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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

sozialen Kontexten zu entwickeln, durch die die Jugendlichen wiederum Reintegration und Wohlbefinden erfahren<br />

können.<br />

Mit ihrer Arbeit hat Peplau nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Verständnis <strong>des</strong> Handelns in Beziehungen58 geleistet, sondern auch einen wichtigen Schritt <strong>zur</strong> theoretischen Begründung <strong>des</strong> Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs<br />

der Pflege als Profession getan. Peplau (1992a: 54) grenzt sich mit ihrem Ansatz deutlich vom<br />

Ansatz Nightingales ab. Letzteren bezeichnet sie als ‚activity-oriented’, da er die Pflegepraxis als etwas beschreibt,<br />

was eine Pflegekraft für einen Patienten tun könnte, sollte oder tut. Ein zentrales Manko <strong>des</strong> ‚activityorientierten’<br />

Ansatzes besteht darin, dass er die Beziehungen, die zwischen den einzuschlagenden Handlungen<br />

einer Pflegekraft und ihrer Notwendigkeit in Bezug auf den Zustand <strong>des</strong> Patienten bestehen, ebenso wenig klärt<br />

wie die Beziehungen, die zwischen diesen Handlungen und den (Aus-) Wirkungen bestehen, die in Bezug auf<br />

den Zustand <strong>des</strong> Patienten hervorgerufen werden sollen. Weiter vermisst Peplau in Nightingales ‚Notes on<br />

Nursing’ Aussagen über Probleme, Bedürfnisse oder Sorgen <strong>des</strong> Patienten. Mit ihrer Arbeit wollte sie die von<br />

Nightingale hinterlassene Lücke füllen. Eine andere, für den Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich der Pflege<br />

wichtige Wende besteht darin, dass Peplau (1954 in O’Toole/Welt 1989: 20) sich mit ihrem auf den Patienten<br />

bezogenen Ansatz radikal von einer Pflege der Krankheit abwendet und damit von einer Vorstellung, die in der<br />

amerikanischen psychiatrischen Pflege bis weit in die 40er Jahre <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts vorherrschte59 . Bei der<br />

Entwicklung <strong>des</strong> pflegerischen Wissenssystems und der Klärung <strong>des</strong> pflegerischen Zuständigkeitsbereichs kam<br />

der psychiatrischen Pflege nach dem Zweiten Weltkrieg eine zentrale Rolle zu (s. auch Silverstein 2008). So<br />

wurden für die Integration psycho-sozialer bzw. wichtiger Aspekte der psychiatrischen Pflege in die allgemeine<br />

Pflegeausbildung ‚Grants’ (Finanzmittel) bereitgestellt. Diese und andere allgemeine Entwicklungen begünstigten<br />

die Artikulation theoretischer Vorstellungen von Pflege. Dies fand in einem Umfeld statt, wo sich die amerikanische<br />

Pflege nach Peplau in einer ‚Identitätskrise’ befand, die durch Veränderungen im Pflegeberuf als Folge<br />

einer sich rapide verändernden medizinischen Versorgung hervorgerufen worden war. Hierzu zählten Impfungen,<br />

der Einsatz von Antibiotika und als Folge davon, die Reduzierung der Verweildauer. Es schien als habe eine<br />

immer anspruchsvollere Medizintechnologie die zuvor hoch geschätzten langen Stunden der Pflegekraft am Bett<br />

<strong>des</strong> Kranken in vielen Fällen regelrecht überflüssig gemacht. Die Pflege war das erste Mal in ihrer Geschichte<br />

gezwungen, die oftmals abschätzig gemeinte Frage, was Pflege sei, zu beantworten. Eine erste entscheidende<br />

Antwort hierauf erfolgte 1972 mit dem überarbeiteten ‚Nursing Practice Act’ <strong>des</strong> Staates New York, in dem die<br />

Pflege als<br />

„Diagnose und Behandlung von menschlichen Reaktionen auf aktuelle und potenzielle Gesundheitsprobleme“<br />

definiert wurde (s. Peplau 1992a: 52).<br />

Diese Definition wurde später im Social Policy Statement der American Nurses Association (ANA) aufgegriffen<br />

(s. Kap. 4). Von den zwei im ‚Tentative Code for the Nursing Profession’ der ANA enthaltenen Vorstellungen<br />

<strong>zur</strong> Rolle der Pflegekraft vertrat Peplau (s. Gastman 1998: 1313) eindeutig jene, in der die Pflege als Profession<br />

verstanden wurde. Dies spiegelt sich in ihren Bemühungen wieder, den spezifischen Fokus der Pflege zu beschreiben.<br />

Sie rief die Pflegekräfte auf, die Zuständigkeit für die Pflege einzufordern, den Patienten beim Erwerb<br />

intellektueller und interpersoneller Kompetenzen zu unterstützen, die über jene hinausgehen, die er zum Zeitpunkt<br />

der Krankheit hatte. Aus diesem Grund sollte der Fokus der Pflegepraxis auf die Entwicklung dieser<br />

Kompetenzen im Rahmen der Interaktionen in der Pflegekraft-Patient-Beziehung ausgerichtet sein (s. Peplau<br />

1969b in O’Toole/Welt 1989: 238). Peplau betrachtet die Pflege als eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin,<br />

die praxisrelevante Fragen auf der Basis der Pflege selbst zu klären versucht. Hierbei bedient sie sich auch<br />

58 Peplau versteht Pflege als Kunst; was vergleichbar mit dem ist, was Ulrich Oevermann als Kunst- und Handlungslehre<br />

bezeichnet.<br />

59 In dieser Zeit war die Pflege größtenteils eine Mischung aus Aktivitäten, die von einer modifizierten Mutterrolle abgeleitet<br />

wurden, und sie bestand eher in einem Disziplinieren der Patienten und einer verwahrenden begleitenden Versorgung. Diese<br />

Rolle war aufs engste mit der Rolle der Arztassistenz verwoben.<br />

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