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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

Wird <strong>des</strong> Weiteren der Meadsche Handlungsbegriff auf den Dienstleistungsprozess übertragen, in dem verschiedene<br />

Dienstleistungen von verschiedenen Berufsgruppen/Professionen am selben Patienten erbracht werden,<br />

dann ist es für den im Raum stehenden Problemzusammenhang ‚Lebensprozess-Pflege/Handeln-Krankheit’<br />

zwingend erforderlich, dass alle Perspektiven, die die diversen Berufsgruppen/Professionen in Bezug auf den<br />

Patienten haben, einschließlich der <strong>des</strong> Patienten, wahrgenommen werden, um die für den Patienten ‚passende’<br />

bzw. eine von ihm/ihr zu handhabende Lösung zu finden. Dieses erfordert Kommunikation und Kooperation im<br />

weitesten Sinn. Im nächsten Schritt sollen der medizinische und der pflegerische Funktionskreis betrachtet werden,<br />

die die Perspektiven zweier sozialer Gruppen, der Pflege und der Medizin, widerspiegeln.<br />

4.4 ZUM MEDIZINISCHEN UND PFLEGERISCHEN FUNKTIONSKREIS<br />

In seiner Arbeit beschreibt Rohde (1974: 86), wie das Krankenhaus ins Zentrum der Medizin rückte und die Medizin<br />

ins Zentrum <strong>des</strong> Krankenhauses. Die heute selbstverständliche Funktionszuschreibung als Behandlungsstätte<br />

von Krankheit statt von Krankheit und Pflege ist das Ergebnis eines Ende <strong>des</strong> 18. Jh. einsetzenden, jahrzehntelang<br />

sich in Brüchen vollziehenden und erst im 20. Jahrhundert beendeten Differenzierungsprozesses. In<br />

diesem vollzog sich die Transformation vom Armenhospital zum Krankenhaus, von einer karitativen, religiösen<br />

Institution zu einem komplexen Krankenhaus- und modernen Wirtschaftsbetrieb (Schadewaldt 1973, Eichhorn/Schmidt-Rettig<br />

2001) Rohde (1974) führt den damit einhergehenden Funktionswandel ‚vom eigentlichen<br />

Pflegehospital <strong>zur</strong> Behandlungsklinik’ im 18. Jh. vor allem auf Änderungen der politischen und sozialen Gegebenheiten<br />

in der Aufklärungszeit <strong>zur</strong>ück und weniger auf den medizinischen Fortschritt. Der Einfluss der naturwissenschaftlich<br />

orientierten Medizin auf das Krankenhauswesen wird erst Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts spürbar.<br />

Zur Herausbildung einer speziellen Krankenhausmedizin haben vor allem drei Ereignisse geführt:<br />

1. die Entdeckung der Narkose 1848<br />

2. die allmähliche Herausbildung von Spezialdisziplinen, wie Augen- und Ohrenheilkunde<br />

3. die Einführung der Antisepsis und später Asepsis (s. Schadewaldt 1973: 324f).<br />

Für die Anwendung der entdeckten Methoden und wissenschaftlichen Erkenntnisse (z.B. Hygiene) und später<br />

auch für den Einsatz der für Diagnostik und Therapie erforderlichen Apparate benötigten die naturwissenschaftlich<br />

orientierten Ärzte moderne Krankenhäuser. Sie konnten die <strong>zur</strong> Diagnostik benötigten Apparaturen nicht<br />

mehr in das Haus <strong>des</strong> Kranken mitnehmen. Die Patienten, auch diejenigen, die sich einen Hausarzt leisten konnten,<br />

waren im letzten Drittel <strong>des</strong> 19. Jh. immer mehr auf das Krankenhaus angewiesen, wenn sie einen Spezialisten<br />

konsultieren wollten. Dies war insbesondere nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Konrad Wilhelm<br />

Röntgen 1895 und deren schneller Verbreitung in Diagnostik und Therapie der Fall. Dies trug neben anderen<br />

Faktoren dazu bei, dass das Krankenhaus nicht mehr nur ein Hospital für Unbemittelte und Lohnabhängige<br />

war, sondern eine nach Klassen gegliederte Heilinstitution für alle Bürger wurde. (s. Schadewaldt 1973: 324f).<br />

Dieser Prozess wurde mit der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 1883 weiter gefördert<br />

(s. auch Frühmorgen 1988:131). Für die berufliche Pflege und für die Ausgestaltung <strong>des</strong> pflegerischen<br />

Funktionskreises sind die daraus resultierenden Folgen wichtig. Die beschriebene Funktionsänderung zog eine<br />

Veränderung der Rollen <strong>des</strong> Beteiligten (Ärzte, Pflegepersonal, Patienten) nach sich. In diesem Prozess wurden<br />

die Weichen für die innerbetrieblichen Strukturen und die Funktionen <strong>des</strong> heutigen Krankenhauses gestellt, d.h.<br />

für die medizinischen, pflegerischen, hauswirtschaftlichen und verwaltungsmäßigen Funktionen (s. Rohde 1974:<br />

45). Eine Folge dieses Funktionswandels war, dass die Pflege 67 ihre bis dahin zentrale Stellung an die Medizin<br />

verlor. Als Folge der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung wurde die Pflege der Medizin untergeordnet und<br />

immer mehr als Hilfs- bzw. Dienstleistung für den Arzt verstanden statt als eigenständige auf den Pflegebedarf<br />

<strong>des</strong> Patienten bezogener Dienstleistung.<br />

67 Zur Bedeutung der Pflege für das Krankenhauswesen siehe auch die historische Arbeit von Traudel Weber-Reich (2003).<br />

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