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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 1<br />

sität Ulm (1971-1974) mit dem Arbeitstitel ‚Diplommediziner’ zu nennen1 (s. Müller 1996: 11). Ein deutlich anderer<br />

Entwicklungsschub ging von der WHO aus, die im Rahmen <strong>des</strong> mittelfristigen Programms für das Krankenpflege-<br />

und Hebammenwesen (1976-1983) eine europäisch-multinationale Studie ‚People’s needs for<br />

Nursing Care’ initiierte und damit in Deutschland die Beschäftigung mit dem ‚Pflegeprozess’ und anderen Ideen<br />

förderte (s. bspw. Fiechter/Meier 1985, Taubert 1992, Mischo-Kelling 2003, Habermann/Uys 2006, Habermann<br />

2006). Erst weitere 20 Jahre später gelang es im Rahmen der Akademisierung von Teilbereichen der Pflege, Anschluss<br />

an die o.g. Entwicklungen zu finden und diese vor allem im Bereich der Pflegebildung2 nutzbar zu machen<br />

(s. etwa <strong>zur</strong> Verbreitung <strong>des</strong> RLT-Modells in Deutschland Brandenburg/Dorschner 2003).<br />

Wie Erfahrungen in den USA, sowie in europäischen und außereuropäischen Ländern nahelegen, hat die Idee<br />

von der Pflege als einer Profession Folgen für die Gestaltung der konkreten Pflegearbeit. Die vielfältigen von der<br />

einsetzenden Professionalisierung der Pflege ausgehenden Folgen zeigen sich nicht nur im Bereich der Bildung,<br />

sie schlagen sich ebenso in der Praxis bei den vielfältigen Bemühungen nieder, die Pflege in einem seit dem 20.<br />

Jahrhundert männlich konnotierten und medizindominierten Gesundheitswesen als autonome Profession zu<br />

etablieren und den Gegenstandsbereich der Pflege in der beruflichen Praxis <strong>zur</strong> Geltung zu bringen. In diesem<br />

Kontext ist sowohl die Entstehung von Pflege<strong>theorie</strong>n und der Pflegeforschung zu sehen, die Einführung <strong>des</strong><br />

Pflegeprozesses als eines methodischen Mittels <strong>zur</strong> Strukturierung und Gestaltung der Pflege, wie auch das Aufkommen<br />

von Pflegediagnosen und später das der verschiedenen Klassifikationssysteme, die Entwicklung von<br />

Organisationsformen der pflegerischen Arbeit (kurz: Pflegesysteme) wie <strong>des</strong> Primary Nursing (Primäre Pflege),<br />

die diversen Formen <strong>des</strong> Case Managements und so genannter Professioneller Praxismodelle, deren Umsetzung<br />

durch die Magnet-Hospital-Bewegung gefördert wird (s. Clifford/Horvarth 1990, Manthey 2002, Kramer/Schmalenberg<br />

2005a, Huber 2006, Mischo-Kelling 2007c, Deutschendorf 2010). In Großbritannien und in<br />

den von diesem beeinflussten Ländern wie Australien, Neuseeland, aber auch Kanada wird hingegen die Verankerung<br />

einer personenzentrierten Praxis maßgeblich durch den schon erwähnten Practice Development3 Ansatz<br />

(PD, Praxisentwicklung) vorangetrieben (s. McCormarck/Manley/Garbett 2004, Manley/McCormack/Wilson<br />

2008).<br />

Die Analyse all dieser Bemühungen zeigt, dass das sich seit dem 19. Jahrhundert langsam entwickelnde und Anfang<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts von führenden Pflegekräften in den USA übernommene und modifizierte männlich<br />

konnotierte Professionskonzept für die berufliche Pflege ein strukturell höchst bedeutsames und folgenreiches<br />

Konzept ist. Auf dieses strukturelle Problem hat zuerst Strauss (1966/2001: 54f) hingewiesen, der am Beispiel<br />

der historischen Entwicklung der beruflichen Pflege in den USA die strukturelle Abhängigkeit der pflegerischen<br />

von der medizinischen Arbeit untersucht und auf das strukturelle Arrangement der beiden Berufe aufmerksam<br />

gemacht hat. Dieses zeichne sich in der amerikanischen Pflege durch ein ihr eigenes charakteristisches ‚subordinate-superdominate<br />

pattern‘ 4 auf der Basis der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung5 aus. Auf der Arbeitsebe-<br />

1 Die Bildungsinitiativen wie der Modellversuch für Lehrende in Medizinalfachberufen an der Freien <strong>Universität</strong> Berlin, an<br />

der <strong>Universität</strong> Osnabrück sowie an der Katholischen Fachschule Osnabrück sind im Kontext <strong>des</strong> o.g. Strukturplans zu sehen.<br />

2 Eine erste Rezeption von Pflege<strong>theorie</strong>n setzt im Zusammenhang mit der Aufnahme und Verbreitung <strong>des</strong> Pflegeprozesses<br />

ein (s. zusammenfassend Mischo-Kelling 2003).<br />

3 Es geht hier u.a. auch darum, wie die professionelle Expertise auf betrieblicher Ebene so gefördert werden kann, dass diese<br />

eine am Menschen orientierte Gesundheitsversorgung ermöglicht. Auf dem europäischen Kontinent wird dieser Ansatz<br />

gegenwärtig insbesondere in der Schweiz und in den Niederlanden aufgegriffen.<br />

4 Risjord (2010: 7f) beschreibt am Beispiel von Nightingale und Brennan, einer amerikanischen Pflegekraft, die ambivalente<br />

Rolle <strong>des</strong> Theorieverständnisses in der Pflege im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Diese wird von beiden Frauen im<br />

Zusammenhang mit dem Gehorsam der Pflegekräfte gegenüber den Ärzten bei der Befolgung ärztlicher Anordnung<br />

diskutiert. Um diese ausführen zu können, benötigten die Pflegekräfte Kenntnisse in Bezug auf medizinische Begriffe und<br />

medizinisches Wissen. Der Begriff Theorie wurde mit medizinischem Wissen gleichgesetzt. Nichts<strong>des</strong>totrotz wurde von<br />

beiden ein eigenständiger, von der Medizin unabhängiger Bereich der Pflege behauptet. Dieser Bereich verlangte eine<br />

pflegerische Expertise, deren spezifisches Wissen in der Pflege, d.h. in der Praxis verkörpert war. Dieses Wissen wurde im<br />

Prozess der pflegerischen Versorgung <strong>des</strong> Patienten erworben und es wurde bis ins 20. Jahrhundert unterstellt, dass Frauen<br />

aufgrund ihres Geschlechts von Natur aus über dieses Wissen verfügen.<br />

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