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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 1<br />

Flexners11 geprägt war. Er hatte mit der Veröffentlichung seines Berichts über die medizinische Ausbildung<br />

maßgeblich zu deren Verbesserung beigetragen. Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Berichts setzte<br />

sich Nutting 1911 bei der Rockefeller Foundation für eine vergleichbare Studie <strong>zur</strong> Pflege ein. Es gelang ihr aber<br />

erst 1918, Gelder dafür einzuwerben. Auch wenn die Ergebnisse <strong>des</strong> 13 Jahre später veröffentlichten Goldmark-<br />

Reports von vergleichbarer Bedeutung für die Pflegebildung wie die <strong>des</strong> Flexner-Reports für die medizinische<br />

Bildung waren, führten sie nicht <strong>zur</strong> der erhofften grundlegenden Reform der Pflegeausbildung12 (Gebbie 2009).<br />

In der Folge dieser Studie kam es aber <strong>zur</strong> Gründung dreier Pflegestudiengänge an der Yale, der Vanderbildt und<br />

der Western-Reserve University (s. Garling 1985: 28) und zu einer Folgestudie. Eine weitere positive Folge war,<br />

dass die Schulen in den 1920er und 1930er Jahren immer mehr dazu übergingen, Vollzeitlehrerinnen einzustellen.<br />

Dies führte dazu, dass die ‚Kunst <strong>des</strong> Pflegens’ (nursing art) nicht mehr nur während der praktischen Arbeit<br />

oder im Rahmen <strong>des</strong> medizinischen Unterrichts vermittelt wurde, sondern als eigenes theoretisches Fach. Unter<br />

‚nursing art’ wurden die Technik <strong>des</strong> Umgangs mit dem Patienten (handling the patient), die tägliche Pflege sowie<br />

die Durchführung der medizinischen Anordnungen (treatments) verstanden (s. Melosh 1982: 52f). Wie Risjord<br />

(2010: 8) anmerkt, drehte sich die Auseinandersetzung, ob die Pflege eine Profession ist oder nicht, Anfang<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts um Fragen der Pflegebildung, um einen eigenständigen, unabhängigen Verantwortungsbereich<br />

der Pflege sowie um die intellektuelle Basis der Pflege.<br />

Aus den Veröffentlichungen zu Anfang <strong>des</strong> 20 Jahrhunderts geht zunächst nicht hervor, was die führenden Pflegekräfte<br />

unter ‚scientific knowledge’ verstanden13 . Die Vorstellungen und Methoden <strong>des</strong> ‚scientific managements’,<br />

der wissenschaftlichen Betriebsführung, sowie der Home-Economic-Bewegung lieferten offenbar einen<br />

wichtigen Orientierungsrahmen für die nähere Bestimmung <strong>des</strong> Gegenstandsbereichs der Pflege14 (s. hierzu auch<br />

Peplau 1987: 16f, Reverby 1989, Mischo-Kelling 1995a: 172f). Wie Veröffentlichungen von Bertha Harmer<br />

(1922, 1925, 1936) zu entnehmen ist, gab es daneben auch andere Versuche, die Pflege selbst in den Mittelpunkt<br />

der akademischen Ausbildung und Wissensentwicklung zu rücken. Annie Goodrich, erste Dekanin der Yale<br />

School of Nursing, sah in der Pflege wie ihre Kolleginnen Nutting/Stewart eine auf Wissen basierende Profession,<br />

die patientenorientiert handelt und demzufolge gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten voraussetzt. Sie beschreibt<br />

die Pflegekraft und die von ihr zu erbringende Dienstleistung wie folgt:<br />

„The nurse is a remedial agent whose services in all classes of society at frequent intervals and in intimate<br />

and prolonged association, afford her an almost unlimited opportunity for health education which is the<br />

keynote of preventative medicine“ (zitiert in Brooks/Kleine-Kracht 1983: 57).<br />

Die Vorstellungen dieser Frauen von einer auf den Patienten bezogenen und an seiner Gesundheit orientierten<br />

Pflege sind vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen als ‚public health nurses’ zu sehen. Hier war die pflegerische<br />

Arbeit von vornherein auf die jeweilige Bezugsgruppe, d.h. den Patienten, die Familie oder die Gemeinde ausgerichtet<br />

(s. auch Hamilton 1994, Boschma 1997: 166ff). Die so entwickelten Ideen <strong>zur</strong> Pflegearbeit bereiteten den<br />

Boden für Konzepte wie ‚ganzheitliche Pflege’, ‚umfassende Pflege’ oder ‚total patient care’ sowie für eine be-<br />

11 Er war Pädagoge und Absolvent der John Hopkins <strong>Universität</strong>. Für ihn sind die Begriffe Profession und Wissenschaft<br />

miteinander verbunden. Sein Wissenschaftsverständnis war durch das an der John Hopkins <strong>Universität</strong> herrschende geprägt,<br />

welches nach dem Vorbild der deutschen <strong>Universität</strong> konzipiert worden war und in der wissenschaftlichen Ausbildung dem<br />

Humboldtschen Bildungsideal der Einheit von Lehre und Forschung folgte, wonach man eine Profession bzw. einen<br />

gelehrten Beruf in den berufsbildenden Fakultäten der <strong>Universität</strong>en erlernte (s. Flexner 1932: 59f, Ludmerer 1985, Raeithel<br />

1988).<br />

12 Hiernach sollte die Pflegeausbildung auf akademischer Ebene angesiedelt und das Curriculum pflegeinhaltlich<br />

ausgerichtet sein und allgemein bildende Fächer beinhalten.<br />

13 Dieser Begriff war auch in der Ärzteschaft ein schwammiger. Es kann vermutet werden, dass damit das damals<br />

vorhandene wissenschaftliche Wissen insgesamt gemeint war.<br />

14 Bei vielen Ärzten, nicht aber bei den Professionalisten, stieß die Bewegung <strong>des</strong> ‚Scientific Management’ eher auf<br />

Ablehnung, die sie mit vielen führenden, eher nicht zu den Professionalistinnen zählenden Pflegekräften teilten (s. Reverby<br />

1989: 149). Allerdings ließ der anfängliche Enthusiasmus für diese Bewegung bei Pflegeführungskräften nach, als einige wie<br />

Isabel Stewart begannen, sich kritisch mit deren Konsequenzen für die Pflege auseinanderzusetzten, und sie feststellten, dass<br />

diese Vorstellungen nicht ihren ursprünglichen entsprachen (s. Boschma 1997: 169, Reverby 1989: 155ff).<br />

11

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