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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

1989: 299f) verweist in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von George Herbert Mead, demzufolge das Selbst<br />

nur in Beziehung zu anderen Selbsten existiert. Hiernach verfügen Menschen über intrapersonale Konzepte<br />

(‚within-persons’), mittels derer sie sich die Vorstellungen und Reaktionen anderer in Bezug auf ihr eigenes<br />

Verhalten vorstellen. Mead bezeichnet diese als ‚generalisierte Andere’. Das Konzept <strong>des</strong> generalisierten Anderen<br />

weist auf die Fähigkeit der Menschen <strong>zur</strong> Übernahme von Rollen bzw. Perspektiven hin, die eine Grundvoraussetzung<br />

<strong>zur</strong> Herausbildung eines Selbst ist14 (s. Kap. 3). Peplaus Rollenverständnis scheint hier seinen Ursprung<br />

zu haben. Sie begreift das Selbst<br />

„aufgrund der ineinandergreifenden Natur seiner vielen Funktionen und der Tendenz nach Aufrechterhaltung<br />

eines Gleichgewichts (Äquilibrium) oder einer Stabilität als System. Wie bei allen Systemen, hat eine<br />

Veränderung einer Funktion <strong>des</strong> Selbst-Systems, sei sie konstruktiver Art oder nicht, Auswirkungen auf alle<br />

anderen Funktionen“ (Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 297).<br />

Dieser Umstand bringt es mit sich, dass es<br />

„eine schwierige, zeitaufwendige und nur schrittweise zu lösende Aufgabe ist, dem Patienten bei einer Änderung<br />

seiner Selbstsicht zu helfen“ (Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 297).<br />

Das Selbst-System begreifen Sullivan (1983) und Peplau (1989) als ein Anti-Angst-System. Es ist ein umfassen<strong>des</strong><br />

System von Manövern, Vorsichtsmaßnahmen und Wachsamkeiten, das der Mensch im Laufe seines Lebens<br />

herausbildet, um seinem Bedürfnis nach Sicherheit und Vermeidung von Angst entsprechen zu können. Insofern<br />

kommt dem Selbst-System eine verhaltensregulierende Funktion in interpersonalen Situationen zu, wobei diese<br />

dem jeweiligen intellektuellen und interpersonalen Entwicklungsstand der an einer solchen interpersonalen Situation<br />

beteiligten Personen entspricht (Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 299). Die menschliche Entwicklung<br />

wird in mehreren Phasen verlaufend 15 gedacht. Das Selbst-System eines Menschen ist kein statisches Gebilde<br />

am Ende eines Entwicklungsprozesses, sondern ein dynamischer, im Fluss befindlicher Prozess, der gegenüber<br />

Änderungen offen ist und somit ein fortgesetztes interpersonales Lernen im Sinne der Erfahrungsbildung ermöglicht.<br />

In interpersonalen Beziehungen gemachte Erfahrungen sind für die Entwicklung <strong>des</strong> Selbst-Systems von<br />

herausragender Bedeutung. Die Selbst-Systeme der in der unmittelbaren Situation und Interaktion Beteiligten<br />

werden immer wieder neu hergestellt. Anders ausgedrückt wird das Selbst-System stets neu aktiviert, wobei<br />

frühere Erfahrungen sowohl gegenwärtige als auch zukünftige Interaktionen mehr oder weniger stark bestimmen<br />

(s. Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 299). Mit Blick auf die Pflegekraft-Patient-Beziehung ist daher für die<br />

Pflegekraft von Interesse,<br />

• „was der vorherrschende Inhalt der Sicht eines bestimmten Patienten auf das Selbst dieses Patienten ist<br />

• wie diese vorherrschende Sicht <strong>des</strong> Patienten von sich selbst mit der Sicht, die die anderen sich in der interpersonalen<br />

Transaktion befindenden Menschen von sich haben, interagiert.“<br />

Insgesamt geht es um drei zentrale Dinge:<br />

1. „Was sind die zentralen Themen <strong>des</strong> agierenden Selbst-Systems eines bestimmten Patienten?<br />

2. Worin besteht die Beziehung zwischen diesen Themen und dem Verhalten <strong>des</strong> Patienten in Bezug auf<br />

andere Menschen in den unterschiedlichen Situationen?<br />

3. Was ist die generische Wurzel, die Geschichte, die Entwicklung dieser Themen, und ist sich der<br />

Mensch ihrer bewusst?“ (Peplau 1979: 32)<br />

Weitere wichtige Fragen sind:<br />

14 S. hierzu auch die Ausführungen von Sullivan (1983: 39) zu Mead. Sullivan stimmt mit den Vorstellungen Meads <strong>zur</strong> Genese<br />

<strong>des</strong> Selbst weitgehend überein. Seine Kritik besteht darin, dass die Meadsche Konzeption „keine Energie miteinbezog,<br />

mit deren Hilfe sich Phänomene wie Rollenwechsel oder beim Rollenspiel verbrauchte Energie und dergleichen erklären ließen“<br />

(ebenda: 39).<br />

15 Sullivans (1983: 56f) Phasen- bzw. Stadienschema ist ein heuristisches. Er spricht vom Säuglingsalter, von der Kindheit,<br />

jugendlichem Entwicklungsstadium, Präadoleszenz, früher Adoleszenz, später Adoleszenz und dem Erwachsenenalter oder<br />

der Reife. Peplau (1979) hat sich insbesondere mit dem Säuglingsalter, der Kindheit, dem juvenilen Alter und der Adoleszenz<br />

beschäftigt.<br />

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