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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

arbeiten, was in der Regel mit einem Energieaufwand, mit Anstrengungen, mit dem Verarbeiten von Verlusten<br />

etc. verbunden ist. Hier ist die volle Wachsamkeit der Pflegekraft in der interpersonalen Beziehung gefordert,<br />

wenn sie den Patienten bei der von ihm zu leistenden Arbeit unterstützen will. Durch ihr Handeln trägt die Pflegekraft<br />

dazu bei, den Patienten zu befähigen, die mit pflegerischen Handlungen verbundenen Erfahrungen in<br />

sein Leben zu integrieren, Aspekte aus früheren Erfahrungen in der Pflegesituation wiederzubeleben, und zu klären,<br />

welche besprochen und einer Rekonstruktion zugeführt werden können. Es handelt sich um komplexe und<br />

höchst subtile Vorgänge, nicht zuletzt auch <strong>des</strong>halb, weil die Erfahrungen <strong>des</strong> Menschen ‚die Schnittstelle zwischen<br />

seiner äußeren und inneren Umwelt’ sind. Ausgangspunkt pflegerischer Lernprozesse sind die Erfahrungen<br />

und Möglichkeiten <strong>des</strong> Patienten. Mit ihren Hinweisen zum Selbst und darauf, wie Veränderungen bewirkt<br />

werden können, macht Peplau unmissverständlich deutlich, dass die Pflege es mit Änderungsprozessen <strong>des</strong><br />

Selbst zu tun hat, die den betroffenen Menschen im Kern berühren.<br />

Im Mittelpunkt stehen die Handlungen und Reaktionen aller in die pflegerische Situation involvierten Personen.<br />

Auch wenn letztere nicht real anwesend sein müssen, können sie Einfluss auf das Handlungsgeschehen nehmen.<br />

Peplau lehnt sich bei ihren Situationsverständnis an die Definition von W.I. Thomas (Peplau 1995: 107) an. Sie<br />

greift die im Thomas-Theorem formulierten Gedanken auf, wonach der prozessuale Charakter pflegerischen<br />

Handelns einmal geprägt wird durch das Zusammenwirken von Erwartungen, Vorurteilen, Wünschen und Begierden,<br />

zum anderen durch die in der Beziehung und Interaktion virulent werdenden Gefühle. Ihr Handlungsverständnis<br />

wird davon geleitet, dass Menschen handeln müssen, um ihren biologischen und interpersonalen Bedürfnissen<br />

Rechnung zu tragen. In der Art und Weise, wie Patienten ihren Bedürfnissen Ausdruck verleihen und<br />

dafür sorgen, dass ihnen Rechnung getragen wird, kommt erneut die schon erwähnte Musterintegration zum<br />

Tragen. Dieser Aspekt findet sich bei Mead, verstärkt aber bei Dewey, wenn sie die Bedeutung von Gewohnheiten<br />

für das menschliche Handeln diskutieren53 . Dieser Aspekt wird bei der Rezeption der in Phasen ablaufenden<br />

Pflegekraft-Patient-Beziehung leicht übersehen ebenso wie der Umstand, dass die beschriebenen Phasen einer<br />

solchen Beziehung nicht automatisch durchlaufen werden. Jede Pflegekraft-Patient-Beziehung hat einen Anfang<br />

und ein Ende, innerhalb dieses Zeitrahmes kann sich die Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient entwickeln.<br />

Wie die Untersuchungen von Forchuk54 (1992, 1993, 1994, 1995) und MitarbeiterInnen (1998a,b, 2000)<br />

belegen, hängen der Verlauf, die Dauer der einzelnen Phasen und die Qualität <strong>des</strong> in der Beziehung erreichten<br />

Ergebnisses vom Handeln der dabei involvierten Personen ab, vom Gelingen <strong>des</strong> Übergangs von einer Phase in<br />

die nächste und nicht zuletzt auch von organisatorischen Aspekten wie der Personaleinsatzplanung.<br />

Was den pflegerischen Funktionskreis angeht, hat Peplau mit ihrem Ansatz einen wichtigen Beitrag <strong>zur</strong> Entwicklung<br />

<strong>des</strong> pflege- und professionsspezifischen Wissenssystems geleistet und aufgezeigt, wie dieser praktisch<br />

ausgefüllt werden kann. Mit ihrem Ansatz erhält der pflegerische Funktionskreis einen interpersonalen Bezugsrahmen.<br />

Dieser gedankliche Rahmen bietet einer Pflegekraft bei der Pflege eines Patienten, d.h. bei deren Organisation<br />

(Ablauf, zeitliche Folge etc.) und Durchführung (was, wie) eine Handlungsorientierung. Er ist fall- und<br />

prozessbezogen sowie zeitlich limitiert. Das, was konkret in dieser Beziehung passiert und erreicht werden kann,<br />

entwickelt sich im Verlauf dieser Beziehung und ist an das konkrete Handeln von Patient und Pflegekraft gebun-<br />

53 Für die Pflege ist es wichtig, nicht nur dem Zusammenhang zwischen den Bedürfnissen und den Gewohnheiten auf die<br />

Spur zu kommen, um Strategien für ein gesundheitsfördern<strong>des</strong> Handeln entwickeln zu können, sondern die vielen Ähnlichkeiten,<br />

die zwischen Gewohnheiten und Bedürfnissen/Erfordernissen bestehen, aufzudecken. Dass hier ein Bedarf besteht,<br />

hat Peplau erkannt.<br />

54 Forchuk hat Verlauf und Entwicklung dieser Phasen studiert. Cherill Stockmann (2005) versuchte der Relevanz von Peplaus<br />

Theorie der interpersonalen in Beziehungen in der Pflege im Rahmen einer Literaturrecherche <strong>zur</strong> Pflegekraft-Patient-<br />

Beziehung in der Psychiatrie auf die Spur zu kommen. Dabei stellte sie fest, dass das Wissen hierüber ungeachtet der Bedeutung,<br />

die dieser Beziehung in psychiatrischen Lehrbüchern beigemessen wird, begrenzt ist und Forschungserkenntnisse zum<br />

Verlauf dieser Beziehung sich auf die Studien von Forchuk und MitarbeiterInnen beschränken. Die Ursache, warum keine<br />

US-amerikanischen Untersuchungen zu diesem Thema vorliegen, könnte in der unterschiedlichen Organisation der Gesundheitssysteme<br />

in Kanada und den USA liegen.<br />

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