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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 1<br />

wusste und geplante Pflege15 . Sie haben Spuren in den an den Colleges und <strong>Universität</strong>en entstandenen Ausbildungsgängen<br />

hinterlassen, wie das Beispiel der School of Nursing an der Yale <strong>Universität</strong> zeigt. Diese hatte von<br />

der Rockefeller Foundation Geld für einen Modellversuch erhalten, in dem zum einen der Inhalt <strong>des</strong> Pflegewissens<br />

untersucht wurde, zum anderen nach geeigneten Unterrichtsmethoden wie bspw. der ‚Fallstudie’ 16 gesucht<br />

wurde, die den Anforderungen einer akademischen Ausbildung entsprachen. Mit den verschiedenen Methoden<br />

sollte Lernen durch reflektierte Erfahrung ermöglicht werden. Harmer (in Birnbach/Lewenson 1991: 53) bezieht<br />

sich auf John Dewey17 (1859-1952), Philosoph und Reformpädagoge. Dieser ging davon aus, „dass der Prozess<br />

<strong>des</strong> Lernens Teil einer aktiven Lösung eines sozialen Problems sein sollte, da dieses die beste Grundlage ist, dem<br />

Lernenden den sozialen Wert <strong>des</strong> Wissens zu veranschaulichen". Er legte die Betonung auf die Interessen der<br />

Lernenden. Er forderte Methoden der aktiven Einbeziehung der Lernenden, Gruppenarbeit und Kooperation.<br />

Diese basierten auf der Vorstellung von der sozialen Aufgabe, die der Schule in einer industrialisierten Welt zukommt.<br />

Übertragen auf die Pflege orientierte sich der hier erprobte Ansatz der Fallmethode an den Bedürfnissen<br />

<strong>des</strong> einzelnen Patienten, für den ein Pflegeprogramm (program of nursing) erstellt werden musste.<br />

Mit der Einrichtung dieser Studiengänge wurde eine erste Basis für die Herausbildung <strong>des</strong> Gegenstandsbereichs<br />

der Pflege und der Pflegewissenschaft gelegt. Hierbei setzte sich bei den beteiligten Pflegekräften immer mehr<br />

die Idee durch, dass die Pflege etwas von der Medizin Verschiedenes ist und dass beide Bereiche auf Kooperation<br />

angewiesen sind. Erste Ansätze, den Gegenstandsbereich der Pflege von dem der Medizin zu differenzieren,<br />

sind erkennbar. So weist etwa Emily Covert vehement Flexners Behauptung <strong>zur</strong>ück, wonach die Pflege weder<br />

eine originäre Verantwortung noch Letztverantwortung habe und wonach es der Arzt sei, der beobachtet, reflektiert<br />

und entscheidet, während die ausgebildete Pflegekraft ihren Verstand loyal seiner Theorie und Politik etc.<br />

unterordnet. Covert (1917: 108) behauptet, dass die Pflege kein Zweig der Medizin ist, auch wenn ihr Ursprung<br />

wie der der Medizin in der Heilkunst liegt. Sie versteht Pflege als eine angewandte Wissenschaft, die in Bezug<br />

auf eine sichere Praxis auf Theorien und Wissen angewiesen ist, die und das sie aus den verschiedenen Wissenschaften<br />

bezieht. Offenbar hatte die erwähnte Yale School of Nursing in dem eingeleiteten Differenzierungsprozess<br />

der Pflege von der Medizin eine Pionierrolle inne. Hier wurden die Gedanken führender Pflegekräfte, wonach<br />

der Pflegebedarf und die Gesundheit <strong>des</strong> Einzelnen und der Gesellschaft im Mittelpunkt der beruflichen<br />

Pflege stehen, konsequent aufgegriffen. Dies belegt auch der hier entwickelte methodische Ansatz der Fallstudie,<br />

mittels derer der Pflegebedarf <strong>des</strong> zu pflegenden Patienten festgestellt wurde. Dieser erste Ansatz einer systematisch<br />

am individuellen Patienten ausgerichtete Pflege wurde zugleich beforscht. Mit der Übertragung der<br />

Fallstudie als Fallmethode auf die Organisation der Pflege wurde darüber hinaus ein erster Ansatz für eine am<br />

Patienten orientierte, professionelle Arbeitsform vorgelegt, bei der den Pflegekräften bzw. Studierenden Patienten<br />

anstelle von Tätigkeiten zugewiesen wurden. Die Fallmethode stellte damit eine Alternative <strong>zur</strong> funktionalen<br />

Methode bzw. <strong>zur</strong> Funktionspflege dar (s. Mischo-Kelling 2003, 2007a). Weiter unterschied sich der in der Yale<br />

School of Nursing modellhaft erprobte pädagogische Ansatz John Deweys radikal von autoritären Ansätzen der<br />

Vermittlung von Wissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das in der Yale School of Nursing ange-<br />

15 Die Vorstellungen zu einer ‚umfassenden Pflege‘ ließen sich offensichtlich eher im Bereich der Ausbildung umsetzen als<br />

im Krankenhaus. Hier hatte die Bezugnahme auf eine ‚umfassende Pflege‘ bei der Definition der einzigartigen und<br />

unabhängigen Fachkompetenz (Expertise) der Krankenhauspflege eine ideologische Funktion (s. Boschma 1997: 168).<br />

16 Diese Methode hat offenbar eine gewisse Resonanz gefunden und die Entwicklung einer anderen Methode der<br />

Arbeitsorganisation nach sich gezogen. Hierbei handelt es sich um die Zuweisung von Patienten zu einzelnen Pflegekräften,<br />

d.h. um die sog. Fallmethode (case form of assignment) (s. Hodgkins in Birnbach/Lewenson 1991: 73ff; Mischo-Kelling<br />

2003, 2007a).<br />

17 Aufgrund eines fehlenden Hinweises kann nicht nachvollzogen werden, auf welches Werk bzw. Aufsatz von Dewey<br />

Harmer sich bezieht. Zu diesem Zeitpunkt waren folgende Bücher Deweys veröffentlicht: How to Think (1910/1997),<br />

Democracy and Education (1916), Human Nature and Conduct (1922). Im Jahr 1925, als Harmer ihren Aufsatz<br />

veröffentlichte, kam von Dewey das Buch Experience and Nature heraus. Nach Boschma et al. (2009: 2687) stimmte die<br />

Idee <strong>des</strong> ‚aktiven Lernens‘ von Dewey mit Harmers Vorstellungen überein.<br />

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