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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 5<br />

5. HILDEGARD PEPLAU 1 : INTERPERSONALE BEZIEHUNGEN IN DER PFLEGE<br />

Das Ziel dieses Kapitel besteht darin, in einem ersten Schritt eine Antwort auf die in Kapitel 4 formulierten Fragen<br />

zum Selbst, Selbstkonzept und Körperbild zu geben. Dies geschieht, indem nachgezeichnet wird, wie diese<br />

Begriffe in den theoretischen Vorstellungen von Hildegard Peplau aufgegriffen worden sind. Bei dieser Rekonstruktionsarbeit<br />

wird zugleich überprüft, welche Anregungen und Anknüpfungspunkte sich aus Peplaus Vorstellungen<br />

für eine handlungstheoretische Reformulierung <strong>des</strong> RLT-Modells ergeben. Die Ergebnisse werden am<br />

Ende <strong>des</strong> Kapitels zusammengefasst, wobei auch auf die anderen in Kapitel 4 formulierten Fragen eingegangen<br />

wird.<br />

Hildegard Peplau hat die Begriffe Selbst und Selbstkonzept in ihrem 1952 erschienenen Buch ‚Interpersonal Relations<br />

in Nursing’ 2 als relevante Konzepte in die Pflege eingeführt3 . Sie unternahm darin den Versuch, die Pflege<br />

als eine interpersonale oder zwischenmenschliche Beziehung theoretisch zu begründen. Dafür griff sie auf<br />

das vorhandene Wissen verwandter Disziplinen wie Psychiatrie, Psychologie oder Sozialwissenschaften <strong>zur</strong>ück.<br />

Ihre Leistung bestand darin zu zeigen, wie die zunächst in anderen Disziplinen entwickelten Konzepte auf die<br />

Pflege bezogen werden konnten und welche Bedeutung ihnen in einem pflegerischen Kontext zukam. Mit ihren<br />

Vorstellungen <strong>zur</strong> Pflege leitete Peplau einen Perspektivenwechsel von einer ‚science of doing‘ 4 zu einer ‚science<br />

of knowing‘ ein.<br />

Peplau machte sich dabei zentrale Einsichten zunutze, wie sie zuvor von Harry Stack Sullivan5 in seiner ‚Interpersonalen<br />

Theorie der Psychotherapie’ formuliert worden waren. Er war sich sehr früh der Bedeutung bewusst,<br />

die dem Pflegepersonal für den Behandlungsverlauf zukommt. Er trug dieser Erkenntnis in einer von ihm konzipierten<br />

Aufnahmestation in Sheppard Pratt6 Rechnung, dem Krankenhaus, an dem er seine erste Anstellung als<br />

1 Hildegard Peplau wurde am 01. September 1909 in Reading Pennsylvania, USA, geboren. Sie starb am 17. März 1999 in<br />

Sherman Oaks, California.<br />

2 Hier wird auf die deutsche Übersetzung (1995) der Originalfassung von 1988 <strong>zur</strong>ückgegriffen.<br />

3 Die Arbeit an dem Buch war 1948 abgeschlossen. Es dauerte aber einige Jahre bis die Arbeit veröffentlicht wurde. Dies ist<br />

dem Umstand geschuldet, dass Peplau nicht bereit war, ihre Arbeit unter dem Namen eines Arztes zu veröffentlichen. Ebenso<br />

wenig war sie bereit, zentrale Aussagen ihres Textes zu verändern (persönliches Interview MMK mit Peplau am 8.5.1990,<br />

Peplau 1992a: 53, Boling 2003, Silverstein 2003).<br />

4 Ein Beispiel für diese Form von Wissenschaft ist nach Peplau (1992a) der Ansatz von Nightingale. Sie legte ihren Fokus<br />

auf das, was eine Pflegekraft tun sollte. Peplau setzte sich hiermit im Rahmen der Entwicklung eines akademischen Studiengangs<br />

in psychiatrischer Pflege intensiv auseinander.<br />

5 Harry Stack Sullivan (1892-1949) war Psychiater. Es ist schwer, Sullivan eindeutig einer bestimmten Richtung innerhalb<br />

der Psychoanalyse und/oder der Psychologie zuzuordnen. Wyss (1991) z.B. ordnet ihn den Neopsychoanalytikern zu; Evans<br />

(1996) beschreibt ihn als Begründer einer psychodynamischen/psychoanalytischen Denkrichtung, die auch als interpersonale<br />

Psychiatrie oder interpersonale Psychoanalyse bezeichnet wird, und Lin<strong>des</strong>mith et al. (1999) rechnen ihn den ‚psychosocial<br />

developmentalists’ zu. Peplau hatte Sullivan in den 30er Jahren in Chestnut Lodge, einem psychiatrischen Krankenhaus in<br />

Bethesda, Maryland, kennengelernt. Dort hatte sie Gelegenheit, an seinen klinischen Seminaren teilzunehmen, wo sie u.a.<br />

auch mit Frieda Fromm-Reichmann und anderen Vertretern der damaligen amerikanischen Psychiatrie und verwandter Disziplinen<br />

zusammentraf (s. Sills 1998, Callaway, 2002, Boling 2003). Daruntter Edward Sapir, ein Ethnologe und Sprachwissenschaftler.<br />

Dieser hatte Sullivan mit der Chicagoer Schule - Cooley, Mead, Dewey, Thomas - bekannt gemacht. Der Einfluss<br />

dieser Denkschule ist bei Peplau ebenso wie bei Sullivan nicht zu übersehen. Er schlägt sich u.a. im Verständnis der<br />

Persönlichkeitsentwicklung, der Kommunikation, von interpersonalen Interaktionen/Situationen sowie im Konzept <strong>des</strong> Selbst<br />

nieder (s. Evans 1996, Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999, Conci 2005).<br />

6 Sheppard und Enoch Pratt gehörten zu den vier psychiatrischen Krankenhäusern, die Anfang <strong>des</strong> 20. Jh. (etwa um 1910)<br />

schon eine Weiterbildung (post-graduate course) in psychiatrischer Pflege anboten. Schon damals bildeten sich erste Ansätze<br />

einer Arbeitsrolle der psychiatrischen Pflegekräfte heraus (s. Peplau 1982: 16f). So vertrat Richards, eine Ärztin, in den<br />

zwanziger Jahren die Auffassung, dass die Pflegekraft nicht für den Arzt, sondern dass Pflegekraft und Arzt miteinander arbeiten<br />

sollten. Um eine - von ihr als Kunst verstandene – professionelle Pflege in den verschiedenen Institutionen (Krankenhäuser,<br />

private Pflege, öffentliche Gesundheitspflege) betreiben zu können, müsse sich die Pflegeausbildung auf die Untersuchung<br />

zwischenmenschlicher Beziehungen richten. Eine ähnliche Forderung wurde von einigen Ärzten aufgestellt. Die Bedeutung<br />

der Rolle der Pflegekraft in der psychiatrischen Behandlung wurde sowohl von einigen Ärzten als auch von einigen<br />

Pflegekräften gesehen und mit Begriffen wie ‚die Pflegekraft als therapeutischer Agent’ umschrieben. Insofern griff Sullivan<br />

Erkenntnisse seiner Zeit aktiv auf (s. Peplau 1982: 22f).<br />

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