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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

� „Was kann getan werden, um einem Patienten [...] dabei zu helfen, sein verkümmertes Selbstkonzept zu<br />

erweitern?<br />

� Gibt es eine Rolle, die die Pflegekraft übernehmen sollte, um dem Patienten zu helfen, seine Sicht auf<br />

sich selbst zu erkennen und zu verändern?<br />

� Sollten die Pflegekräfte eine neue Perspektive der mehr technischen Funktionen in der Pflege erarbeiten,<br />

was etwa das Waschen […] angeht?“ (Peplau 1995: 236)<br />

Geht es bei der Gestaltung der Pflege vor allem um eine Einflussnahme auf die Sicht <strong>des</strong> Patienten von sich<br />

selbst, dann ist insbesondere die Struktur <strong>des</strong> Selbst-System-Prozesses, d.h. der in Phasen und Schritten ablaufende<br />

Prozess der Entstehung <strong>des</strong> Selbst von Interesse. Diese Struktur muss berücksichtigt werden, wenn die Inhalte<br />

<strong>des</strong> Selbst-Systems <strong>zur</strong> Disposition stehen, da dann die gleiche Struktur und die gleichen Phasen wie in der<br />

frühen Kindheit mobilisiert werden. Bei den Hinweisen und Informationen <strong>des</strong> Patienten bezüglich der Inhalte<br />

seines Selbst-Systems handelt es sich immer nur um Annäherungen. Sie geben der Pflegekraft wichtige Hinweise<br />

für die Gestaltung der Arbeit mit dem Patienten. Ohne diese Hinweise bzw. ohne eine ungefähre Vorstellung<br />

von der Selbstsicht <strong>des</strong> Patienten ist eine zielgerichtete pflegerische Arbeit nicht möglich. Die Aufgabe der Pflegekraft<br />

besteht nicht darin, die Selbstsicht <strong>des</strong> Patienten zu verändern. Dieses ist seine Aufgabe. Die Pflegekraft<br />

kann aber durch die Art und Weise, wie sie auf die Belange <strong>des</strong> Patienten eingeht, denselben anregen, die für<br />

seine Entwicklung erforderliche Arbeit auf sich zu nehmen. Bevor auf die Entstehung <strong>des</strong> Selbst-Systems eingegangen<br />

wird, sollen einige wichtige, damit zusammenhängende Begriffe erläutert werden<br />

5.3.1 EXKURS: ERFAHRUNG, SPANNUNG UND ENERGIETRANSFORMATION<br />

Zum Verständnis <strong>des</strong> Begriffs <strong>des</strong> Selbst-Systems, seiner Entstehung und Funktionsweise im menschlichen Leben<br />

sind weitere Begriffe von Bedeutung, da sie Hinweise darauf geben, was unter der edukativen Funktion der<br />

Pflegekraft mit Blick auf die Entwicklung <strong>des</strong> Patienten (sowie der eigenen) zu verstehen ist. In Anlehnung an<br />

Sullivan geht es in der interpersonalen Beziehung, um die ‚Transformation von Energien’ im Sinne der Erfahrungsbildung.<br />

Diese Transformation findet grundsätzlich in jeder Art von interpersonaler Beziehung statt.<br />

Peplau begreift den Menschen als ein biopsychosoziales Wesen, das, um leben und sich im weitesten Sinn entwickeln<br />

und entfalten zu können, auf den Umgang mit anderen Menschen angewiesen ist. Der Mensch wird in<br />

seiner gesamten Entwicklung, d.h. in der physischen, psychischen, kognitiven, emotionalen, moralischen, sozialen<br />

Entwicklung durch interpersonale Erfahrungen geprägt. Hierbei sind dem Menschen durch seine biologische<br />

Ausstattung gewisse Möglichkeiten gegeben und Grenzen gesetzt. Die biologische Natur <strong>des</strong> Menschen und die<br />

Anforderungen oder Anstrengungen der menschlichen Umwelt werden als zwei aufeinander wirkende Kräftegruppen<br />

gedacht, zwischen denen ein dynamisches Gleichgewichtsverhältnis besteht. Dieses verschiebt sich<br />

ständig und wird immer wieder ausbalanciert. Es wird unterstellt, dass der Mensch aufgrund seiner natürlichen<br />

Beschaffenheit über Potenziale verfügt, die bestimmte Arten von Handlungen mehr oder weniger wahrscheinlich<br />

machen. Entscheidend ist, dass diese Potenziale von den ‚interpersonalen Beziehungen’ geformt werden.<br />

In den interpersonalen Beziehungen macht der Mensch die unterschiedlichsten Erfahrungen, die sich in seinem<br />

Verhalten in Form von Interaktions- und Verhaltensmustern niederschlagen. Die Erfahrungen <strong>des</strong> Menschen sind<br />

somit die grundlegenden Daten, über die er/sie verfügt. Sie sind die Schnittstelle zwischen äußerer und innerer<br />

Umwelt. Der Begriff der Erfahrung verweist sowohl auf die biologische Natur <strong>des</strong> Menschen als auch auf <strong>des</strong>sen<br />

Angewiesenheit auf die ihn umgebende soziale und kulturelle Umwelt. Sullivan (1983: 54) führt den Begriff Erfahrung<br />

auf drei biologische Prinzipien <strong>zur</strong>ück, auf das Prinzip der kommunalen Existenz, das der funktionalen<br />

Aktivität und das der Strukturierung. Die Integration, also die Verarbeitung von Erfahrung im weitesten Sinn<br />

findet auf unterschiedlichen, aufeinander bezogenen und in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehenden<br />

Ebenen statt. Erfahrung ist nicht nur auf die kognitive Verarbeitung beschränkt. Die Integration von Erfahrung<br />

ist abhängig vom ‚Reifezustand’ <strong>des</strong> jeweiligen Menschen und von der ‚Qualität seiner interpersonalen Beziehungen’.<br />

Erfahrungen können integriert, <strong>des</strong>integriert und aufgelöst werden. Hierbei kommt den kommunika-<br />

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