09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kapitel 5<br />

auf die verinnerlichte und reflektierte Beurteilung hinweisen. Die Beziehung hierzu wird nicht verstan<strong>des</strong>mäßig<br />

hergestellt, sondern es handelt sich zunächst um eine ‚gefühlte’ Beziehung. Der fünfte Schritt verweist auf die<br />

unterschiedlichen Dimensionen <strong>des</strong> Selbst-Systems. In Anlehnung an Sullivan unterscheidet Peplau (1979: 35):<br />

• „Eine im Bewusstsein vorhandene Selbst-Sicht wie „ich bin ein Mensch, der [....]“. Diese wird von<br />

wichtigen Bezugspersonen häufig gespiegelt und der einzelne kann hierüber leicht sprechen.<br />

• Eine Sicht <strong>des</strong> ‚vielleicht ich’, d.h. hier bestehen Zweifel. Es handelt sich um nicht immer wiederkehrende<br />

Beurteilungen, die seitens <strong>des</strong> Betroffenen nicht regelhaft erwartet werden und die, wenn sie geäußert<br />

werden, milde bis moderate Angst erzeugen können. Deshalb werden sie meist übersehen, es sei<br />

denn, man richtet seine Aufmerksamkeit darauf.<br />

• Eine dritte Sicht, die <strong>des</strong> ‚Nicht-Ich’. Diese Sicht stammt von Beurteilungen anderer und aus Erfahrungen<br />

mit anderen, die schmerzhaft waren, mit Bestrafungen, Gleichgültigkeit oder gar Panik zu tun hatten.<br />

Diese Sicht geht einher mit schweren Angstzuständen und wird <strong>des</strong>halb vom Menschen verdrängt<br />

bzw. dissoziiert“.<br />

Alle drei Dimensionen <strong>des</strong> Selbst-Systems leiten das Handeln <strong>des</strong> Menschen mehr oder weniger bewusst. Der<br />

sechste Schritt bei der Herausbildung <strong>des</strong> Selbst-Systems besteht in der Neigung <strong>des</strong> Menschen, Situationen herzustellen,<br />

mittels derer die verinnerlichten und reflektierten Beurteilungen anderer aufrechterhalten werden können,<br />

insbesondere die bewusste ‚Selbst-Sicht’. Diese gilt es immer wieder zu bestätigen. Von Bedeutung ist, wie<br />

die drei Aspekte <strong>des</strong> ‚Selbst-Dynamismus’ in den interpersonalen Beziehungen zum Tragen kommen. Sullivan<br />

unterscheidet:<br />

1. das Selbst, über das das Bewusstsein ohne weiteres verfügen kann<br />

2. selektiv unbeachtete Komponenten, die erinnert werden können<br />

3. dissoziierte Elemente <strong>des</strong> Selbst, die mehr oder weniger permanent aus dem Bewusstsein ausgeschlossen<br />

sind, aber auf verdeckte Weise wirken (Peplau 1995: 243).<br />

Das Selbst-System wird als ein auf drei Ebenen wirken<strong>des</strong> motivationales System verstanden. Einige Aspekte<br />

wirken bewusst in interpersonalen Beziehungen, während andere mit nur geringer oder ganz ohne bewusste Kontrolle<br />

durch die Person arbeiten (Peplau 1995: 243). In diesem Zusammenhang zeigt sich erneut die Funktion <strong>des</strong><br />

Selbst-Systems als Anti-Angst-System. Die Bemühungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>, das angeeignete Selbst-System aufrechtzuerhalten,<br />

erfolgen, um Angst zu verhüten. Hierbei werden Beurteilungen akzeptiert und in das bestehende System<br />

aufgenommen, die mit den schon vorhandenen Beurteilungen kompatibel sind. Änderungen der Inhalte <strong>des</strong><br />

Selbst-Systems sind durchaus möglich, doch gehen diese nach Peplau mit Angsterfahrungen einher. Die Bedeutung<br />

der frühen Kindheit für das Selbst-System <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> und späteren Erwachsenen besteht darin, dass hier die<br />

Grundlage geschaffen wird. Das Selbst-System als solches ist für Veränderungen offen, weshalb neue Erfahrungen<br />

wie z.B. die Einschulung, eine Freundschaft, ein Krankenhausaufenthalt etc. immer das Potenzial in sich<br />

bergen, Änderungen im Selbst-System zu erzeugen, unabhängig davon, ob diese nun konstruktiv sind oder nicht<br />

(s. Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 303). Dieser Aspekt ist für die Gestaltung pflegerischer Beziehungen von<br />

immenser Bedeutung und weist darauf hin, dass die Qualität der Beziehung und die dort gemachten Erfahrungen<br />

Auswirkungen auf das Selbst-System <strong>des</strong> betroffenen Patienten wie auf das der Pflegekraft haben.<br />

Peplau (1995: 243ff) geht davon aus, dass das Selbst-System mit dem Erlernen der psychologischen Aufgaben30 ,<br />

etwa sich auf andere zu verlassen, eine Befriedigung aufzuschieben oder sich selbst zu identifizieren, zusammenhängt.<br />

Hierbei spielen die Reaktionen der Bezugsperson in Form von Anerkennung bzw. Zustimmung, Ablehnung<br />

und Gleichgültigkeit bzw. Indifferenz eine zentrale Rolle, insofern diese Reaktionen oder Beurteilungen<br />

die Inhalte <strong>des</strong> entstehenden Selbst-Systems <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> bestätigen oder nicht. In der Folge motivieren sie das<br />

Kind, Situationen herzustellen, die die von ihm verinnerlichten reflektierten Beurteilungen in Bezug auf sich<br />

selbst bestätigen. Anerkennung, Ablehnung und Gleichgültigkeit bzw. Indifferenz der Bezugspersonen haben<br />

Einfluss auf das sich herausbildende Selbst-System. Die wichtigste Funktion der dadurch hervorgerufenen adap-<br />

30 Eine weitere Aufgabe sieht sie im Erlernen partizipativer Fähigkeiten.<br />

216

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!