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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

zum Arzt werden, der ihn in seiner Rolle in Anspruch nimmt [...]. Die Arztrolle ist ein Komplex von Verhaltensweisen,<br />

der im Rollenträger ständig gleichsam ‚auf dem Sprung‘ zu sein hat. Dieser universalistische,<br />

radikal nicht exklusive Aspekt steht hinter der grundsätzlichen Verpflichtung zu ärztlicher Hilfeleistung.<br />

Eine gewisse Tendenz <strong>zur</strong> Minderung <strong>des</strong> Universalismus sei gerade in Hinblick auf die gegebene Ausweitung<br />

und Differenzierung <strong>des</strong> Bezugsfel<strong>des</strong> der Rolle <strong>des</strong> Arztes zu beobachten. Der Universalismus der Arztrolle in<br />

der Rolle <strong>des</strong> Krankenhausarztes wird durch Binnendifferenzierung, Spezialisierung innerhalb der Medizin,<br />

durch die arbeitsteilige Organisation und dadurch bedingte unterschiedliche Ansprüche gemindert und eingeengt<br />

(s ebenda 1974: 266f). Die Kollektivorientierung besteht darin, dass sich der Handelnde an die Solidarität mit<br />

anderen hält. Diese ist ebenso wie der Universalismus der Arztrolle bereits normativ in der Institution <strong>des</strong> Krankenhauses<br />

verankert. Rohde (1974: 271) betont,<br />

„dass der Arzt das Patientenwohl in seiner Berufsrolle zu seinem eigenen höchsten Interesse zu machen hat.<br />

Von ihm wird Solidarität mit dem Patienten gefordert. An diese Forderung knüpfen sich bestimmte Verhaltensanweisungen<br />

und Haltungsprinzipien.“<br />

Die für die Arztrolle und eine Profession als wesentlich erkannten Merkmale, - funktionale Spezifität, affektive<br />

Neutralität, Universalismus und Kollektivorientierung – können nach Rohde (1974: 278) prinzipiell auch auf den<br />

pflegerischen Funktionskreis übertragen werden. Auf seine Konzeption <strong>des</strong>selben soll im nächsten Abschnitt<br />

eingegangen werden.<br />

4.4.2 PFLEGERISCHER FUNKTIONSKREIS<br />

Die Unterschiede in den beiden Funktionskreisen sieht er durch die Geschichte <strong>des</strong> Pflegeberufs sowie in der gesellschaftlichen<br />

Organisation außerfamiliär erbrachter Pflegeleistungen begründet. Sie ergeben sich über die Inhalte<br />

der Arbeit. Kranke behandeln und kranke Menschen pflegen ist nicht dasselbe. Rohde beschreibt den pflegerischen<br />

Funktionskreis geschlechtsunspezifisch und er setzt die Pflegearbeit nicht automatisch mit Frauenarbeit<br />

gleich 74 . Er begreift die Rolle der Pflegekraft als die krankenhaustypischste Rolle überhaupt. Diese Aussage<br />

steht im Zusammenhang mit Roh<strong>des</strong> Verständnis von der Pflege. Die Pflege gesunder und kranker Menschen ist<br />

für ihn eine soziale Grundvoraussetzung menschlichen Lebens. Hier lassen sich Anknüpfungspunkte zu den<br />

Ausführungen in Kap. 3 finden.<br />

EXKURS : ANTHROPOLOGISCHE BEDEUTUNG DER PFLEGE<br />

Vor mehr als vierzig Jahren hat Rohde implizit auf die anthropologische Bedeutung der Pflege für das menschliche<br />

Überleben und für die Existenz menschlicher Gesellschaften hingewiesen. In Anlehnung an Arnold Gehlen<br />

ist der Mensch<br />

„[...] ein instinktarmes (daher hoch bewusstseinsfähiges), organprimitives (daher verhaltensplastisches), in<br />

Unangepasstheit riskiertes (daher auf Stellungnahme angewiesenes) dauerbedürftiges Wesen, das sich seine<br />

Lebensmöglichkeit durch handelnde Stellungnahme <strong>zur</strong> Welt, durch Umschaffen der ursprünglich feindlichen<br />

Naturbedingungen und durch Zucht seiner selbst erringen muss. [...]“ (Rohde 1974: 96).<br />

Diese Grundverfassung <strong>des</strong> Menschen kann mit der Kategorie der Dauerbedürftigkeit beschrieben werden, deren<br />

Bewältigung eine unumgängliche Kultur- und Gesellschaftsleistung ist. Alle Handlungen, Verhaltensweisen und<br />

Schöpfungen <strong>des</strong> Menschen sind auf diesen grundlegenden Bereich der Bedürftigkeit und der Bedürfnisse <strong>zur</strong>ückzuführen<br />

und bedürfen einer Lösung (Rohde 1974: 96f). Weil der Mensch überleben will, zielt sein Verhalten<br />

und Handeln u.a. auf die Befriedigung dieses grundlegenden Bedürfnisses ab (Rohde 1974: 97). Auch das<br />

pflegerische Handeln muss vor dem Hintergrund dieser Dauerbedürftigkeit gesehen werden. Letztere ist mit einer<br />

Dauerbelastung <strong>des</strong> Menschen gekoppelt. Sie macht sich darin bemerkbar, dass die Bedürfnisse nicht nur<br />

dauernd gefühlt werden, sondern dass<br />

74<br />

Rohde macht darauf aufmerksam, dass es sich bei der Vorstellung, wonach der Pflegeberuf primär ein Frauenberuf ist, um<br />

ein historisch junges Phänomen handelt.<br />

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