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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

5.4 PEPLAUS VERSTÄNDNIS DES SELBST UND DES SELBST-SYSTEMS II<br />

Peplau übertrug die Ideen Sullivans konsequent auf die Pflege. Die Erfahrungen, die in der Pflegekraft-Patient-<br />

Beziehung gemacht werden, sind davon geprägt, ob und wie den Erfordernissen bzw. Bedürfnissen <strong>des</strong> Patienten<br />

entsprochen wird. Sie zeigt, welche Rolle dem Gebrauch der Sprache insgesamt in pflegerischen Situationen zukommt33<br />

. Im Mittelpunkt der Pflegebeziehung stehen demnach die aus diesen Problemen erwachsenden Erfordernisse,<br />

die damit zusammenhängenden Gefühle, Einstellungen und Wertschätzungen sowie das Wissen <strong>des</strong><br />

Patienten und das der Pflegekraft. Die Qualität der Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient wird durch die<br />

Art und Weise bestimmt, wie die Pflegekraft auf die Probleme, Sorgen und Anliegen <strong>des</strong> Patienten eingeht.<br />

Hierbei ist von Bedeutung, wie der Patient seine Probleme, Sorgen etc. kommuniziert, ob sie von der Pflegekraft<br />

wahrgenommen und erkannt werden und wie sie auf dieselben eingeht. Im Mittelpunkt stehen weniger die Erfordernisse<br />

als solche, als vielmehr das Erkennen der Verhaltensmuster und -stile der Bedürfnisbefriedigung seitens<br />

<strong>des</strong> Patienten im Zusammenhang mit seiner gesundheitlichen Situation (s. Peplau 1987a in O’Toole/Welt<br />

1989: 67, Sills/Beeber 1995: 39). Um in pflegerischen Situationen angemessen handeln, um diese zu einer für<br />

den Patienten relevanten Lernerfahrung gestalten zu können, muss die Pflegekraft diese Muster und die damit<br />

verbundenen Verhaltensweisen <strong>des</strong> Patienten <strong>zur</strong> Befriedigung seiner Bedürfnisse und <strong>zur</strong> Vermeidung von<br />

Angst erkennen. Diese Verhaltensmuster34 geben Hinweise auf die Fähigkeit <strong>des</strong> Patienten, seine Probleme etc.<br />

anderen mitzuteilen und weisen darauf hin, in welcher Weise er gelernt hat, sich auf andere Menschen zu beziehen.<br />

Das Selbst-System eines Menschen spiegelt <strong>des</strong>sen Erfahrungen mit anderen Menschen wieder. Erst auf<br />

Grundlage dieser Kenntnis kann die Pflegekraft im Sinne eines edukativen Instruments wirken und ein Lernen<br />

beim Patienten evozieren. Die Pflegekräfte müssen sich dafür interessieren, auf welche Weise der Patient mit<br />

wichtigen Bezugspersonen und anderen Menschen interagiert (s. Peplau 1987a in O’Toole/Welt 1989: 67). Sie<br />

lenkt insofern die Aufmerksamkeit auf die Psychodynamik der interpersonalen Beziehung. Anhand klinischer<br />

Situationen arbeitet Peplau die wechselseitige Abhängigkeit von Patient und Pflegekraft heraus und zeigt auf,<br />

wie weit die mit dem pflegerischen Handeln verbundene Erfahrung ebenso an die handelnde Pflegekraft wie an<br />

den jeweiligen Patienten oder an die Situation gebunden ist. Durch ihr Eingehen auf den Patienten und durch die<br />

Art der Gestaltung ihrer Beziehung zu ihm kann die Pflegekraft, ihn in seinen Bemühungen, sich zu ändern, positiv<br />

unterstützen (s. Reed 1996: 58).<br />

Um das von Peplau angestrebte Lernen in der Pflegekraft-Patient-Beziehung zu ermöglichen und zu fördern,<br />

müssen Pflegekräfte allgemeine Kenntnisse davon erwerben, wie die Menschen die verschiedenen psychologischen<br />

Aufgaben im Laufe ihres Lebens, in den verschiedenen Entwicklungsphasen (Kindheit, Pubertät, Erwachsenenalter<br />

und Alter) und in problematischen Situationen (Krisen unterschiedlichster Art, Krankheit, Behinderung,<br />

Leistungsbeeinträchtigung etc.) bewerkstelligen und wie das sich verändernde (reagierende, lernende, sich<br />

anpassende, wachsende) Selbst das Handeln <strong>des</strong> Menschen beeinflusst. Für die Gestaltung der Beziehung zwischen<br />

Pflegekraft und Patient ist von Bedeutung, welche Sicht auf sich selbst beide in ihrem Leben ausgebildet<br />

haben und wie diese Sicht durch die verschiedenen zwischenmenschlichen Beziehungen in beider Leben mehr<br />

oder weniger verstärkt worden ist. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stellen in den verschiedenen Interaktionen<br />

wichtige Orientierungsgrößen für das menschliche Handeln dar. Eine ungefähre Vorstellung davon, wie<br />

der Patient sich auf andere Menschen bezieht, mit ihnen in Beziehung tritt und nach welchem Muster er letztere<br />

gestaltet, ist für die Aufrechterhaltung der pflegerischen Beziehung ebenso von Bedeutung wie die Reflexion<br />

darüber, wie die Pflegekraft sich auf diesen Patienten bezieht, mit ihm in Beziehung tritt, und nach welchem<br />

Muster sie diese gestaltet.<br />

33 Die Bedeutung, die Peplau der kommunikativen Kompetenz der Pflegekraft zuschreibt, geht über das hinaus, was heute<br />

allgemein unter dem Begriff ‚kommunikative Kompetenz’ im Sinne einer Schlüsselqualifikation verstanden wird.<br />

34 Nach Peplau (1987a in O’Toole/Welt 1989: 62) können (Verhaltens-) Muster differenziert werden in intra- und interpersonale<br />

Verhaltensmuster sowie solche, die auf der Systemebene anzusiedeln sind. Hiermit sind Verhaltensmuster von Menschen<br />

innerhalb sozialer Institutionen gemeint.<br />

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