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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

nal, insofern das Gefühl <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> ein entsprechen<strong>des</strong> Gefühl bei der Bezugsperson hervorruft und umgekehrt.<br />

Es besteht eine wechselseitige Abhängigkeit. Die Fähigkeit <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>, in Form der einfühlenden Beobachtung<br />

auf die Gefühle und Stimmungen der es umgebenden Menschen zu reagieren, ist seine Form <strong>des</strong> Wissens bzw.<br />

<strong>des</strong> Welterlebens. Das Kind lernt aus der Erfahrung mit der ‚bemutternden’ Bezugsperson. Ein weiteres ihm <strong>zur</strong><br />

Verfügung stehen<strong>des</strong> Mittel ist das ‚autistische Denken’, und ein anderes Mittel ist der Mund, durch den Gegenstände<br />

wie der eigene Körper und anderes gefühlsmäßig wahrgenommen und erfahren werden. All diese kommunikativen<br />

Mittel kommen in der Beziehung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu seinen Bezugspersonen zum Tragen und können in<br />

dieser entwickelt oder behindert werden. Entscheidend für die Entwicklung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> und seines Selbst-<br />

Systems ist, ob es mit den ihm <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Mitteln seine Bedürfnisse äußern kann und ob diese von<br />

seinen Bezugspersonen respektiert werden. In den Reaktionen seiner Bezugspersonen erlebt das Kind nicht nur<br />

die Befriedigung seiner Bedürfnisse, sondern es nimmt zugleich damit auch die Haltungen seiner Bezugspersonen<br />

ihm gegenüber auf.<br />

Für die Pflege ist von Bedeutung, dass in der frühen Kindheit die Grundlage für die Fähigkeit/Bereitschaft <strong>zur</strong><br />

Inanspruchnahme von Hilfe gelegt wird. In dieser Zeit erfährt das Kind, dass es für die Befriedigung seiner Bedürfnisse<br />

auf andere angewiesen und von ihnen abhängig ist. Wenn positiv auf seine Äußerungen eingegangen<br />

wird und es <strong>zur</strong> Bedürfnisbefriedigung kommt, lernt es<br />

„auf klare und angenehme Art und Weise, dass es <strong>zur</strong> Erfüllung seiner Wünsche/Bedürfnisse von anderen<br />

abhängig ist. Somit beginnt es, sich von anderen zu unterscheiden, und lernt, auf sie zu zählen, wenn es Hilfe<br />

benötigt“ (Peplau 1995: 201).<br />

Wenn die Bezugspersonen nicht in angemessener Form auf die Äußerungen der Bedürfnisse <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> eingehen,<br />

d.h. diese nicht belohnt werden, wird die Fähigkeit <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>, sich von anderen zu unterscheiden, gehemmt.<br />

Wenn die ihm <strong>zur</strong> Verfügung stehenden kommunikativen Mittel nicht respektiert werden, wird es in seiner<br />

Hilflosigkeit bestärkt. Diese Erfahrung geht mit Frustration einher und kann dazu führen, dass das Kind eine<br />

‚unstillbare Sehnsucht’ nach Abhängigkeit entwickelt (s. Peplau 1995: 201). Hierbei handelt es sich um ein Gefühl,<br />

das durch zwischenmenschliche Beziehungen mit Menschen erlernt wird, die dem Kind keine Freiheit der<br />

eigenen Entwicklung lassen,<br />

„die verlangen, verwehren, vorenthalten, handeln oder erfreuen wollen, um eine Übereinstimmung mit ihren<br />

Zielen sowie mit einem für sie wünschenswerten Verhaltensmuster zu erreichen“ (Peplau 1995: 202)<br />

Mit zunehmendem Alter und der damit einhergehenden Fähigkeit <strong>zur</strong> Differenzierung erfährt das Kind sich als<br />

etwas von anderen Menschen Getrenntes wie mit ihnen Verbundenes. Dabei wechselt das Kind allmählich vom<br />

prototaktischen zum parataktischen Erfahrungsmodus. Es lernt, Erfahrungen zueinander in Beziehung zu setzen,<br />

d.h. vorangegangene Erfahrungen mit zu erwartenden Erfahrungen zu verknüpfen. Dies geschieht zunächst auf<br />

gefühlsmäßiger Basis, wobei der Erfahrung <strong>des</strong> eigenen Körpers eine wichtige Rolle zukommt, insofern das<br />

Kind zunächst eine Beziehung zu seinen Körper entwickelt, bevor es ein Selbst-System ausbilden kann. Mit zunehmender<br />

Reife <strong>des</strong> sensorischen Apparates schreitet die Fähigkeit <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> voran, zwischen sich und der<br />

äußeren Umwelt zu unterscheiden. Dies schließt die zunehmende Fähigkeit ein, Zeichen und Signale zu differenzieren.<br />

Evans (1996: 83) schreibt, das Kind diskriminiere insbesondere visuell verschiedene<br />

„facial gestures and auditorily differentiates sounds and phonemes, which interpersonally becomes signs of<br />

integration and disintegration of personal situations“.<br />

Die Entwicklung <strong>des</strong> Selbst-Systems ist einerseits an die Sprachfähigkeit <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> und anderseits an die in den<br />

interpersonalen Beziehungen gemachten Erfahrungen gebunden. Es handelt sich um ‚gefühlte’ Beziehungen, da<br />

das Kind die Reaktionen seiner Bezugspersonen auf seine Äußerungen anfänglich noch nicht verstan<strong>des</strong>mäßig<br />

nachvollziehen, verstehen und verarbeiten kann. Dies ist erst in einem späteren Entwicklungsstadium möglich.<br />

Mit dem Erlernen der Sprache greift das Kind die verbalen Äußerungen seiner Bezugspersonen auf. Ihre Äußerungen,<br />

d.h. ihre Beurteilungen seines Verhaltens geben dem Kind wichtige Hinweise auf sich selbst, über die<br />

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