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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

gemachten Erfahrungen unter dem Begriff <strong>des</strong> ‚now-moments’ also <strong>des</strong> ‚Hier-und-Jetzt-Moments’ zusammen.<br />

Es handelt sich um Erfahrungen, die jeweils für sich und unverbunden nebeneinander stehen und über die keine<br />

Beziehung <strong>zur</strong> früheren und gegenwärtigen Erfahrung hergestellt wird. Anders ist es in der Parataxis. Hier setzen<br />

erste Diskriminierungsleistungen <strong>des</strong> Säuglings ein, indem auf der Basis einer ‚gefühlten Beziehung’ frühere Erfahrungen<br />

mit gegenwärtigen Erfahrungen in Beziehung gesetzt werden. Dies ist möglich aufgrund <strong>des</strong> Erkennens<br />

ähnlicher Zeichen19 in beiden Erfahrungen. Die Verknüpfung der einen mit der anderen Erfahrung beruht<br />

auf dem Bekannten/Vertrauten. In diesem Erfahrungsmodus werden neue, nicht bekannte Zeichen nicht wahrgenommen,<br />

da sich die Aufmerksamkeit auf das Bekannte richtet. Eine zentrale Rolle in diesem Zusammenhang<br />

spielt die Erfahrung von Angst. So gibt es Situationen, in denen der Säugling die Nahrungsaufnahme lustvoll<br />

und spannungsfrei erfährt. Die gleiche Situation kann aber auch zu einer angstbesetzten Erfahrung werden. In<br />

der ersten Situation erfährt der Säugling die Bezugsperson als ‚gute Mutter’ 20 , wohingegen er sie in der anderen<br />

Situation als ‚schlechte Mutter’ erlebt. Diese Bezeichnungen beschreiben zentrale Erfahrungsweisen, entweder<br />

‚gefühlte Zufriedenheit’ bzw. ‚Befriedigung’, oder ‚gefühltes Unwohlsein’. Das Kind nimmt sich selbst aufgrund<br />

der ‚gefühlten’ Beziehung als ‚gutes Ich’ oder als ‚böses Ich’ wahr. Diese Erfahrungen sind für die Entwicklung<br />

<strong>des</strong> Selbst-Systems <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> von elementarer Bedeutung. Mit Blick auf die Entwicklung <strong>des</strong> Selbst-Systems<br />

geht es darum, wie häufig das Kind welche der genannten Erfahrungen macht. Ausschlaggebend ist, ob es sich<br />

bei den genannten Erfahrungen um sich wiederholende Erfahrungen handelt, die schließlich zu erwarteten Erfahrungen<br />

werden (s. Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 302).<br />

Sullivan wie auch Peplau binden das Konzept der Persönlichkeit an menschliche Erfahrungen. Sullivan (1983:<br />

59) unterscheidet zwei Arten von Erfahrungen:<br />

1. die Erfahrung von Spannungen<br />

2. die Erfahrung von Energietransformation.<br />

Spannungen basieren auf Bedürfnissen und auf Ängsten. Sullivan (1983: 60ff) unterteilt die Bedürfnisse in primär<br />

physiologische, z.B. nach Sauerstoff, Nahrung oder Flüssigkeit, die biologischer Natur sind, und in solche,<br />

die im Zusammenhang mit der Lebenserhaltung, der Vermeidung von Verletzungen und mit der Aufrechterhaltung<br />

diverser funktionaler Aktivitäten stehen. Spannungen bergen zum einen das Potenzial für Aktionen in sich,<br />

was Sullivan (1983: 59) mit dem Begriff ‚Energietransformation’ zu fassen sucht. Zum anderen können Spannungen<br />

zu einem ‚gefühlten oder wissentlich bemerkten Seinszustand’ führen. Dies ist der Fall, wenn z.B. das<br />

Schreien <strong>des</strong> Säuglings vor Hunger dazu führt, dass er Nahrung seitens der Mutter erhält und dadurch sein Bedürfnis<br />

beseitigt bzw. befriedigt wird.<br />

Sullivan unterscheidet drei Arten von Spannungen: Bedürfnisspannungen, Angstspannungen und Schlafspannungen21<br />

. Im Zusammenhang mit Bedürfnisspannungen geht Sullivan von folgendem Theorem aus:<br />

„Die beobachtbare Aktivität <strong>des</strong> Säuglings, die aus der Bedürfnisspannung erwächst, erzeugt Spannung in<br />

der mütterlichen Bezugsperson, die ihrerseits erfahren wird als Zärtlichkeit und als Impuls für Aktivitäten,<br />

die auf die Bedürfnisbefriedigung <strong>des</strong> Säuglings abzielen.“ (Sullivan 1983: 63)<br />

Die Aktivitäten der Mutter fasst Sullivan unter den Begriff ‚allgemeines Zärtlichkeitsbedürfnis’ 22 . Er unterstreicht<br />

damit die Abhängigkeit <strong>des</strong> Säuglings von seinen Bezugspersonen. Der Säugling ist auf deren Koopera-<br />

19 In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass bestimmte Ereignisse und die damit verbundenen Folgen zu Zeichen oder<br />

Symbolen von Befriedigung, Frustration und Sicherheit werden (Sullivan 1983: 99ff, Peplau 1995: 109ff, Evans 1996: 62).<br />

20 Für Sullivan kann die Bezugsperson die leibliche Mutter <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> oder eine andere Person sein.<br />

21 Die Schlafspannungen, die hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden, beschreiben eine Phase <strong>des</strong> Seins. Die Befriedigung<br />

<strong>des</strong> Schlafbedürfnisses ist für die Aufrechterhaltung <strong>des</strong> Lebens unerlässlich (s. Sullivan 1983: 82f).<br />

22 Sullivan - so Evans (1996: 77) - differenziert zwischen dem Begriff ‚Mutter’ und dem Begriff ‚mothering one’/bemutternde<br />

Person, womit er sich von anderen Autoren deutlich abhebt. Mit diesem Begriff, der leider auch in der deutschen<br />

Übersetzung seines Werks mit ‚Mutter’ übersetzt wird, unterstreicht er die Bedeutung, die er dem Prozess und der<br />

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