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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

klar ist, weshalb er Energien in die Beziehung investiert. Der Bedarf an Hilfe bildet zugleich den Hintergrund,<br />

vor dem das Lernen <strong>des</strong> Patienten stattfindet. Die Art, wie der Patient um Hilfe nachsucht und wie er die damit<br />

einhergehenden Bedürfnisse artikuliert, ermöglicht es der Pflegekraft, das Niveau der interpersonalen Fähigkeiten<br />

<strong>des</strong> Patienten zu erkennen und einzuschätzen. Die wesentliche Aktivität <strong>des</strong> Patienten besteht darin, das<br />

Ausmaß seiner gegenwärtigen Schwierigkeiten zu verstehen und die mögliche Hilfe zu erkennen (Sills/Beeber<br />

1995: 40). Dabei begegnen sich beide zunächst als Fremde. Im ersten Kontakt treffen ihrer beider jeweilige Sicht<br />

auf das eigene Selbst aufeinander. Hierbei können bei beiden eventuell vorhandene Einstellungen, Verhaltensweisen,<br />

Gefühle oder Erfahrungen aus früheren Beziehungen reaktiviert werden. Die Klärung der Schwierigkeiten<br />

<strong>des</strong> Patienten wird in dieser Phase durch die Untersuchung <strong>des</strong> interpersonalen Prozesses, wie er sich aus der<br />

Begegnung ergibt, unterstützt. Die erste Aufgabe der Pflegekraft besteht daher im aktiven Zuhören und Verstehen<br />

der Handlungsweisen <strong>des</strong> Patienten sowie darin, ihm zu helfen, sein momentanes Erleben in Worte zu fassen.<br />

Darüber hinaus muss sich die Pflegekraft ihre eigenen Reaktionen auf den Patienten und sein Verhalten<br />

klarmachen und erkennen, welchen Einfluss bei<strong>des</strong> auf ihr eigenes Handeln und auf ihre Gefühle hat. Ein anderer<br />

wichtiger Aspekt ist die Überprüfung vorliegender Vorurteile46 auf beiden Seiten. Insgesamt kommt der<br />

(teilnehmenden) Beobachtung in dieser Phase eine zentrale Rolle zu. Sie bildet die Grundlage für die Einschätzung<br />

der Lernbedürfnisse <strong>des</strong> Patienten durch die Pflegekraft. Der Patient und die Pflegekraft lernen sich über<br />

den Prozess der Klärung der Probleme allmählich kennen und bauen eine gegenseitige Vertrauensbasis auf. Dabei<br />

versucht die Pflegekraft, dem Patienten dabei zu helfen, seine Spannungs- und Angstenergien auf problemlösende<br />

Aktivitäten umzulenken. Diese Phase kann einige Minuten, es kann aber auch je nach Kontext und Organisation47<br />

sehr viel länger dauern (Sills/Beeber 1995: 41, Forchuk 1993: 9, 1998a, 2000), bis der Übergang in die<br />

nächste Phase erfolgen kann.<br />

5.4.3.2 ARBEITSPHASE: PHASE DER IDENTIFIKATION UND NUTZUNG<br />

In der aus den Teilphasen Identifikation und Nutzung bestehenden Arbeitsphase, findet die eigentliche Arbeit<br />

statt (s. Forchuk 1993: 9). Für die pflegerische Arbeit und für die Gestaltung der Pflegekraft-Patient-Beziehung<br />

ist die Pflegekraft auf eine allgemeine Vorstellung davon angewiesen, wie der Patient sich selbst und seine gegenwärtigen<br />

Gesundheitsprobleme sieht. Die zu bearbeitenden Probleme werden vom Patienten und der Pflegekraft<br />

gemeinsam identifiziert, wobei es um ein gemeinsam geteiltes Verständnis derselben geht. Die Identifikation<br />

wird von Peplau im Sinne von Engagement (Sills/Beeber 1995: 42) verstanden und besagt, dass der Patient<br />

nach einer Ebene <strong>des</strong> Einvernehmens mit der Pflegekraft sucht, wobei er sich an früheren, ähnlichen Erfahrungen<br />

orientiert. In dieser Teilphase der Identifikation ist es wichtig zu erkennen, wie der Patient auf Hilfsangebote<br />

eingeht und nach welchen Mustern er die Beziehung <strong>zur</strong> Pflegekraft strukturiert. Erste Hinweise hierzu erhält die<br />

Pflegekraft aus der Art, wie ein Patient sich während <strong>des</strong> ersten Kontaktes bei der Erhebung der Pflegeanamnese<br />

auf sie bezieht oder wie er sich auf sie bezieht, wenn er die angebotene Hilfe in Anspruch nimmt. Hieraus ergeben<br />

sich die entscheidenden Hinweise für die Gestaltung der pflegerischen Situation, für den Verlauf der pflegerischen<br />

Arbeitsprozesse, für die Entwicklung, Aufrechterhaltung und schließlich die Beendigung der pflegerischen<br />

Beziehung. Der Patient kann auf die ihm zuteil werdende Pflege reagieren<br />

• „auf der Basis der Teilnahme bzw. einer wechselseitigen Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient<br />

• auf der Basis der Unabhängigkeit oder der Isolation, d.h. mit einer Gegenreaktion auf die angebotene<br />

Hilfe<br />

• auf der Basis der Hilflosigkeit oder Passivität, d.h. mit Abhängigkeit von der Pflegekraft“ (s. Peplau<br />

1995: 57).<br />

46 Die Klärung von vorgefassten Meinungen ist, wie Forchuk in zwei Studien gezeigt hat, wichtig, um über die Orientierungsphase<br />

hinaus zu gelangen (s. Forchuk 1994, 1995, Peplau 1997).<br />

47 Dass die Organisation der Pflege bei Patienten, die an einer chronischen psychischen Erkrankung leiden ein wichtiger Faktor<br />

ist, hat Forchuk (1992, 1998a, 2000) in verschiedenen Studien belegen können. Der Wechsel <strong>des</strong> Personals kann dazu<br />

führen, dass der Patient wieder in die Orientierungsphase <strong>zur</strong>ückfällt bzw. diese länger anhält.<br />

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