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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

deutlich mehr, um was es sich zu kümmern gelte, als worauf eingegangen werden könne. Darüber hinaus werde<br />

Frauen im Allgemeinen mehr zugemutet, als ihnen möglich ist, und sie werden oft kritisiert, wenn ihnen das<br />

nicht gelingt. Die Folge ist, dass ihr unterstelltes Versagen, sich nachteilig auf die Ausbildung einer grundlegenden<br />

Geschlechtsidentität auswirkt, auf das Versagen, weiblich, mütterlich oder eben ‚caring’ zu sein. Die hiermit<br />

verbundenen Handlungen müssen keine sichtbaren sein (s. Fisher/Tronto 1990: 42).<br />

4.5.2 Taking care of (Einleiten von Care – Aktivitäten)<br />

In dieser Phase geht es um die Übernahme der Verantwortung für die Initiierung und Aufrechterhaltung von<br />

Care-Aktivitäten. Dies erfordert kontinuierliche Zeit und explizites Wissen in Bezug auf eine Situation. Um sich<br />

um einen Menschen kümmern zu können, muss der-/diejenige über soviel Wissen verfügen, dass er/sie das Ergebnis<br />

der Bemühungen in etwa vorhersagen oder erahnen kann. Verantwortung zu übernehmen, bedeutet, auch<br />

für die Konsequenzen <strong>zur</strong> Verantwortung gezogen zu werden. Die zentrale Fähigkeit dieser Phase besteht im Urteilsvermögen<br />

darüber, welche der verschiedenen möglichen Handlungswege eingeschlagen werden sollen. Dies<br />

setzt eine Beurteilung der verfügbaren Ressourcen voraus. In der Idee <strong>des</strong> ‘taking care’ ist eine Einschätzung von<br />

Macht enthalten, d.h. in der Lage zu sein, nicht nur Ressourcen zu berechnen, sondern über sie zu verfügen. Und<br />

genau an diesem Punkt wird der tiefgreifendste Widerspruch <strong>des</strong> ‚taking care’ offenbar. Er besteht in der Asymmetrie<br />

zwischen Verantwortung und Macht. Wo die Verantwortung groß, aber die Macht gering ist, wird von<br />

den Betreffenden (Frauen) erwartet, dass sie die Defizite innerhalb <strong>des</strong> Caring Prozesses kompensieren (s. Fisher/Tronto<br />

1990: 43).<br />

4.5.3 Care-giving ( die konkrete Arbeit)<br />

In dieser Phase geht es um die konkrete Arbeit der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung unserer Welt.<br />

Care-giving erfordert einen kontinuierlicheren und dichteren Zeiteinsatz als die vorherigen Phasen. Entsprechend<br />

setzt das Wissen, welches zum Care-giving erforderlich ist, ein eher detailliertes als alltägliches Verständnis voraus.<br />

Es kann sein, dass diejenigen, die die Verantwortung für die Pflege übernehmen, den Pflegeplan periodisch<br />

abändern müssen. Es bedarf einer gewissen Flexibilität, um die Strategien von Moment zu Moment, von Tag zu<br />

Tag an die sich ändernden Zustände anzupassen. Um diese Änderungen vorzunehmen, bedarf es der Erfahrung,<br />

gewisser Fähigkeiten und nicht zuletzt auch eines Urteilsvermögens. Des Weiteren benötigt der/die Pflegende<br />

gewisse grundlegende Ressourcen, um seine Fähigkeiten anbringen zu können. Auch wenn er/sie in Bezug auf<br />

die Ressourcen sehr geschickt improvisieren kann, verlangt wahre Geschicklichkeit, erfinderisch zu sein. Die<br />

Improvisation hat aber ihre Grenzen (s. Fisher/Tronto 1990: 43f).<br />

4.5.4 Care-receiving: (gepflegt werden / Pflege erhalten)<br />

Die Phase <strong>des</strong> Empfangens und Erhaltens von Pflege kann definiert werden als die Antwort <strong>des</strong>sen, an den die<br />

Pflege gerichtet ist. Da Pflege immer ein Handeln in Bezug auf etwas bzw. auf jemanden ist, gibt es immer eine<br />

Reaktion darauf, auch wenn diese nicht absichtlich gegeben, bzw. bewusst oder menschlich nachvollziehbar sein<br />

muss. Die Antworten derjenigen, die Pflege erhalten, werden auch durch ermöglichende Faktoren in einer Pflege-<br />

bzw. Versorgungssituation bedingt. So haben bspw. Pflegeempfänger ihren eigenen Zeitrahmen und verfügen<br />

über intimes Wissen bezüglich ihres Pflegebedarfs, weil sie es sind, die die Pflege an sich erfahren. Übernehmen<br />

die Menschen die von ihnen benötigte Pflege selbst, dann müssen sie sich pflegerische Fähigkeiten aneignen<br />

bzw. selbst beibringen. Paaren oder organisierten Gruppen von PflegeempfängerInnen gelingt es gelegentlich,<br />

die Ressourcen für ihre Pflege zu mobilisieren und sich diese Pflege gegenseitig zu geben. Aber auch<br />

hier wird die Fähigkeit der PflegeempfängerInnen, Gebrauch von solchem Wissen und solchen Fähigkeiten zu<br />

machen, durch die verfügbaren Ressourcen begrenzt. Selbst da, wo dieselben vorhanden sind, kann es u.U. sein,<br />

dass bei gewissen Erfordernissen denselben nur mit Hilfe eines Pflegenden entsprochen werden kann. Somit<br />

können auch solche Strategien <strong>zur</strong> eigenen Pflege nicht gänzlich den Konflikt zwischen Pflegenden und Pflegeempfängern<br />

vermeiden (s. Fisher/Tronto 1990: 44ff).<br />

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