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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

sollte der Stress dieses Ereignisses diejenige Energie mit sich bringen, auf die die Profession sich ein Anrecht<br />

sichern sollte, mit dem Fokus, den Patienten bei der Erlangung intellektueller und interpersoneller<br />

Kompetenzen zu helfen, die über diejenigen hinausgehen, die sie zum Zeitpunkt der Erkrankung hatten, indem<br />

pflegerische Praktiken in Gang gesetzt werden, welche die Erzeugung dieser Kompetenzen durch Pflegekraft-Patient-Interaktionen<br />

fördern“ (s. Peplau 1969a in O’Toole/Welt 1989: 28).<br />

Ein weiterer Verantwortungsbereich besteht in einer auf Kooperation beruhenden Zusammenarbeit mit Ärzten<br />

und anderen Berufsgruppen (s. Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 271).<br />

Die Pflegekraft sollte den Pflegebedarf <strong>des</strong> Patienten in einer gegebenen Situation aus dem Verlauf der Beziehung<br />

erkennen können. Auch wenn eine direkte Beziehung zwischen dem Pflegebedarf eines Patienten und seinem<br />

gesundheitlichen Problem angenommen werden kann, muss gesehen werden, dass das Ausmaß der pflegerischen<br />

Bedarfslage erheblich variieren kann38 . Zudem kann der pflegerische Bedarf eines Patienten aufgrund der<br />

Situation und der unterschiedlichen Beziehung, die dieser Patient <strong>zur</strong> Pflegekraft hat, weitere auf den individuellen<br />

Patienten bezogene pflegerische Maßnahmen erforderlich machen. Hier wird deutlich, dass der Pflegebedarf<br />

eines Patienten sich nicht einzig und allein aus der medizinischen Diagnose und den medizinischen Maßnahmen<br />

bestimmt. Die Pflegekraft muss den pflegerischen Bedarf <strong>des</strong> Patienten ebenso erkennen und verstehen, wie das<br />

Krankheitsbild erkannt und verstanden werden muss. Nach Peplau ist die Feststellung <strong>des</strong> pflegerischen Bedarfs<br />

keine einmalige Angelegenheit. Sie ist zunächst eine vorläufige und sie wird mit zunehmendem Verständnis im<br />

Verlauf der Pflegekraft-Patient-Beziehung kontinuierlich revidiert. Kompliziert wird das Ganze dadurch, dass<br />

die medizinisch angeordneten Maßnahmen ihrerseits zu einem weiteren Pflegebedarf führen können. Schon früh<br />

erkannte Peplau, dass es trotz eines gewissen Zusammenhangs zwischen medizinischer Diagnose und Pflegebedarf39<br />

wichtig ist, diese als zwei verschiedene Tatbestände zu begreifen, die jeweils für sich geklärt und zueinander<br />

in Beziehung gesetzt werden müssen. Das Nichterkennen eines pflegerischen Bedarfs kann sich negativ auf<br />

den Krankheitsverlauf (vgl. Peplau 1989 in Toole/Welt 1989: 273) auswirken, während die Berücksichtigung <strong>des</strong><br />

pflegerischen Bedarfs den Genesungsprozess positiv beeinflussen kann40 . Dieser Zusammenhang ist von Forchuk<br />

und MitarbeiterInnen (1998a, 2000) bei Patienten mit einer chronischen psychiatrischen Erkrankung untersucht<br />

und bestätigt worden.<br />

Die Umsetzung <strong>des</strong> pflegerischen Handelns ist an die handelnde Pflegekraft, an den jeweiligen Patienten und an<br />

die jeweilige Situation gebunden. Da die Handlungen der Pflegekraft positive wie negative Auswirkungen auf<br />

den Patienten haben können, ist es zwingend erforderlich, dass die Pflegekraft ihre Beziehung zum Patienten<br />

kontinuierlich reflektiert und ihr theoretisches Wissens bewusst, also nicht unbewusst und routinemäßig, einsetzt.<br />

Die hierbei gewonnenen Einsichten können <strong>zur</strong> Erweiterung ihrer Handlungs- und Wirkungsmöglichkeiten<br />

in der unmittelbaren Interaktion mit Patienten beitragen41 (s. Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 273). Die <strong>zur</strong><br />

38 Zwei Patienten mit dem gleichen operativen Eingriff oder mit derselben medizinischen Diagnose können einen völlig unterschiedlichen<br />

Pflegebedarf haben, auf den die Pflegekraft jeweils anders eingehen muss. Daher ist es möglich, dass die mit<br />

dem Eingriff verbundenen routinemäßigen prae- und postoperativen Maßnahmen auf unterschiedliche Weise bei diesen Patienten<br />

durchgeführt werden müssen.<br />

39 Der Pflegebedarf kann mit einer Pflegediagnose näher bezeichnet werden.<br />

40 Peplau will in ihrer eigenen beruflichen Laufbahn immer wieder beobachtet haben, dass ein für den Patienten nützlicher<br />

Lernprozess in Gang gesetzt werden kann, wenn sich die Pflegekraft auf seinen Pflegebedarf konzentriert (s. Peplau 1965 in<br />

O’Toole/Welt 1989: 45). Die Untersuchung von Gwen Tudor (1952/1982) illustriert diesen Sachverhalt anschaulich. Es ist<br />

m.E. das Verdienst von Peplau (s. auch Silverstein 2003: 123) die Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient, bzw. das, was<br />

darin geschieht, zum Thema systematischer Untersuchungen gemacht zu haben und dieser Beziehung so den Boden für eine<br />

Verklärung ins Mythische, Religiöse oder Ideologische entzogen zu haben. Auch <strong>des</strong>halb ist die Entwicklung interpersonaler<br />

Kompetenzen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung von herausragender Bedeutung.<br />

41 Hiermit ist ein weiteres Merkmal professioneller Pflege angesprochen, nämlich dass die Pflegekraft die teilnehmende Beobachtung<br />

als Mittel <strong>zur</strong> Gestaltung der Pflegekraft-Patient-Beziehung bewusst einsetzt. Im Mittelpunkt der Beobachtung<br />

stehen ihr eigenes und das Verhalten <strong>des</strong> Patienten, d.h. die zwischen ihnen ablaufenden Interaktionen. Was dort geschieht,<br />

also das gesamte Verhalten von Pflegekraft und Patient, kann danach untersucht werden, was mitgeteilt werden soll, was<br />

dadurch herausgefordert wird und welche Gefühle erzeugt werden (s. Peplau 1965 in O’Toole/Welt 1989: 47). Diese Idee<br />

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