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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

ergibt sich schon daraus, dass bei der Patientenversorgung die Zuständigkeitsbereiche verschiedener Berufsgruppen/Professionen<br />

aufeinander stoßen und sich teilweise sowie zeitweise überlappen. Die Qualität und die<br />

Durchsetzungskraft der ‚kulturellen Arbeit’ der jeweiligen Berufe/Professionen zeigt sich in der Interaktion mit<br />

dem/der DienstleistungsempfängerIn. Die Qualität der verschiedenen Dienstleistungen ist aufgrund ihrer arbeitsteiligen<br />

Erbringung am Empfänger durch das Agieren der anderen im Dienstleistungsprozess tendenziell gefährdet.<br />

Weiter macht die Arbeitsteilung vor dem/der PatientIn bzw. dem/der zu Pflegenden nicht halt. Er ist als zu<br />

bearbeitender Gegenstand im Gegensatz <strong>zur</strong> Güterproduktion nicht inaktiv, sondern er reagiert - sofern er nicht<br />

bewusstlos oder zeitweise empfindungsunfähig ist - auf die ‚Bearbeitung’ seines Körpers oder seines Zustan<strong>des</strong><br />

im weitesten Sinn und nimmt Einfluss auf die Dienstleistungssituation. Er kann sich an der Herstellung <strong>des</strong> Produktes<br />

- z.B. der Verbesserung seines Gesundheitszustands oder seiner Fähigkeit <strong>zur</strong> eigenen Pflege -, aktiv beteiligen,<br />

indem er selbst Arbeit leistet (s. Strauss et al 1985: 9, Maleri 1997). Deren Art und Ausmaß wird durch<br />

die jeweils vorherrschende Interaktionsform bestimmt.<br />

4.3.4 DER PATIENT ALS ARBEITSGEGENSTAND IM DIENSTLEISTUNGSPROZESS<br />

Unabhängig vom Grad der Arbeitsteilung zwischen den und innerhalb der einzelnen Berufe ist der Patient immer<br />

Mitproduzent (s. Strauss et al. 1985), oder wie Badura (1994) es nennt, Koproduzent bzw. Kotherapeut. Die<br />

Pflegekraft ist bei der Pflege in hohem Maße auf die Kooperation <strong>des</strong> Patienten angewiesen (s. Strauss et al.<br />

1985). Als Arbeitsgegenstand tritt er mit ihr als ganzer Mensch in eine Arbeitsbeziehung und steht als dieser im<br />

Mittelpunkt <strong>des</strong> Dienstleistungsgeschehens. Er ist kein ‚unwissen<strong>des</strong>’ Wesen. Mit ihrem Handeln bezieht sich<br />

die Pflegekraft nicht nur auf den Körper <strong>des</strong> Patienten oder auf einzelne Teile <strong>des</strong>selben, sondern immer auf die<br />

ganze Person und somit auf seine grundsätzliche Fähigkeit für die eigene Pflege im weitesten Sinn selbst aufzukommen<br />

(s. auch Kap. 3). Hierbei hat sein gesundheitlicher Zustand Einfluss auf seine Fähigkeit oder Kompetenz<br />

<strong>zur</strong> eigenen Pflege. Die Pflegekraft bezieht sich im Dienstleistungs- oder auch Pflegeprozess mit ihrer Leistung<br />

durch den zweckgerichteten Einsatz von bestimmten Mitteln (der Berücksichtigung von Prinzipien, Anwendung<br />

von Techniken) auf einen vorgefundenen körperlichen, psychischen und geistigen Zustand sowie auf<br />

die Fähigkeiten und Kompetenzen <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen. Um den vorgefundenen Zustand zielgerichtet in<br />

einen anderen Zustand überführen zu können, muss die Pflegekraft eine Vorstellung vom gegenwärtigen Zustand<br />

und den gegenwärtigen Fähigkeiten <strong>des</strong> Patienten haben, d.h. von seinen körperlichen Funktionen, seinen Lebensgewohnheiten,<br />

seinen Möglichkeiten/Kompetenzen und von seinen Wünschen, Erwartungen und Zielen. Die<br />

Pflegekraft muss die Lebensweise <strong>des</strong> Patienten und seine Fähigkeiten <strong>zur</strong> eigenen Pflege zum Ausgangspunkt<br />

ihres Handelns (s. Kap. 3) machen. Die Krankheit erzeugt in der Meadschen Terminologie eine problematische<br />

Situation oder Handlungssituation. Das Handeln gerät in eine Krise 65 . Aus diesem Grund muss die Pflegekraft<br />

sich mit der allgemeinen häuslichen, beruflichen und privaten Situation <strong>des</strong> Patienten auseinandersetzen. Insofern<br />

ist es unerlässlich, eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie der Patient im Alltag für sich sorgt bzw. wie er<br />

oder andere für die Pflege seines Körpers und seines Selbst aufkommen. Der Erfolg der von ihr in einem arbeitsteiligen<br />

Prozess erbrachten Dienstleistungen hängt davon ab, ob ihr pflegerisches Wissen und die Kompetenz,<br />

die sie in ihren Handlungen und Haltungen zum Ausdruck bringt, auf den Patienten handlungsorientierend wirken.<br />

Handelt es sich um Leistungen im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt, kann es sein, dass die<br />

Fähigkeit <strong>des</strong> Patienten <strong>zur</strong> eigenen Pflege mehr oder weniger deutlich beeinträchtigt ist oder dass sie aufgrund<br />

seines gesundheitlichen Zustands (z.B. Bewusstlosigkeit) zeitweise ganz ausfällt. Gerade in solchen Situationen<br />

ist eine Vorstellung von den Fähigkeiten <strong>des</strong> Patienten <strong>zur</strong> eigenen Pflege sowie von den Bedingungen, die diese<br />

prägen, eine zwingende Voraussetzung, um den Patienten adäquat bei den für die eigene Pflege notwendigen<br />

65 An dieser Stelle greift die von Oevermann (1996, 2008) vertretene Strukturlogik professionalisierten Handelns. Diese diskutiert<br />

er im Kontext von Krisen und Routinen. Eine Krise unterbricht die Routinen <strong>des</strong> Patienten/zu pflegenden Menschen.<br />

Im Mittelpunkt <strong>des</strong> professionellen Handelns steht die Bearbeitung dieser Krisen. Es ist im Moment der Bearbeitung vor allem<br />

stellvertreten<strong>des</strong> Handeln. Die Fähigkeit hierzu wird im Rahmen einer ‚Handlungs- und Kunstlehre’ erworben und bedarf<br />

der Ausbildung eines entsprechenden Habitus. Sie stellt aber nur eine Handlungsform von Diensthandlungshandeln dar.<br />

Zu klären ist, welche Rolle den beiden anderen von Pongratz genannten Handlungsformen, dem anregenden und befähigenden<br />

Handeln in der Pflege zukommt.<br />

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