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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

„dieses Fühlen von Bedürfnissen konstant in Richtung auf das Finden zweckgerichteter Lösungen hindrängt<br />

(Rohde 1974: 99) 75 .<br />

Menschliches Handeln wie die Pflege <strong>des</strong> eigenen Körpers und Selbst oder die Pflege eines anderen Menschen<br />

dient der Bedürfnisbefriedigung im weitesten Sinn. Rohde nähert sich dem Begriff <strong>des</strong> ‚Bedürfnisses’ von der<br />

Anthropologie her. Er verzichtet mit Blick auf die Bedürfnisbefriedigung durch Institutionen 76 darauf, die Bedürfnisse<br />

näher zu differenzieren. Für ihn stellt die Bedürfnisbefriedung existenzieller oder elementarer Bedürfnisse<br />

wie bspw. <strong>des</strong> Hungers ein komplexes Unterfangen dar, das dem Menschen einiges abverlangt. Viele der<br />

<strong>zur</strong> Bedürfnisbefriedigung erforderlichen Handlungsweisen werden mit der Zeit zu Gewohnheiten, auf die der<br />

Mensch im Bedarfsfall <strong>zur</strong>ückgreifen kann (s. Kap.3.4.4). Für Institutionen wie das Krankenhaus begründen die<br />

Bedürfnisse den Zweck. Somit befriedigt die Institution Krankenhaus das Bedürfnis nach Pflege dauerhaft, wann<br />

immer dieses Bedürfnis aktuell wird. Damit dies möglich ist, muss der Zweck<br />

„als Wert in die Zielvorstellungen einer Gesellschaft ein(gehen), die zu (deren) seiner Verfolgung ein von<br />

der Zweckbestimmung her analytisch umschreibbares Handlungs- und Verhaltenssystem herausbildet und<br />

es durch Normen steuert (Rohde 1974: 101)<br />

Die Frage ist, welches Handlungs- und Verhaltenssystem eine Gesellschaft bezüglich der Pflege herausgebildet<br />

hat und durch welche Normen dieses gesteuert wird. In ersten publizierten Vorstellungen <strong>zur</strong> beruflichen Pflege<br />

wie etwa von Harmer (1922) findet eine Auseinandersetzung mit den o.g. Bedürfnissen statt. Harmers Gedanken<br />

werden später von Henderson aufgegriffen und weiter ausgeführt (s. Kap. 2). Orem (1995: 7/ 1997: 9) spricht in<br />

diesem Zusammenhang von self-care bzw. Selbstpflege 77 . Mit diesem Begriff bezeichnet sie in einer ersten Annäherung<br />

„das persönliche Für-sich-Sorgen, das Individuen jeden Tag benötigen, um ihr allgemeines Funktionieren<br />

und ihre Entwicklung zu regulieren. Der Bedarf der Menschen nach dieser regulierenden Aktivität wird unter<br />

anderem durch Faktoren wie Alter, Entwicklungsstadium, Gesundheitszustand, Faktoren der Umgebung<br />

und durch die Auswirkungen der medizinischen Behandlung beeinflusst.“<br />

Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, an die ein Teil der gesellschaftlich notwendigen Pflegeaufgaben delegiert<br />

worden ist, üben somit eine gesellschaftlich höchst relevante Aufgabe aus. Nach Orem (1995/97, 2001) erbringen<br />

Pflegekräfte spezialisierte Dienstleistungen, die der anthropologischen Kategorie einer objektiv gegebenen<br />

(Hilfe-)Bedürftigkeit bzw. eines Bedarfs entsprechen. Die professionelle Pflege ist (demnach) nicht einfach<br />

nur eine menschenfreundliche, voluntaristische Hilfestellung, sondern eine objektiven Kriterien gehorchende<br />

notwendige Arbeit. Collière (1986: 96) beschreibt diesen Sachverhalt folgendermaßen:<br />

75 Die von Rohde angeführten Zitate weisen u.a. darauf hin, dass pflegerisches Handeln sich in menschlichen Gewohnheiten<br />

der Lebensfristung niederschlägt. In Anlehnung an Gehlen schreibt er: „So ist es nicht weiter verwunderlich, dass aus einer<br />

derart belasteten und riskierten Lage heraus selbst wieder ein Bedürfnis entsteht, nämlich das allgemeine, sich von der Notwendigkeit<br />

stets neuer Ad-hoc-Lösungen der jeweiligen Problemlage zu entlasten, d.h. das durch Erkenntnisleistung und<br />

sachlogische Handlung einmal gefundene und erprobte Arrangement der Tatsachen festzuhalten und festzustellen. Das<br />

kann nicht gut anders geschehen als dadurch, dass bestimmte Bedürfnisse mit bestimmten Sachlagen, Handlungsverläufen<br />

und Verhaltensweisen zu einem festen System verbunden werden, innerhalb <strong>des</strong>sen das jeweilige Verhalten<br />

fraglos wird. Aus der Vielfalt der durch die Unerschöpflichkeit <strong>des</strong> Faktenreservoirs und der Plastizität <strong>des</strong> Menschen bedingten<br />

Möglichkeiten wird eine herausgehoben und vereinseitigt; denn erst dadurch wird sie gewohnheitsmäßig und dauerhaft.<br />

Jederlei Dauer und Zeitresistenz kultureller Schöpfungen ist bezogen auf die Vereinseitigung der Handlungsabläufe -<br />

ihre Spezialisierung - und damit auf die Vereinseitigung der Sachaspekte“ (Rohde 1974: 99). Hier gibt es eine gewisse Ähnlichkeit<br />

mit den in Kap. 3 beschriebenen Vorstellungen <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus.<br />

76 Hierunter fällt auch die Familie.<br />

77 Ingrid Kollak (1999: 16) greift in ihrer Arbeit den von Orem geprägten Begriff ‚self-care’ auf. Sie übersetzt ihn mit<br />

‚Selbstsorge’. Sie untersucht die Aktualität dieses Begriffs vor sozialgeschichtlichem Hintergrund. In diesem Zusammenhang<br />

verweist sie auf Michel Foucaults ‚Arbeit <strong>zur</strong> Geburt der Klinik‘ (1988: 75) und der dort referierten Form der ärztlichen Befragung.<br />

Hier werden Fragen in Bezug auf drei menschliche Funktionsarten (die Vitalfunktionen, die natürlichen Funktionen<br />

und die animalistischen Funktionen) gestellt. Kollak (1999: 21) sieht hier eine gewisse Ähnlichkeit zu den Aktivitäten <strong>des</strong><br />

Lebens.<br />

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