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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

sich bringen. Weiter besteht eine Tendenz beim Handeln in Beziehungen darin, sich um das zu organisieren, was<br />

jede Person von sich selbst denkt. Die Präsentation <strong>des</strong> Selbst der Pflegekraft in Bezug auf den Patienten und in<br />

Bezug auf andere innerhalb <strong>des</strong> Gesundheitssystems erfordert ein Bewusstsein der unterschiedlichen Erfordernisse<br />

<strong>des</strong> professionellen Handelns in verschiedenen Arbeitsbeziehungen. Die Pflegekraft-Arzt-Beziehung hat<br />

andere Erfordernisse als die Pflegekraft-Patient-Beziehung oder die Beziehung zwischen Pflegekraft und Pflegekraft.<br />

Dass die Pflegekraft-Patient-Beziehung Wandlungen ausgesetzt ist, veranschaulicht auch Beeber (1995). Sie<br />

analysierte die Fachliteratur <strong>zur</strong> Pflegekraft-Patient-Beziehung56 in der Zeit von 1974 bis 1994. Sie beschreibt,<br />

dass die Entwicklung <strong>des</strong> Wissens hierüber im Bereich der Psychiatrie im Laufe der Zeit den Wechselfällen <strong>des</strong><br />

Lebens ausgesetzt war. Bis etwa Mitte der 1970er Jahre wurde in Artikeln über diese Beziehung publiziert, danach<br />

sank das Interesse daran. Gleichzeitig wurde in den seinerzeit zahlreich veröffentlichten Lehrbüchern die<br />

von Peplau beschriebene Eins-zu-eins-Beziehung immer wieder erwähnt, wohingegen neueres Pflegewissen in<br />

diesen Büchern nahezu unerwähnt blieb. Eine andere Entwicklung bestand darin, die Einzigartigkeit der Pflegepraxis<br />

im Bereich der psychiatrisch-geistigen Gesundheit im Verhältnis zu anderen Spezialisten in diesem Bereich<br />

herauszuarbeiten. Dies führte u.a. <strong>zur</strong> Herausbildung der Psychotherapie in der Pflege um den Preis einer<br />

‚verzerrten Pflegeidentität’ im Vergleich zu den anderen Gesundheitsberufen. In diesem Zusammenhang wurden<br />

Entwicklungen aus anderen Praxistraditionen übernommen. Dabei wurden Entwicklungen, wie sie u.a. Peplau<br />

geleistet hat, aus dem Auge verloren. Aranda/Street (1999) referieren den allgemeinen Wandel, dem die Pflegekraft-Patient-Beziehung<br />

seit den 60er Jahren ausgesetzt war. Der damit verbundene Bruch zeigt sich im langsamen<br />

Wandel <strong>des</strong> Patienten vom einem ‚Objekt’ der Medizin57 zu Beginn <strong>des</strong> 20. Jahrhundert hin zu einem ‚Subjekt’<br />

mit spezifischen Erfordernissen gegen Ende <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts.<br />

Inzwischen wird zunehmend erkannt, dass die Pflegekraft-Patient-Beziehung für das Erreichen pflegerischer<br />

Ziele wichtig ist, ebenso dass eine solche nicht einfach zu erreichen ist. Weiterhin liegt wenig Wissen über<br />

‚nicht-therapeutische Pflegekraft-Patient-Beziehungen’ vor. Wendy Moyle (2003) macht auf die Notwendigkeit<br />

aufmerksam, sich hiermit zu befassen. Neben problematischen Handlungsweisen der Pflegekräfte müssen auch<br />

organisatorische Muster aufgedeckt werden, die einer therapeutischen Pflegekraft-Patient-Beziehung im Wege<br />

stehen. Dies ist ein gesellschaftliches und strukturelles Problem (s. Schafer/Middleton 2001).<br />

In diesem Kontext erlaubt die Kenntnis der von Peplau beschriebenen und begründeten Konzepte einen anderen<br />

Umgang mit den Verhaltensweisen und den damit verbundene Handlungsweisen <strong>des</strong> Patienten wie der Pflegekraft,<br />

wenn sie in der Pflegekraft-Patient-Beziehung relevant werden. Weitere wichtige Konzepte im Kontext<br />

dieser Beziehung sind: Angst, Einsamkeit, Vertrauen, Abhängigkeit in der Pflegekraft-Patient-Beziehung, Verhaltensweisen<br />

der Pflegekraft wie Empathie (Lego 1995: 84f). Rene Geanellos (2002) geht darauf ein, wie Pflegekräfte<br />

und Jugendliche die Arbeitsbeziehung wahrnehmen. Ein zentrales Ergebnis war, dass die Pflegekräfte<br />

ihre Bemühungen darauf richten, einen möglichen Wandel anzuleiten und ein für die Jugendlichen positives Ergebnis<br />

zu erzielen. Deshalb strebten die Pflegekräfte danach, die Jugendlichen bei den Änderungen ihrer Gedanken,<br />

Gefühle oder Verhaltensweisen zu unterstützen, soweit diese eine wirksame Funktionsweise in ihnen selbst,<br />

in ihren Beziehung zu anderen oder innerhalb sozialer Systeme behindern. Diese Arbeit bezeichnet Geanellos<br />

(2002: 181f) als ‚Pflege eines funktionsfähigen Selbst’. Dieses Element <strong>des</strong> Praxiswissens bezieht sich auf die<br />

Art, wie Pflegekräfte Barrieren aufbrechen, die eine Änderung behindern, und wie sie den Jungendlichen dabei<br />

helfen, funktionstüchtigere Formen <strong>des</strong> Denkens, Fühlens und Handelns in persönlichen, interpersonalen und<br />

56 Andere wichtige theoretische Beiträge <strong>zur</strong> Pflegekraft-Patient-Beziehung in der Psychiatrie, die Beeber (1995: 12) als<br />

‚specialty theory’ bezeichnet, stammen von Orlando, Mellow und Ujhely.<br />

57 Der Objektcharakter <strong>des</strong> Patienten korreliert mit dem Objektcharakter der Pflegekraft, die als jemand betrachtet wurde, die<br />

jederzeit und durch jede andere Kraft ersetzbar ist.<br />

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