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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

Wie bei jeder Lebensproblematik wird der Mensch auch in der Pflegekraft-Patient-Beziehung mit den seinem<br />

Selbst-System zugrundeliegenden Gefühlskonstellationen konfrontiert. Bezogen auf die Pflege und dem von der<br />

Pflegekraft zu ermittelnden Pflegebedarf <strong>des</strong> Patienten bedeutet das, dass der Patient immer als ganze Persönlichkeit<br />

involviert ist und sich als insoweit Gewordener zu seinen gegenwärtigen Problemen verhält (s. Peplau<br />

1995: 248f). Ebenso reagiert und verhält die Pflegekraft sich in diesen Situationen immer als die einmal so Gewordene.<br />

Hier kommen die drei Aspekte <strong>des</strong> ‚Selbst-Dynamismus’ in den interpersonalen Beziehungen zum<br />

Tragen, d.h. die Inhalte <strong>des</strong> Selbst-Systems, die im Bewusstsein vorhanden sind (das Ich), die selektiv unbeachteten<br />

Inhalte (das Vielleicht-Ich) und die dissoziierten Inhalte (das Nicht-Ich) <strong>des</strong> Selbst-Systems (s. auch Pkt.<br />

5.3.2). Im folgenden soll auf die eingangs erwähnten vier für die Pflegekraft-Patient-Beziehung relevante<br />

Schlüsselkonzepte eingegangen werden, auf die Konzepte der Wechselseitigkeit, der Phasenbezogenheit, der<br />

Bedürfnisse und Stufen der Angst sowie <strong>des</strong> interpersonalen Lernens (Beeber et al. 1990, Sills/Beeber 1995: 40).<br />

Im Mittelpunkt stehen das Selbst und das Selbstkonzept von Pflegekraft und Patient.<br />

5.4.1 ZUR ROLLE DES SELBST UND DES SELBSTSYSTEMS IN DEN FÜR INTERPERSONALE BEZIEHUNGEN<br />

ZENTRALEN KONZEPTEN PEPLAUS<br />

Die als interpersonaler und therapeutischer Prozess verstandene Pflege ist ein zeitlicher und zielgerichteter Prozess.<br />

Er besteht aus bestimmten Schritten, Tätigkeiten oder Verrichtungen, die die Teilnahme zweier oder mehrerer<br />

Menschen voraussetzen. Diese können von den ablaufenden Interaktionen profitieren oder nicht. Peplau<br />

(1995: 27f) differenziert zwischen zwischenmenschlichen und technisch-pflegerischen Handlungen. Letztere lassen<br />

sich im pflegerischen Prozess nicht auf ihre technische Seite beschränken, da alle pflegerischen Handlungen<br />

immer im Kontext der Beziehung zum Patienten stattfinden. Bei der Durchführung pflegerischer Handlungen,<br />

etwa bei der Unterstützung der Körperpflege oder bei der Nahrungsaufnahme kommt es nicht allein auf die technischen<br />

Fertigkeiten einer Pflegekraft an, sondern auch und vor allem auf ihre Kompetenz, wie sie diese in einem<br />

sozialen Handlungszusammenhang in der Auseinandersetzung mit einem bestimmten Patienten oder in der<br />

Beziehung zu ihm interaktiv umsetzt und welche Verhaltensmuster hierbei zum Tragen kommen. In diesem Zusammenhang<br />

muss sie die in der interpersonalen Beziehung ablaufenden psychodynamischen Prozesse im Blick<br />

haben und in der Lage sein, adäquat auf diese einzugehen. Insofern bestätigt sie in ihrem Tun und in ihren auf<br />

das Verhalten <strong>des</strong> Patienten bezogenen Reaktionen auch die Inhalte seines Selbst-Systems.<br />

An dieser Stelle soll der Faden wieder zu den eingangs erwähnten professionellen Kompetenzen einer Pflegekraft<br />

aufgenommen werden, die Peplau auf der Basis ihres Professionsverständnisses diskutiert. Das erste zentrale<br />

Merkmal professioneller Pflege besteht nach Peplau darin (1965 in O’Toole/Welt 1989: 45), dass ihr Fokus<br />

der Patient ist. Soll dieser Fokus im Verlauf der Pflegekraft-Patient-Beziehung nicht aus dem Blick geraten,<br />

muss sich die Pflegekraft auf den Pflegebedarf <strong>des</strong> Patienten konzentrieren35 . Die Kompetenzen der Pflegekraft<br />

materialisieren sich in der Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient und in den hierbei stattfindenden Interaktionen,<br />

indem die Pflegekraft ihr ‚Selbst’ als edukative, die Reife fördernde Kraft in diesen Prozess einbringt. Sie<br />

hat die Funktion eines edukativen Mediums36 , eines Instruments oder Katalysators im Sinne eines Mittels der<br />

Gestaltung, das einen positiven Wandel im Patienten bewirken kann. Um diese Aufgabe wahrnehmen zu können,<br />

muss die Pflegekraft bereit sein, ihre Aufmerksamkeit den interpersonalen Prozessen zuzuwenden, die zwischen<br />

ihr und dem Patienten ablaufen. Ferner gilt es, das eigene Handeln sowie die Reaktionen, die dieses beim Patien-<br />

35 Peplau hebt immer wieder hervor, dass pflegerische Situationen nicht <strong>zur</strong> Bewältigung der Probleme der Pflegekraft missbraucht<br />

werden dürfen. Letztere müssen außerhalb pflegerischer Situationen, z.B. im Rahmen der beruflichen Aus-, Fort- und<br />

Weiterbildung angegangen werden. Die Aufgabe der Pflegekraft ist nicht, „die Probleme <strong>des</strong> Patienten zu lösen“, sondern sie<br />

ermöglicht ihm im Rahmen der gegenseitigen Beziehung, seine eigene Fähigkeit der Problemlösung oder -bewältigung zu<br />

entdecken und auszuschöpfen (s. auch Sills/Beeber 1995, Forchuk 1993).<br />

36 Wenn Peplau im Englischen von der Pflege als einem „educative instrument, a maturing force" spricht, so ist damit Bildung<br />

mehr in einem sozialen Sinn sowie als Erfahrungsbildung und –strukturierung zu verstehen; weniger in einem streng<br />

pädagogischen Sinn (s. Peplau 1963 in O’Toole/Welt 1989: 348ff)..<br />

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