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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

z.B. die Pflegekraft ihr Handeln an seinem/ihrem aktuellen Pflegebedarf ausrichtet und ob das dabei hergestellte<br />

‚immaterielle Gut’ - das Produkt – der Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der Kompetenz <strong>zur</strong> eigenen<br />

Pflege dient. Die Dienstleistung zeigt ihre Wirkung am und im Patienten.<br />

4.3.2 IMMATERIALITÄT<br />

Ein weiteres Merkmal personenbezogener Dienstleistungen besteht darin, dass das hergestellte Produkt (hier:<br />

Kompetenz <strong>zur</strong> eigenen Pflege und darüber relative ‚Autonomie’ und ‚Gesundheit’) immateriell ist. Auch wenn<br />

das von der Pflege hergestellte Produkt immaterieller Natur ist und damit eigentlich ‚nicht greifbar’, darf nicht<br />

übersehen werden, dass die Pflegekraft in der Auseinandersetzung mit dem Patienten auf etwas Konkretes einwirkt,<br />

und zwar auf seinen Körper, seine Persönlichkeit und sein jeweiliges soziales Umfeld. Insofern überdauert<br />

die Wirkung ihres Tuns (und wäre es nur im Erleben <strong>des</strong> Patienten) den konkreten Akt. Ganz allgemein stiften<br />

personenbezogene Dienstleistungen einen Nutzen 62 . Für die Pflege sind die Nutzungsstiftungsarten von Maleri<br />

(1997: 87ff) interessant:<br />

1. Nutzenvermittlung<br />

2. Wert- und Funktionssteigerung bzw. -erhaltung<br />

3. Vermeidung bzw. Beseitigung von Nutzenbeeinträchtigungen<br />

4. Vermittlung, Übermittlung und Beschaffung von Information<br />

5. Ästhetischer Genuss, Erbauung und Unterhaltung<br />

6. Produktion immateriellen Kapitals im Sinne von immateriellem Fähigkeitskapital (‚Know-how und<br />

know-why’)<br />

7. Dienstleistungen als Produktionsfaktoren.<br />

Die von der beruflichen Pflege erbrachten Dienstleistungen lassen sich nicht nur einer, sondern mehreren Nutzungsarten<br />

zuordnen 63 (s. auch Kap. 9). In diesem Zusammenhang ist die von Pongratz (2004) vorgelegte, auf<br />

das Interaktionsgeschehen zielende Unterscheidung von Dienstleistungshandeln aufschlussreich. Er unterstellt,<br />

dass Dienstleistungsbeziehungen in unterschiedlichem Grade durch Machtasymmetrien zwischen Dienstleistungsnehmern<br />

und Dienstleistungsgebern geprägt sind. Erstere übertragen an letztere aufgrund der diesen zugeschriebenen<br />

Fachautorität Verfügungsrechte über die eigene Person. So darf der Friseur das Haar schneiden etc,<br />

er darf aber nicht die Kopfhaut therapieren. Diese Verfügungsrechte werden interaktiv ausgehandelt. Hierbei<br />

geht es um die Definition und Zuweisung von Grenzen und Befugnissen. Dies geschieht handlungsbegleitend<br />

durch die symbolische Inszenierung von Machtansprüchen und Machtzugeständnissen. Weiter können nach<br />

Pongratz (2004: 61) in sozialen Beziehungen charakteristische Inszenierungsmuster unterstellt werden. Einem<br />

Dominanz- und Fügsamkeitsgebaren folge ein spezifisches Alternationsschema, das in Anlehnung an Goffman<br />

eine ritualisierte Achtungsstruktur repräsentiert. Für personenbezogene Dienstleistungen arbeitet Pongratz (2005:<br />

64) entsprechend <strong>des</strong> Leistungsbedarfs und der dadurch bedingten Kooperations- und Machtstrukturen sieben<br />

Interaktionsformen heraus. Diese ordnet er drei Strukturmustern zu: stellvertretendem, anregendem und befähigendem<br />

Handeln (s. Tabelle 4.1, s. S. 180).<br />

Vor dem Hintergrund der Nutzungsstiftungsarten, der aufgeführten Interaktionsformen, <strong>des</strong> damit in Beziehung<br />

gesetzten Leistungsbedarfs, <strong>des</strong> Dienstleistungshandelns und <strong>des</strong> Alternationsschemas verkörpert sich die pflegerische<br />

Dienstleistung in Anlehnung an Berekoven (1974: 23) im:<br />

* Nutzbarmachen von Existierendem, z.B. der Kompetenz <strong>zur</strong> eigenen Pflege<br />

* Schaffen von wesenhaft Neuem, z.B. der Erwerb neuer Kompetenzen und Fertigkeiten wie etwa die<br />

Selbstinjektion<br />

* Verändern von Bestehendem, d.h. der vorhandenen Kompetenz <strong>zur</strong> eigenen Pflege<br />

62 Nach Maleri (1997: 84) sind die Bedürfnisse <strong>des</strong> Menschen, d.h. ein Mangelempfinden in seinem Bewusstsein, die Voraussetzung<br />

dafür, dass Nutzen entstehen kann. Daher ist je<strong>des</strong> Objekt menschlichen Begehrens in der Lage, Nutzen zu stiften.<br />

63 In eine ähnliche Richtung argumentiert Helga Krüger (1999: 4). Sie hebt hervor, dass Dienstleistungen nicht nur in die<br />

Produktion, sondern auch in die Kreativität und Ökonomie <strong>des</strong> Lebens eingreifen. Sie fordert insgesamt eine Neubewertung<br />

personenbezogener Dienstleistungen.<br />

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