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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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4.4.1 MEDIZINISCHER FUNKTIONSKREIS<br />

Kapitel 4<br />

Rohde nähert sich der Beschreibung <strong>des</strong> medizinischen Funktionskreises über die Rolle <strong>des</strong> Arztes, dem innerhalb<br />

<strong>des</strong> Sozialgefüges Gesundheitswesen im Laufe der Geschichte die entscheidende Position zugewiesen wurde.<br />

In der Rolle <strong>des</strong> Arztes sei derjenige Sachverstand institutionalisiert,<br />

„der allein eine [...] sinnvolle, wirksame und erfolgsversprechende Auseinandersetzung mit der Krankheit<br />

garantiert. (Rohde 1974: 247)“<br />

In diesem Sinn und unter strukturellen wie organisatorischen Gesichtspunkten kommt der Arzt-Patient-<br />

Beziehung eine zentrale Bedeutung zu. Die Rolle <strong>des</strong> Arztes ist strukturell und inhaltlich an der Rolle <strong>des</strong> Patienten<br />

ausgerichtet (s. Rohde 1974: 247). Die Institutionalisierung dieser Rolle geht in hohem Maß von dem ‚technischen‘<br />

Inhalt der medizinischen Funktion aus. Dieser verweist auf die erworbene funktional-spezifische, d.h.<br />

auf die medizinisch-wissenschaftliche bzw. medizinisch-praktische Kompetenz.<br />

Im Krankenhaus tritt der Vorrang der technischen Kompetenz besonders hervor. Hier ist am wenigsten zu übersehen,<br />

dass das Subjekt der ärztlichen Tätigkeit unter heutigen Verhältnissen nicht mehr der einzelne Arzt, sondern<br />

ein Sozialgefüge ist, ein organisiertes und strukturiertes Rollenkollektiv. Die Tätigkeit <strong>des</strong> Arztes im Krankenhaus<br />

kann aufgrund der hier anzutreffenden Differenzierung auf der vertikalen Ebene (PJ‘lerIn bis Leitende/r<br />

Ärztin/Arzt) und auf der horizontalen Ebene (Differenzierung in verschiedene Fachdisziplinen und Spezialgebiete)<br />

nicht mehr isoliert betrachtet werden. Arzt im Krankenhaus zu sein heißt, an der Durchführung von Diagnose<br />

und Therapie kooperativ und im Gegensatz <strong>zur</strong> Rolle der medizinischen Hilfsberufe entscheidend teilzuhaben 72 .<br />

Diagnostik und Therapie erfolgen jedoch nicht mehr im Sinne einer Einzelleistung, sondern arbeitsteilig und kooperativ.<br />

Dies gilt gleichermaßen für den Assistenten wie für den Leitenden Arzt. Letzterer kann sich Rohde zufolge<br />

(1974: 251) aufgrund der ihm zugewiesenen Entscheidungskompetenz (Letztverantwortung) noch am ehesten<br />

über die funktionale Differenzierung hinwegtäuschen.<br />

Wichtige Merkmale der Arztrolle sind funktionale Spezifität, affektive (emotionale) Neutralität, Universalität<br />

und Kollektiv-Orientierung 73 . Als Angelpunkt der Arztrolle bezeichnet Rohde (1974: 252),<br />

„die funktionale Spezifität oder technische Kompetenz, deren ‚Inhalt‘ im Falle <strong>des</strong> Arztes überhaupt medizinisch,<br />

genauer: diagnostisch-therapeutisch ist(...)“.<br />

In der Rolle <strong>des</strong> Krankenhausarztes hat die funktionale Spezifität <strong>des</strong> technischen Inhalts gewisse Akzentuierungen<br />

erfahren, die bezogen auf die ‚funktionale Spezifität‘ und ‚technische Zuständigkeit‘ Auswirkungen auf andere<br />

Aspekte der Arztrolle hat. Die affektive Neutralität richtet sich auf die sozialen Objekte der Arzttätigkeit.<br />

Diese sind zuallererst der Patient, aber auch die Kollegen bzw. Kolleginnen und die anderen KrankenhausmitarbeiterInnen.<br />

Die geforderte medizinische Hilfeleistung gegenüber dem Patienten und die Zweckkomplexe der<br />

Institution Krankenhaus bringen die Notwendigkeit mit sich, die affektive Neutralität nicht nur auf den Patienten<br />

zu beziehen, sondern auf alle Rollen, die im Bezugsfeld der je eigenen Arztrolle liegen, gegenüber dem Pflegepersonal,<br />

den medizinisch-technischen Hilfskräften usw. (s. Rohde 1974: 258). Dies bedeutet, dass sowohl die<br />

Beziehung zum Patienten, als auch zu den anderen Berufsgruppen eine spezifische ist. Was die geforderte Universalität<br />

betrifft, hebt Rohde (s. 1974: 266) hervor,<br />

„dass die Arztrolle im höchsten Maße nicht exklusiv organisiert ist. Das potentielle Bezugsfeld der Rolle<br />

<strong>des</strong> Arztes umschließt alle anderen Mitglieder der Gesellschaft, da ja Krankheit als Rollenkonstituante ebenfalls<br />

zumin<strong>des</strong>t potentiell ein universales Phänomen ist. Theoretisch kann der Arzt also jedem gegenüber<br />

72 Das ‚Professionsmodell‘ wird in der ‚normalen‘ Arztrolle im Krankenhaus nur in Ansätzen realisiert, da der Leitende Arzt<br />

aufgrund seiner Kompetenz (Letztverantwortung) die Entscheidungen eines ihm nachgeordneten Arztes jederzeit in Frage<br />

stellen und außer Kraft setzen kann. Hier wirkt das ‚Zunftparadigma’.<br />

73 Parsons hat fünf Wertorientierungen in Form von sog. ‚pattern variables‘ beschrieben: Affektivität – affektive Neutralität;<br />

Diffusität – Spezifität; Kollektivorientierung – Selbstorientierung; Partikularismus – Universalismus; Zuschreibung (Qualität)<br />

– Leistung. Schneider (2002: 128ff, 131 ff) hat die Bedeutung, die diesen pattern variables für das menschliche Handeln zukommt,<br />

auf zwei unterschiedliche Handlungssituationen bezogen: er hat das Handeln in der Familie dem Handeln in beruflichen<br />

Rollen gegenüber gestellt. Die Professionen nehmen eine Sonderrolle im Kontext unterschiedlicher Berufsrollen ein.<br />

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