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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

das Kind bis dahin nicht verfügte. Als Beispiel führt Peplau (1979: 33) z.B. folgende Aussagen an: „Jonny ist ein<br />

guter Junge“ oder „Jonny ist dick“.<br />

Ohne die Hinweise der anderen ist das Kind nicht in der Lage, eine Vorstellung von sich selbst zu gewinnen.<br />

Anders formuliert, erwirbt das Kind in der konkreten Interaktion mit anderen Menschen allmählich eine Sicht<br />

auf sich selbst. Es erfährt in diesen zwischenmenschlichen Beziehungen, wie auf die verbalen und nonverbalen<br />

Äußerungen seiner Bedürfnisse eingegangen wird. Nach Peplau (1995: 238) bieten sich drei mögliche Varianten<br />

bei der Sicht auf das Selbst an:<br />

1. „Ich kann meine Wünsche und Bedürfnisse identifizieren, sie jenen, die mich achten, vermitteln und die<br />

<strong>zur</strong> Erreichung der Befriedigung benötigte Hilfe erlangen."<br />

2. „Ich muß meine Wünsche nicht identifizieren; wenn ich hilflos bin, werden die anderen mir geben, was<br />

ich ihrer Meinung nach brauche, und ich werde mich sicher fühlen; eine hilflose Person, die nichts verlangt,<br />

wird nicht im Stich gelassen werden."<br />

3. „Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass andere mir irgendeine Hilfe zukommen lassen; sie achten<br />

mich und meine Fähigkeiten nicht; ich werde das, was ich brauche, aber auch ohne Hilfe bekommen;<br />

wenn nötig, werde ich es mir nehmen“.<br />

Zu welcher Sicht auf sich selbst das Kind und später der Erwachsene gelangt, hat nach Peplau viel mit den körperlichen<br />

Ausdrucksweisen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu tun. Sie hebt hervor, dass<br />

„wesentliche Lebenstechniken im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme, der Ausscheidung, der Sauberkeit<br />

und der Vermeidung gefährlicher Situationen erlernt (werden). Gleichzeitig beobachtet das Kind,<br />

wie andere es als Person sehen, und beginnt, die Rollen zu strukturieren, die es im Verhältnis zu ihnen und<br />

<strong>zur</strong> Welt, wie es sie sieht, einnehmen wird“ (Peplau 1995: 238).<br />

Die Rolle <strong>des</strong> Körpers, seine Fähigkeiten und seine Ausdrucksmöglichkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

sind für die Herausbildung <strong>des</strong> Selbst nicht zu unterschätzen. Die Grenzen <strong>des</strong> Selbst werden nach Sullivan<br />

im Rahmen von Reifungs- und Lernprozessen durch ‚reflektierte Beurteilungen’ gesetzt, die von der frühkindlichen<br />

Phase über die Kindheit bis zum Erwachsenenalter fortschreiten. Peplau (1995: 239) hebt hervor, dass<br />

„die Art, wie die Erwachsenen das Kind beurteilen, und die Art, wie es sich im Verhältnis zu seiner Erfahrung<br />

und Wahrnehmung verhält, verinnerlicht oder introjiziert (wird) und so <strong>zur</strong> Sicht <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> auf sich<br />

selbst (wird)“.<br />

Die Beurteilungen, die die Erwachsenen von einem Kind haben, gehen mehr oder weniger unkritisch in die Sicht<br />

ein, die das Kind auf das eigene Selbst entwickelt. Um zu einer Sicht von sich selbst zu gelangen, ist das Kind<br />

auf die Beurteilungen anderer angewiesen. Dies ist der erste wichtige Schritt bei der Herausbildung <strong>des</strong> Selbst.<br />

Der zweite Schritt besteht darin, dass das Kind auf die Äußerungen der Bezugspersonen achtet, diese mit dem<br />

Ziel nachahmt, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken bzw. entsprechend belohnt zu werden. Dies führt zum<br />

nächsten Schritt, in dem die Beurteilungen anderer vom Kind aufgenommen werden und zwar als seine eigene<br />

Sicht von sich selbst. Dieser Schritt kann in Subschritte untergliedert werden. Im ersten Teilschritt wiederholt<br />

das Kind die Beurteilungen der Bezugspersonen, so wie es sie gehört hat, sodann werden diese reflektiert und die<br />

reflektierten Beurteilungen werden nach weiteren Erfahrungen schließlich als die eigene Sicht verinnerlicht. Diese<br />

ersten Beurteilungen anderer sind die initialen Inhalte <strong>des</strong> Selbst-Systems. Die Benutzung <strong>des</strong> Personalpronoms<br />

‚ich ...’ seitens <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zeigt an, dass der letzte Teilschritt vollzogen worden ist29 (s. Peplau 1989 in<br />

O’Toole/Welt 1989: 303). In diesem Moment sind die Beurteilungen anderer zu den ersten Inhalten <strong>des</strong> Selbst-<br />

Systems geworden und damit <strong>zur</strong> akzeptierten Basis <strong>des</strong> sich herausbildenden Selbst-Systems.<br />

Der vierte Schritt bei der Herausbildung <strong>des</strong> Selbst-Systems beinhaltet die Aneignung von Handlungen und Verhaltensweisen,<br />

die der verinnerlichten und reflektierten Selbstbeurteilung entsprechen. Dies erfordert von Seiten<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> Aufmerksamkeit, Beobachtung sowie das Feststellen von Situationen, in denen die Bezugspersonen<br />

29 Dies erfolgt in drei Schritten:1. Jonny ist …; 2. Meins ist …; 3. Ich bin ...<br />

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