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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

Rohde (1974: 206ff) nennt vier wesentliche Zwecke <strong>des</strong> Krankenhauses: Diagnose, Therapie, Pflege und Isolierung<br />

68 . Aus diesen vier Zwecken ergeben sich zwei generelle Funktionskreise, der medizinische und der pflegerische<br />

Funktionskreis. Der dritte Funktionskreis ist der Notwendigkeit geschuldet, die materiellen und organisatorischen<br />

Voraussetzungen für die Zweckverwirklichung zu schaffen, um die sogenannten institutionellen Belange<br />

(institutional needs) zu befriedigen und um die Tätigkeit der oben genannten Funktionskreise zu koordinieren.<br />

Der administrative Funktionskreis, die Verwaltung 69 ist für den Bestand und die Arbeit der Institution<br />

Krankenhaus von vitaler Bedeutung. Weiter ist bei der Organisation der Krankenhausarbeit der Umstand zu berücksichtigen,<br />

dass das Krankenhaus nicht nur einem, sondern mehreren Zwecken zugleich dient. Es ist eine<br />

Mehrzweckorganisation (s. Mischo-Kelling 2007a). Alle vier von Rohde beschriebenen Funktionen <strong>des</strong> Krankenhauses<br />

- Diagnose, Therapie, Pflege und Isolierung – und die entsprechenden drei Funktionskreise (s. Abb.<br />

4.4) sind unmittelbar oder mittelbar auf den Patienten ausgerichtet. Die Patienten sind Kern- und Angelpunkt der<br />

gesamten Arbeits- und Handlungsvollzüge im Krankenhaus.<br />

Abb. 4.8: Funktionskreise nach Rohde (1974: 219)<br />

Der Patient ist nicht nur der Ausgangspunkt der zwischen den einzelnen Berufen stattfindenden Arbeitsteilung,<br />

er ist auch der Endpunkt oder Bezugspunkt, in dem die gesamte zu leistende Arbeit zusammenfließt und aufgrund<br />

der unter Pkt. 4.3 beschriebenen Zusammenhänge ihre Spuren hinterlässt. Die Situation verkompliziert<br />

sich dadurch, dass zu diesen Zwecken noch weitere wie Lehre und Forschung kommen können. Darüber hinaus<br />

sind die in den Funktionskreisen zum Tragen kommenden Handlungslogiken und Organisationsprinzipien (Bürokratie<br />

und Professionalität) nicht dieselben (s. Freidson 2001, Schroeder/Rosenthal 2005). Auch wenn die Patientenversorgung<br />

das übergeordnete Ziel ist, bedeutet das nicht, dass die verschiedenen Akteure der einzelnen<br />

Funktionskreise ihre Handlungsnormen, Handlungsmuster und Handlungsstrategien an der Situation <strong>des</strong> Patienten<br />

ausrichten. Aufgrund der strukturellen Beschaffenheit <strong>des</strong> Krankenhauses ist die Situation <strong>des</strong> Patienten 70 in<br />

diesem Sozialgefüge höchst problematisch und prekär. Im Folgenden geht es um die von Rohde Anfang der<br />

1960er Jahre beschriebenen Funktionskreise 71 .<br />

68 Der Begriff Isolierung ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Er kann aus einer rein medizinischen Perspektive als Isolierung<br />

der Kranken von den Gesunden interpretiert werden. Weiter verweist er auf eine Differenzierung zwischen Krankheitsarten,<br />

z.B. Infektionserkrankungen, psychischen Erkrankungen von somatischen. Die Kriterien der Isolierung können medizinischer,<br />

sozialer und ökonomischer Art sein. Sie bestimmen, wer wo aufgenommen wird und wie er untergebracht wird.<br />

69 Dieser kann grob untergliedert werden in administrativ-bürokratische und betrieblich-haushälterische Funktionen, die sozialgeschichtlich<br />

als Abkömmlinge <strong>des</strong> pflegerischen Funktionskreises betrachtet werden können (s. Rohde 1974:. 213, 219;<br />

Schär 2002).<br />

70 Aus dem Umstand der Hospitalisierung ergeben sich für den Patienten als Mensch vielfältige Probleme, die hier nur stichwortartig<br />

genannt werden: psychosoziale Entwurzelung, relative Entpersönlichung, relative Infantilisierung (s. Rohde, 1975:<br />

197ff). Hinter dem Hinweis, das alles, was im Krankenhaus passiert, letztlich zum Wohle <strong>des</strong> Patienten geschehe, kann sich<br />

nach Rohde (1973: 24f) ein Abwehrmechanismus im Sinne der Rationalisierung und Problemverleugnung verbergen. Dieser<br />

verhindert nicht nur, sich mit der konkreten Situation <strong>des</strong> Patienten auseinanderzusetzen, sondern auch nach Steuerungsmöglichkeiten<br />

zu suchen, die der tendenziellen Inhumanität <strong>des</strong> Krankenhauses entgegenwirken (s. Rohde 1973:24f).<br />

71 Roh<strong>des</strong> Vorstellungen vom medizinischen Funktionskreis orientieren sich in erster Linie an Parsons Vorstellungen <strong>zur</strong> medizinischen<br />

Profession, einem männlich geprägten Professionsbegriff, wie er ihn am Beispiel der ‚sick role‘ und an der ‚medical<br />

practice‘ entfaltet (s. Parsons 1951, Frank 1991).<br />

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