09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 5<br />

rungen <strong>des</strong> täglichen Lebens wie der Krankheitserfahrung selbst in Gang zu setzen (s. auch Peplau 1997: 163).<br />

Die Möglichkeit der Erfahrungsbildung ist keine einseitige Sache. Sie besteht für alle an der Situation beteiligten<br />

Personen. Wie sehr sich der Patient in der Beziehung aufgehoben und verstanden fühlt, hängt in starkem Maße<br />

von den persönlichen Fähigkeiten der Pflegekraft ab. Wie die hier gemachten Erfahrungen von den Beteiligten<br />

verarbeitet werden, hat sehr viel mit der Sicht beider Seiten auf ihr jeweiliges Selbst zu tun. Peplau (1995: 248f)<br />

sagt:<br />

„Die Sicht, die der Einzelne auf sich selbst hat, wird in jeder interpersonalen Beziehung riskiert; sie wird oft<br />

unwissentlich durch unterschiedliche Verhaltensweisen geschützt. Patienten, die einer konkreten Hilfe bedürfen<br />

[...] benutzen diesen Bedarf an Hilfe oft, um sich davor zu schützen, ihr Verlangen nach Abhängigsein<br />

auszudrücken. [...] Das Selbst reagiert jeweils selektiv auf die Erfahrungen und ist der Organisator und<br />

Integrator der Erfahrung“.<br />

Hier kommt zum Tragen, was ein bestimmtes Verhalten, sei es <strong>des</strong> Patienten oder der Pflegekraft, in der konkreten<br />

Situation für den Patienten im Sinne seiner Wahrnehmung dieses Ereignisse bedeutet. Dadurch erhält die<br />

Pflegekraft Hinweise darauf, wie das Verhalten dem Patienten nützt. Um das Verhalten <strong>des</strong> Patienten verstehen<br />

und im Sinne der konstruktiven Erfahrungsbildung adäquat darauf eingehen zu können, muss sie eine professionelle<br />

Beziehung zum Patienten aufbauen. Voraussetzung hierfür ist ein gewisses Verständnis der Selbst-<br />

Wahrnehmung <strong>des</strong> Patienten und seiner Sicht der gegenwärtigen Situation, vor allem auch <strong>des</strong>halb, weil nicht<br />

alle Aspekte <strong>des</strong> Selbst-Dynanismus in einer zwischenmenschlichen Beziehung gleichermaßen zum Tragen<br />

kommen. Die Pflegekraft muss sich bewusst sein, dass das Selbst <strong>des</strong> Patienten stets selektiv auf die Pflegekraft,<br />

auf die Pflege und die gesamte Versorgung bzw. auf die unterschiedlichen Facetten einer Situation reagiert. Die<br />

Pflegekraft kann das, was der Patient in ihr hervorruft, überprüfen und mit ihm daran arbeiten, eine gewisse<br />

Klarheit darüber herzustellen, wie er sich selbst und das vorhandene gesundheitliche Problem wahrnimmt. Hier<br />

zeigt sich, ob die jeweilige Arbeitsorganisation der Pflege z.B. im Krankenhaus die Aufnahme einer professionellen<br />

Beziehung zum Patienten und die Aufrechterhaltung derselben während der Dauer seines Aufenthaltes<br />

überhaupt ermöglicht (s. Nordal/Salto 1980, Peplau 1997: 163, Forchuk 1998a, 2000). Letzteres ist die Voraussetzung<br />

dafür, dass die Pflegekraft problematische Situationen erfassen und positive Kräfte beim Patienten erkennen<br />

und freisetzen kann. Indem sie dem Patienten hilft, die problematischen Elemente seiner aktuellen Situation<br />

zu bestimmen und etwas von dem herauszufinden und zu verstehen, was im Verlauf seiner Erkrankung mit<br />

ihm geschieht, tut sie bei<strong>des</strong>:<br />

• sie erweitert ihre eigenen Einsichten<br />

• und hilft dem Patienten zu wachsen (s. Peplau 1989, 1995, Sills/Beeber 1995)<br />

Auch wenn Patienten unterschiedlich auf die sich im Alltag stellenden Herausforderungen reagieren, liegt ihrem<br />

Verhalten ein für sie charakteristisches Verhaltensmuster zugrunde. Hieraus leitet Peplau für die Pflege ab, dass<br />

„die Pflegekraft sich auf den Patienten nur insoweit als auf ein Ganzes beziehen [kann], als sie fähig ist, seine<br />

ganze Persönlichkeit in seiner Ausrichtung auf sein Problem zu erkennen. Ebenso erkennt der Patient die<br />

Pflegekraft an der Art, wie sie das auftretende Problem mit ihm angeht. [...] Er sieht sie durch die Haltung,<br />

die sie gegenüber seinen Probleme offenbart, ob er sie nun als hilfreich oder als Affront gegen seine Person<br />

wahrnimmt" (Peplau 1995: 249f).<br />

Peplau hat verschiedene, in pflegerische Situationen vorkommenden ‚Verhaltensmuster’ beschrieben, deren Wesen<br />

(inklusive der Varianten), Entstehungsgeschichte, Funktionsweise (Intention, Motiv, Ziel), Modus (Form<br />

und Stil) und Art der Integration eine Pflegekraft verstehen sollte. Diese Muster können sich bspw. in der Art<br />

und Weise äußern, wie ein Patient die verschiedenen Teilaktivitäten innerhalb einer der im RLT-Modell beschrieben<br />

Aktivitäten ausführt, wie er denkt, fühlt, wie er Probleme löst oder wie er handelt. Was das Handeln in<br />

interpersonalen Beziehungen angeht, können diese Verhaltensmuster <strong>des</strong> Patienten mit den Verhaltensmustern<br />

einer Pflegekraft so zusammentreffen, dass sie sich ergänzen, dass sie gegenseitig bzw. beiderseitig sind, dass sie<br />

sich abwechseln oder dass sie im Sinne einer ‚Passung’, eines ‚Gegenstücks’ oder einer ‚Fehlanpassung’ entge-<br />

225

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!