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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

4. ein Grundstock richtungsweisender Konzepte, die der Pflegekraft eine Leitlinie geben, wie sie sich in<br />

pflegerischen Situationen mit den Patienten von einer Nähe zu einem Kontakt bis hin <strong>zur</strong> Aufnahme einer<br />

Beziehung (‚intouchness’ or ‚relatedness’) bewegen kann“ (Peplau 1954 in O’Toole/Welt 1989: 10).<br />

Pflege<strong>theorie</strong>n oder theoretische Konzepte tragen zum Verständnis einer Spannbreite von menschlichen Phänomenen,<br />

psychosozialen Schwierigkeiten u.a.m. bei. Innerhalb ihres theoretischen Bezugsrahmens der interpersonalen<br />

Beziehungen arbeitete Peplau zentrale Konzepte wie das Konzept der Wechselseitigkeit, das der Phasenbezogenheit,<br />

das der Bedürfnisse und Stufen der Angst und das <strong>des</strong> interpersonalen Lernens heraus (s. auch<br />

Sills/Beeber 1995: 40). Weitere wichtige und von Peplau auf pflegerische Phänomene bezogene Konzepte sind<br />

das Selbst, die Angst, die Einsamkeit, die Halluzination u.a.m. Diese Konzepte werden innerhalb von Prozessen<br />

und Beziehungen gedeutet. Peplau begreift die pflegerische Situation, den Kontakt zwischen Pflegekraft und Patient<br />

als eine sich entwickelnde Situation. Zu ihrer 1952 veröffentlichten Arbeit merkt sie (Peplau 1992a: 56)<br />

vierzig Jahre später selbstkritisch an, dass es ihr in dieser Arbeit noch nicht gelungen sei, die von ihr gemeinten<br />

Prozesse explizit zu benennen, zu beschreiben und zu erklären. Sie weist aber darauf hin, dass der Prozess der<br />

Persönlichkeitsentwicklung ein ihrer ganzen Arbeit zugrundeliegender Prozess ist. Die Pflege ist danach auf<br />

Theorien der Persönlichkeitsentwicklung angewiesen sowie auf phasenbezogene Konzepte und zunehmend auf<br />

multiethnische Konzepte8 (s. Peplau 1996: 3). Das hier im Mittelpunkt stehende Konzept <strong>des</strong> Selbst, d.h. die<br />

Herausbildung <strong>des</strong> Selbst und <strong>des</strong> Selbstkonzepts sieht sie als Ergebnis <strong>des</strong> Prozesses der Persönlichkeitsentwicklung,<br />

bei dem es sich um eine lebenslange Entwicklung handelt, die fortwährend innerhalb interpersonaler<br />

Beziehungen stattfindet.<br />

5.2 GRUNDLEGENDE ANNAHMEN<br />

Ausgangspunkt der Überlegungen Peplaus ist die interpersonale Situation, d.h. die pflegerische Situation. Wichtige<br />

Merkmale dieser Situation sind<br />

• die Pflegekraft<br />

• der Patient9 • sowie alles, was sich zwischen ihnen in der konkreten Situation ereignet (s. Peplau 1995, Peplau 1954 in<br />

O’Toole/Welt 1989: 5).<br />

Was zwischen Patient und Pflegekraft geschieht, kann als Pflegeproblem bzw. -bedarf bezeichnet werden, als<br />

Bedarf <strong>des</strong> Patienten oder auch als Thema innerhalb der Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient (s. ebenda:<br />

6). An anderer Stelle unterstreicht sie die Hauptelemente in einer Pflegekraft-Patient-Beziehung. Dies sind zwei<br />

Menschen, zum einen der Patient, zum anderen die Pflegekraft. Als weitere Elemente nennt sie die professionelle<br />

Expertise und den pflegerischen Bedarf <strong>des</strong> Patienten (s. Peplau 1992b: 14). Die Notwendigkeit, sich mit dem<br />

Geschehen zwischen Pflegekraft und Patient auseinanderzusetzen, ergibt sich für Peplau aus dem Umstand, dass<br />

das pflegerische Handeln Auswirkungen auf den Patienten und somit auf seinen Gesundheitszustand im weitesten<br />

Sinn hat (Peplau 1989 in O’Toole/Welt 1989: 273). Peplau richtet von daher ihre Aufmerksamkeit auf die in<br />

der pflegerischen Situation und in der Beziehung zwischen Patient und Pflegekraft ablaufenden interpersonalen<br />

und intrapsychischen Prozesse. Jeder menschlichen Erfahrung - sei es im Denken, Fühlen und Handeln -, wohnen<br />

intrapsychische Prozesse inne, die in der Interaktion zwischen Menschen, d.h. in ihren Beziehungen wechselseitig<br />

in Form von Erwartungen, Vorurteilen, Wünschen und Begierden sowie in Form von Gefühlen wirksam<br />

werden. Das Zusammenspiel von Gedanken, Gefühlen und Handlungen der an einer Situation beteiligten Personen<br />

bestimmt, was zwischen ihnen vorgeht. Der Umstand, dass intrapsychische Vorgänge der einzelnen Men-<br />

8 In dem von mir am 8 Mai 1990 geführten Interview mit Peplau gab sie zu verstehen, dass insbesondere das Konzept der<br />

‚needs’ einer Überarbeitung bedürfe und dass sie ihre Arbeit heute aus dem Blickwinkel feministischer Theorien einer Überprüfung<br />

unterziehen würde. Der Begriff ‚needs’ hat viele Bedeutungen. Er kann folgendermaßen übersetzt werden: Bedarf,<br />

Bedürfnis, Bedürftigkeit, Erfordernis, Nachfrage, Entbehrung, Not, Notlage, Notwendigkeit (s. www.dict.leog.org). Ich werde<br />

diesen Begriff mit Bedürfnis, Bedarf und Erfordernis übersetzen.<br />

9 Der Begriff ‚Patient’ ist nicht auf das Individuum beschränkt. Er kann sich auch auf mehrere Personen, eine Familie oder<br />

eine Gruppe von Menschen beziehen.<br />

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