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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 1<br />

ne Rolle mehr, und zwar bis Anfang der 1990er Jahre, von wo an das Thema ‚Caring’ die theoretische Debatte<br />

bestimmte. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt jedoch, dass das Geschlecht bei der Anerkennung der Pflege als<br />

wissenschaftlicher Disziplin innerhalb eines männlich konnotierten Wissenschaftsbetriebs und Wissenschaftsverständnisses7<br />

durchaus eine Rolle spielte. Die dritte Phase möchte ich mit dem Begriff einer wissensgestützten<br />

Pflegepraxis umschreiben. In dieser Phase geht es vor allem darum, die Erkenntnisse der Pflegewissenschaft und<br />

die pflegetheoretischen Ansätze für die Praxis nutzbar zu machen (s. Birk 2007). Spätestens hier wird die Auseinandersetzung<br />

mit dem etablierten subordinate-superdominante-Muster in seinen unterschiedlichen Ausprägungen<br />

bedeutsam. Alle genannten Phasen sind für die vorliegende Arbeit mehr oder weniger von Bedeutung. Nachfolgend<br />

werden wichtige Entwicklungsetappen der ersten und zweiten Phase skizziert.<br />

1.2 HERAUSBILDUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER PFLEGE: ERSTE PRAGMATISTISCHE<br />

WURZELN<br />

Bei der Herausbildung der ersten Umrisse <strong>des</strong> pflegerischen Gegenstandsbereichs in den USA waren die beiden<br />

Praxisfelder, das Krankenhaus als Ausbildungsstätte und das Zuhause <strong>des</strong> Patienten, d.h. seine Wohnung und<br />

sein näheres soziales Umfeld, als primäre Arbeitsplätze im Anschluss an die Ausbildung von zentraler Bedeutung.<br />

Erhellend ist, wie Wortführerinnen wie Lillian Wald8 , Lavinia Dock & Annie Goodrich die Pflege sahen.<br />

Danach bestimmte sich die pflegerische Arbeit nach dem Bedarf der Gesellschaft und <strong>des</strong> einzelnen Patienten,<br />

wie das folgende Zitat zum Ausdruck bringt:<br />

„Nursing practice was not synonymous with ‘doing’. Technical training was simply a component of the<br />

greater ‘nursing work’, which concerned itself with human beings, relationships, and environment. A bed<br />

bath was not a practice, but nursing was. And the ‘being’ of nursing belonged not to the individual nurse,<br />

but to the collective group called Nursing. This group identity, which Wald called the ‘spirit of nursing’,<br />

was a virtue of nursing that enabled the profession, as a collective, to achieve the needed outcomes of nursing<br />

practice. The ideal outcome was conceptualized as a perfected humanity” (Hamilton 1994: 15).<br />

Das Bild, das diese Frauen von der Pflege entwarfen, bestimmte in der Folge die Herausbildung erster Wissenskonturen<br />

in der Pflege. Um die Konkurrenzfähigkeit der Pflege als eines gelernten, zunehmend auch ‚gelehrten‘<br />

Berufes zu erhalten 9 , musste die Pflegeausbildung in das höhere Bildungswesen verlagert werden. Zur Begründung<br />

bedienten sich die führenden Pflegekräfte <strong>des</strong> von Männern definierten Professionskonzepts, indem sie<br />

ihrem Professionsbegriff Eigenschaften <strong>des</strong> jeweils vorherrschenden Frauenbil<strong>des</strong> beifügten und ihn an die jeweils<br />

vorgefundene gesellschaftliche Situation anpassten. Als Rollenmodell diente die sich professionalisierende<br />

Medizin zu Beginn <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts10 , deren Professionsverständnis von den Vorstellungen Abraham<br />

7 Der Einfluss eines männlich konnotierten Wissenschaftsverständnisses lässt sich m.E. gut am Beispiel der<br />

Theorieentwicklung in der Pflege rekonstruieren. Das Dilemma der Pflegewissenschaft bestand darin, dass sie sich als eine<br />

von Frauen dominierte Disziplin im männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb Gehör und Anerkennung verschaffen<br />

musste.<br />

8 Hamilton (1994: 13) hebt hervor, dass Wald die Äußerung machte, dass die Pflege nicht mehr das ‚handmaiden‘ der Ärzte<br />

sei, die offizielle Frau der Medizin, oder die jüngste Schwester in der medizinischen Familie. Ihr schwebte statt<strong>des</strong>sen eine<br />

unabhängige Pflegeprofession vor.<br />

9 Eine Folge der Demokratisierung <strong>des</strong> Wissens und der im Zuge der Industrialisierung neu geschaffenen<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten war, dass Frauen in zunehmendem Maße Zugang <strong>zur</strong> Collegeausbildung hatten (s. auch<br />

Raeithel 1988). Für bestimmte Frauen verlor die Pflegeausbildung an Attraktivität. Diese galt es über die Anhebung der<br />

Pflegeausbildung <strong>zur</strong>ückzugewinnen (s. u.a. die Beiträge in Birnbach/Lewenson 1991). In diesem Zusammenhang sind die<br />

unterschiedlichen Entwicklungen von Pflege und Medizin aufschlussreich (s. ausführlich hierzu Ludmerer 1985, Risjord<br />

2010).<br />

10 Mit der Übernahme oder der Anlehnung an das Konzept einer Profession war nicht zwangsläufig die Akzeptanz der<br />

Unterordnung der Pflege unter die Medizin verbunden. Das Professionskonzept eröffnete vielmehr die Chance, die bislang<br />

geltende Geschlechtertrennung infrage zu stellen. In diesem Zusammenhang ist erhellend, dass vor allem solche Mediziner<br />

die Professionalisierung der Medizin vorantrieben, die in ‚medical school complexes’ tätig waren. Um das Konzept einer<br />

wissenschaftlich begründeten Medizin durchzusetzen, verknüpften sie es mit dem ‚business model’. Sie erhielten dabei<br />

erhebliche Unterstützung von Seiten der Rockefeller Foundation und anderer von Industriellen gesponsorten Stiftungen (s.<br />

Markowitz/Rosner 1979: 187f).<br />

10

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