 1997: 162).<br />

In Anlehnung an Peter Drucker ist sie davon überzeugt, dass Wissen nur in seiner Anwendung existiert. In der<br />

heutigen Wissensgesellschaft müssen die Pflegekräfte die mit der Wissensproduktion einhergehenden gewaltigen<br />

sozialen Veränderungen erkennen und verstehen. Ebenso müssen sie den Einfluss dieser Entwicklungen auf<br />

die Pflegeprofession und vor allem auf das Leben der von ihnen gepflegten Menschen verstehen. Eine Organisationsform<br />

wie die Primäre Pflege bietet im Krankenhaus der primären Pflegekraft die Chance, ihr Wissen über<br />

jeden der von ihr gepflegten Patienten zu maximieren (Peplau 1997: 163). Dies kann begünstigt werden, wenn<br />

die Geschehnisse in der Pflegekraft-Patient-Beziehung einer kritischen Reflexion unterzogen werden. Darüber<br />

wird ein vertieftes Verständnis und eine Weiterentwicklung der in der Pflege relevanten Phänomene ermöglicht.<br />

Die Notwendigkeit, das professionsspezifische Wissen und die Kompetenzen der Pflege kontinuierlich weiter zu<br />

entwickeln, ergibt sich für Peplau aus den gesellschaftlichen Veränderungen, die mit dem Wechsel von der Industriegesellschaft<br />

<strong>zur</strong> Dienstleistungsgesellschaft verbunden sind. Hiernach werde es immer wichtiger, dass das<br />

in dieser Beziehung herzustellende Produkt ein bestimmbares und mit der Pflege verbundenes Ergebnis ist. Peplau<br />

hat sehr klar erkannt, dass sich der Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich60 einer Profession aufgrund gesellschaftlicher<br />

Entwicklungen wandeln kann, dass sich die Grenzen zwischen Professionen verschieben können,<br />

was in der Folge auch zum Sterben von Professionen oder Teilen derselben führen kann.<br />

Aus Peplaus theoretischem Ansatz und ihrem Verständnis der Pflege lassen sich Methodologien und Handlungsstrategien<br />

für die Gestaltung der pflegerischen Dienstleistungssituation ableiten. Eine zentrale Aussage<br />

besteht darin, dass das Selbst der Pflegekraft ihr wichtigstes ‚Handwerkszeug’ in der Beziehung zum Patienten<br />

ist. Es ist ihr Medium <strong>zur</strong> Gestaltung der Pflegekraft-Patient-Beziehung. Hierbei kommen der Pflegekraft ihre<br />

Fähigkeit <strong>zur</strong> Kommunikation, <strong>zur</strong> Beobachtung und ihre interpersonalen Fähigkeiten zu gute. Die teilnehmende<br />

Beobachtung ist ein anderes wichtiges Mittel, das sich auf die Pflegekraft selbst, auf den Patienten und auf das<br />

fokussiert, was in der Beziehung vonstatten geht. Das im Mittelpunkt stehende Thema oder Problem oder die<br />

Beziehung wird zunächst erkannt und sodann von der Pflegekraft und dem Patienten untersucht bzw. erkundet.<br />

Hierbei werden Beziehungen herausgearbeitet, z.B. welche Beziehung zwischen einem bestimmten Verhaltensmuster<br />

<strong>des</strong> Patienten und dem Handeln der Pflegekraft besteht oder zwischen einem Verhaltensmuster und der<br />

Reaktion <strong>des</strong> Patienten auf Schmerz. Weiter wird beobachtet, welche Verlaufsmuster die im Mittelpunkt der Beziehung<br />

stehenden Phänomene haben. Eine solche teilnehmende Beobachtung erfordert die entschlossene Selbstuntersuchung<br />

der Pflegekräfte und eine absolut ehrliche Einschätzung ihres Verhaltens in der Interaktion mit<br />

dem Patienten. Durch die Beobachtung und Analyse ihres eigenen Verhaltens werden sich die Pflegekräfte ihrer<br />

Bedürfnisse, Intentionen und Botschaften, die sie den Patienten mitteilen, mehr bewusst. Eine andere Form der<br />

Beobachtung bezeichnet Peplau als ‚empathic linkage’ 61 (Peplau 1997: 162, Pkt. 5.4.1). Die kontinuierliche<br />

60 Aufgrund der Entwicklung der psychiatrischen Pflege ist die Pflege gezwungen, ihr Verständnis einer fortgeschrittenen<br />

psychiatrischen Pflegepraxis (advanced practice), die humanistisch und psychosozial orientiert ist, zu entwickeln (Peplau in<br />

Spray 1999: 31). Peplau sieht die Gefahr, dass die psychiatrische Pflege als Feld verschwindet, wenn die zwischen Neuroscience<br />

und dem psychosozialen Verhalten bestehenden Beziehungen deutlich werden. Die Pflege könnte verschwinden, weil<br />

es ‚nichts mehr zu tun gibt’.<br />

61 Wenn die Pflegekraft in sich die Angst <strong>des</strong> Patienten spürt, kann sie diesen direkt fragen, was seine Gefühle in diesem<br />

Moment sind. Auf diesem Weg validiert sie das Gespürte und eröffnet den Weg für einen direkten Umgang mit dem Angstgefühl.<br />

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